Normenkette
BRAO § 14 Abs. 1 Nr. 7, § 32 Abs. 1 S. 1; InsO § 26 Abs. 2; ZPO § 882b
Verfahrensgang
AGH Celle (Entscheidung vom 19.08.2021; Aktenzeichen AGH 12/16 (II 5/7)) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das ihm an Verkündungs statt am 19. August 2021 zugestellte Urteil des 2. Senats des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs und der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Der im Jahr 1950 geborene Kläger ist seit 1981 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und als Einzelanwalt in S. tätig. Mit Bescheid vom 22. April 2016, dem Kläger zugestellt am 26. April 2016, widerrief die Beklagte seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat die dagegen erhobene Klage des Klägers abgewiesen. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs. Außerdem hat er im Laufe des Zulassungsverfahrens einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt.
II.
Rz. 2
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Rz. 3
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 2. Oktober 2019 - AnwZ (Brfg) 44/19, juris Rn. 3 mwN).
Rz. 4
Entsprechende Zweifel vermag der Kläger nicht darzulegen. Die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats.
Rz. 5
a) Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 1 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind; ein Vermögensverfall wird nach Halbsatz 2 der Vorschrift widerleglich vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 882b ZPO) eingetragen ist.
Rz. 6
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls ist nach der Rechtsprechung des Senats allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.; vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 77/13, juris Rn. 3; vom 12. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 60/17, juris Rn. 4 und vom 22. November 2021 - AnwZ (Brfg) 3/21, juris Rn. 4).
Rz. 7
b) Ausgehend davon bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Annahme des Anwaltsgerichtshofs, dass der Kläger sich im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufs seiner Zulassung in Vermögensverfall befand.
Rz. 8
aa) Da zum Zeitpunkt des Widerrufs der Zulassung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet war, wird sein Vermögensverfall nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO vermutet.
Rz. 9
Dass der Beschluss des Amtsgerichts (Insolvenzgerichts) vom 1. Dezember 2015 über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs noch nicht rechtskräftig war, steht dem nicht entgegen. § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO setzt bereits seinem Wortlaut nach keine Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses voraus. Zudem hat der Anwaltsgerichtshof zutreffend darauf verwiesen, dass dem Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts - ebenso wie Schuldtiteln und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von Vollstreckungsorganen (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 20. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 32/13, BeckRS 2014, 20924 Rn. 5; vom 5. September 2016 - AnwZ (Brfg) 39/15, juris Rn. 16 und vom 29. Mai 2018, - AnwZ (Brfg) 71/17, ZInsO 2018, 1637 Rn. 5; jeweils mwN) - im Widerrufsverfahren eine Tatbestandswirkung zukommt. Seine inhaltliche und verfahrensrechtliche Richtigkeit wird daher im Widerrufsverfahren nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO nicht überprüft; etwaige Fehler sind nicht im Widerrufsverfahren, sondern in dem dafür vorgesehenen Verfahren, d.h. hier im Wege der vom Kläger gegen den Beschluss erhobenen sofortigen Beschwerde, geltend zu machen.
Rz. 10
Diese Tatbestandswirkung entfällt zwar, wenn sich auf den dafür vorgesehenen Rechtsbehelf des Betroffenen nachträglich herausstellt, dass ihre Voraussetzungen bereits im Zeitpunkt des Widerrufs nicht gegeben waren (vgl. Senat, Beschlüsse vom 20. Februar 2020 - AnwZ (Brfg) 65/19, juris Rn. 18 und vom 17. November 2020 - AnwZ (Brfg) 20/20, juris Rn. 18 f. zur nachträglichen Aufhebung eines vorläufig vollstreckbaren Urteils). Auch das ist hier aber nicht der Fall, da die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Insolvenzeröffnungsbeschluss bereits durch Beschluss des Landgerichts B. vom 14. Juli 2016 zurückgewiesen worden ist.
Rz. 11
Dagegen macht der Kläger ohne Erfolg geltend, der Anwaltsgerichtshof sei an rechtswidrige Entscheidungen nicht gebunden. Dieser Einwand zielt im Ergebnis lediglich darauf, doch noch eine rechtliche Überprüfung der insolvenzgerichtlichen Beschwerdeentscheidung im vorliegenden Widerrufsverfahren zu erreichen, die nach der obigen Rechtsprechung indes gerade nicht stattfindet. Ein Fall evidenter Nichtig- oder Rechtswidrigkeit, in dem dies anders zu beurteilen sein könnte, liegt hier auch nach dem Vorbringen des Klägers nicht vor. Der Kläger wiederholt mit seinem Zulassungsantrag lediglich seine Einwände gegen die Zulässigkeit des Antrags der Finanzverwaltung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und gegen die Berechtigung der diesem Antrag zugrundeliegenden Steuerforderung. Über diese Einwände hat bereits das Landgericht B. in seinem Beschluss vom 14. Juli 2016 entschieden und sie für nicht durchgreifend erachtet. Dabei hat es insbesondere darauf verwiesen, dass bei der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die objektive Gesamtsituation des Schuldners zu beurteilen ist, ohne dass die Forderungen des jeweiligen Antragstellers dabei eine besondere Rolle spielten, und nach dem Insolvenzeröffnungsgutachten auch ohne Berücksichtigung der vom Kläger angegriffenen Steuerforderungen von seiner Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO auszugehen sei, weil er weitere Schulden in Höhe von mehr als 100.000 €, davon über 60.000 € fällig gestellt, habe, denen keine annähernd ausreichenden Aktiva gegenüberstünden. Dagegen bringt der Kläger auch mit seinem Zulassungsantrag nichts vor.
Rz. 12
bb) Auf die vom Anwaltsgerichtshof außerdem bejahte weitere Begründung der Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO durch die Eintragung des Klägers im Schuldnerverzeichnis und die vom Kläger dagegen erhobenen Einwände kommt es damit nicht mehr an.
Rz. 13
Lediglich ergänzend ist daher anzumerken, dass der Anwaltsgerichtshof den Einwand des Klägers, seine Eintragung im Schuldnerverzeichnis habe wegen Ablaufs der Jahresfrist des § 32 Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 2, § 48 Abs. 4 VwVfG nicht mehr berücksichtigt werden dürfen, entgegen der Ansicht des Klägers gesehen und gewürdigt hat. Wie sich aus seinem Beschluss vom 20. März 2019 ergibt, hat er ihn jedoch für unerheblich erachtet, weil er insoweit von einem Ausschluss der nach § 32 BRAO nur subsidiär geltenden §§ 48, 49 VwVfG durch die vorrangige Spezialregelung des unbefristeten Widerrufs in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ausgegangen ist (ebenso Siegmund in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 32 BRAO, Rn. 109; siehe auch Schmidt-Räntsch, ebenda, § 14 BRAO Rn. 11; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl., § 49 Rn. 85 mwN). Selbst wenn man dem nicht folgen wollte, wäre die Jahresfrist nicht verstrichen, weil es sich hierbei um eine Entscheidungsfrist handelt, deren Lauf erst beginnt, wenn die Behörde sämtliche relevanten Tatsachen für ihre Entscheidung kennt und auf dieser Grundlage zu der rechtlichen Erkenntnis gelangt ist, dass ihr die Widerrufs- bzw. Rücknahmebefugnis zusteht; auch eine notwendige Anhörung muss grundsätzlich bereits erfolgt sein (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2012 - AnwZ (Brfg) 56/11, NJW 2013, 175 Rn. 8; BeckOK VwVfG/Abel, Stand: 1. Januar 2022, § 49 Rn. 68; jeweils mwN). Da die Beklagte nach ihrem Anhörungsschreiben vom 10. Dezember 2015 erst durch Ermittlungen im Zusammenhang mit der Mitteilung des Amtsgerichts B. vom 3. Dezember 2015 über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der Eintragung des Klägers im Schuldnerverzeichnis erfahren hat, war die Jahresfrist bei Widerruf der Zulassung im April 2016 noch nicht verstrichen. Das gälte im Übrigen sogar dann, wenn die Beklagte unmittelbar nach der Eintragung des Klägers im Schuldnerverzeichnis am 16. April 2015 Kenntnis davon erlangt hätte, da auch dann noch eine Anhörung des Klägers nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 28 VwVfG geboten gewesen wäre.
Rz. 14
cc) Der Kläger hat die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Vermutung seines Vermögensverfalls nicht widerlegt.
Rz. 15
(1) Im Falle eines Insolvenzverfahrens ist die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls nach ständiger Senatsrechtsprechung erst dann widerlegt, wenn ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 InsO) oder angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit wird (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 4. April 2012 - AnwZ (Brfg) 62/11, juris Rn. 4; vom 27. August 2019 - AnwZ (Brfg) 35/19, juris Rn. 19 und vom 16. Dezember 2021 - AnwZ (Brfg) 36/20, juris Rn. 7).
Rz. 16
Diese Voraussetzungen lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids nicht vor; sie sind im Übrigen bis heute nicht gegeben. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers wurde zwar im Mai 2019 aufgehoben, allerdings ohne Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen. Nach dem Schlussbericht des Insolvenzverwalters wurden Insolvenzforderungen in Höhe von 132.759,21 € sowie weitere 33.038,83 € mit Beschränkung auf den Ausfall zur Tabelle festgestellt; die verteilungsfähige Masse betrug voraussichtlich 4.794,74 €, was einer Insolvenzquote von 3,61 % entsprach. Einen Antrag auf Restschuldbefreiung hatte der Kläger nicht gestellt.
Rz. 17
(2) Dass der Insolvenzverwalter die selbständige Erwerbstätigkeit des Klägers unmittelbar nach der Verfahrenseröffnung gemäß § 35 Abs. 2 InsO aus der Insolvenzmasse freigegeben und hinsichtlich der Wohnung des Klägers die Freigabe aus dem Insolvenzbeschlag erklärt hatte, führt entgegen der Ansicht des Klägers zu keiner anderen Beurteilung (vgl. Senat, Beschlüsse vom 21. Februar 2018 - AnwZ (Brfg) 72/17, NZI 2018, 422 Rn. 13; vom 9. November 2020 - AnwZ (Brfg) 19/20, juris Rn. 5 und vom 16. Dezember 2021 - AnwZ (Brfg) 36/20, juris Rn. 8). Nach dem Schlussbericht des Insolvenzverwalters sind diese Freigaben lediglich erfolgt, weil die Masse nicht mit unkontrollierbaren Risiken aus der Erwerbstätigkeit des Klägers oder evtl. Stilllegungskosten belastet werden sollte und daraus kein Ertrag bzw. kein Verwertungserlös für die Masse zu erwarten war. Sie haben nichts an der damaligen Schuldenlage des Klägers geändert und überdies dazu geführt, dass seine Gläubiger wieder Zugriff auf diesen Teil seines Vermögens nehmen konnten (vgl. Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 14 Rn. 42 mwN).
Rz. 18
(3) Das weitere Vorbringen des Klägers reicht für eine Widerlegung der Vermutung ebenfalls nicht aus.
Rz. 19
(a) Der Kläger macht insoweit geltend, dass er nur durch das Verhalten der Finanzverwaltung in das Insolvenzverfahren getrieben worden sei und nach dem Insolvenzeröffnungsgutachten seine Zahlungen zum damaligen Zeitpunkt auch nicht eingestellt gehabt habe. Zudem habe er entgegen der Erwartung des Insolvenzverwalters nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit seiner (freigegebenen) anwaltlichen Tätigkeit Gewinne zwischen 7.900 € und 16.600 € jährlich erzielt und mit der Hypothekengläubigerin seiner Eigentumswohnung (nach deren Darlehenskündigung im Jahr 2017) einen Ratenzahlungsvergleich zu einem geringeren Zinssatz geschlossen. Schließlich habe auch der Gläubiger, auf dessen Antrag er im Jahr 2015 die Vermögensauskunft abgegeben habe, seine Forderung bislang nicht realisiert.
Rz. 20
(b) Dieses Vorbringen vermag die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Vermutung bereits deshalb nicht zu widerlegen, weil die Rechtsprechung des Senats zur Widerlegung der Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO durch eine umfassende Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse (nur) für die Vermutung des Vermögensverfalls bei Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nach § 882b ZPO gilt (vgl. Senat, Beschluss vom 4. April 2012 - AnwZ (Brfg) 62/11, juris Rn. 5). Für die - hier in Rede stehende - gesetzliche Vermutung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelten dagegen die oben genannten Anforderungen an eine Widerlegung, die, wie ausgeführt, nicht erfüllt sind.
Rz. 21
(c) Im Übrigen würde das Vorbringen des Klägers auch für eine Widerlegung der Vermutung aufgrund einer Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nicht ausreichen. Der Kläger hat auch im Zulassungsverfahren kein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten mit einem nachvollziehbaren bzw. realistischen Tilgungsplan und entsprechenden Unterlagen für den maßgeblichen Zeitpunkt April 2016 vorgelegt (vgl. zu dieser Anforderung etwa Senat, Beschlüsse vom 29. Juli 2016 - AnwZ (Brfg) 9/16, juris Rn. 6; vom 30. Januar 2017 - AnwZ (Brfg) 61/16, juris Rn. 4 und vom 24. Juli 2018 - AnwZ (Brfg) 3/18, juris Rn. 7; jeweils mwN). Seine Angaben beschränken sich (wie bereits im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof) auf die lediglich punktuelle Erwähnung von Ratenzahlungsvereinbarungen mit verschiedenen Gläubigern ohne umfassende Darstellung seiner damaligen finanziellen Situation nebst Belegen. Auch seine Behauptung, dass der Gläubiger, der im Jahr 2015 die Abgabe der Vermögensauskunft erwirkt hat, seine Forderung nicht weiterverfolge, hat er weiterhin nicht substantiiert und belegt. Der bloße Verweis auf seine damaligen Einkünfte von insgesamt gut 1.260 € monatlich (460 € Renteneinkommen und ungefähr 800 € Gewinn aus seiner anwaltlichen Tätigkeit) lässt nicht erkennen, wie er damit in der Lage gewesen sein sollte, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens laut Eröffnungsgutachten - sogar ohne die von ihm bestrittenen Steuerforderungen - bestehenden Verbindlichkeiten von über 100.000 €, davon über 60.000 € fällige Forderungen, zu erfüllen.
Rz. 22
(d) Die in diesem Zusammenhang weiter angeführten Einwände des Klägers gegen die Berechtigung der dem Insolvenzantrag der Finanzverwaltung zugrundeliegenden Steuerforderung von 31.106,79 € und gegen die insoweit vom Anwaltsgerichtshof angenommene Tatbestandswirkung sind wiederum bereits deshalb unerheblich, weil die gesetzliche Vermutung seines Vermögensverfalls nicht auf der Titulierung und Vollstreckung dieser Steuerforderung beruht, sondern - unabhängig davon - auf der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen.
Rz. 23
Im Übrigen hat der Anwaltsgerichtshof auch hierzu zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die vorinsolvenzliche Steuerforderung der Finanzverwaltung nicht substantiiert bestritten hat. Der vom Kläger angeführte Verzicht des Finanzamts auf 24.548,14 € am 14. Juni 2018, die Stornierung von 12.361 € am 30. Januar 2019 und der Billigkeitserlass von 13.316 € am 3. März 2020 betrafen sämtlich nicht die ursprüngliche Steuerforderung von 31.106,79 €, sondern Nachmeldungen der Finanzverwaltung oder erst während des Insolvenzverfahrens berechnete Säumniszuschläge. Auch die Aufhebung des Bescheids vom 25. Juni 2020 durch das Finanzamt W. am 18. Oktober 2021 (nach einem Hinweis des Finanzgerichts H. ) bezog sich lediglich auf diesen "Abrechnungsbescheid", der nach der Aufhebungsbegründung des Finanzamts bereits nicht als solcher gemeint war. An den bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergangenen Steuerbescheiden bzw. den auf einer vor Verfahrenseröffnung erfolgten Steueranmeldung beruhenden Steuerforderungen (§ 168 AO) hat sich dadurch nichts geändert.
Rz. 24
c) Das Vorbringen des Klägers begründet keine ernstlichen Zweifel an der weiteren Annahme des Anwaltsgerichtshofs, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden vorliegt.
Rz. 25
Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit diesen rechtlich abgesicherten Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 15; vom 21. Februar 2018 - AnwZ (Brfg) 72/17, NZI 2018, 422 Rn. 12; vom 5. März 2018 - AnwZ (Brfg) 52/17, juris Rn. 8; vom 12. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 65/18, juris Rn. 7 und vom 16. Dezember 2021 - AnwZ (Brfg) 36/20, juris Rn. 11). Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung ausnahmsweise nicht bestand, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Rz. 26
2. Dem Anwaltsgerichtshof ist kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
Rz. 27
Insbesondere war der Anwaltsgerichtshof entgegen der Ansicht des Klägers nicht gehalten, die Akten des Insolvenzgerichts B., des Finanzamts W., des Insolvenzverwalters, des Finanzgerichts B. und des Landgerichts H. beizuziehen. Nach dem Vorbringen des Klägers soll sich aus diesen Akten ergeben, dass die Finanzverwaltung einen unzulässigen Insolvenzeröffnungsantrag ohne Vorlage eines Titels gestellt und er sich im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bzw. bei Erlass des Widerrufsbescheids nicht in Vermögensverfall befunden habe. Diesem Vorbringen musste der Anwaltsgerichtshof nicht weiter nachgehen, da es - wie oben ausgeführt - nicht geeignet war, die bereits aus dem übrigen Vortrag des Klägers und den zur Akte gereichten Unterlagen folgende gesetzliche Vermutung seines Vermögensverfalls zu widerlegen.
Rz. 28
Dass der Anwaltsgerichtshof eine Aussetzung des Verfahrens nach § 112c Abs. 1 BRAO, § 94 VwGO wegen der vom Kläger beim Landgericht H. anhängig gemachten Klage gegen die Finanzverwaltung, mit der er die Unterlassung unzutreffender Mitteilungen nach § 36 Abs. 2 BRAO an die Beklagte über angebliche Steuerschulden begehrt, mangels Vorgreiflichkeit abgelehnt hat, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
Rz. 29
Ebenfalls nicht zu beanstanden ist schließlich, dass der Anwaltsgerichtshof der Anregung des Klägers nicht gefolgt ist, das vorliegende Verfahren mit dem bei ihm anhängigen Klageverfahren betreffend den - von der Beklagten zwischenzeitlich abschlägig beschiedenen - Antrag des Klägers vom 18. Mai 2021 auf Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft (AGH ) zu verbinden. Das vorliegende Verfahren war entscheidungsreif; zudem war bzw. ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beklagten über den Widerruf im Jahr 2016 und eine Wiederzulassung im Jahr 2021 auf unterschiedliche Zeitpunkte abzustellen und die hiesige Entscheidung über die Recht-mäßigkeit des Widerrufs überdies vorgreiflich für die Frage einer Wiederzulassung.
Rz. 30
3. Andere Zulassungsgründe im Sinne von § 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 VwGO werden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
III.
Rz. 31
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da seine Rechtsverfolgung nach den obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 114 Abs. 1 ZPO). Dabei war die vom Kläger erneut geltend gemachte Aktenbeiziehung auch durch den Senat für die Prüfung der Erfolgsaussicht seines Zulassungsantrags mangels Entscheidungserheblichkeit (s.o.) nicht geboten. Gleiches gilt für die vom Kläger angeregte Aussetzung des vorliegenden Verfahrens bis zur Entscheidung über seine Wiederzulassung oder eine diesbezügliche Verfahrensverbindung.
IV.
Rz. 32
Die Kostenentscheidung folgt aus § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 13. September 2021 unbedingt "Nichtzulassungsbeschwerde" gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2021 begründet, bevor er mit am 18. Oktober 2021 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 10. Oktober 2021 nachträglich Prozesskostenhilfe dafür beantragt hat.
Rz. 33
Die Streitwertfestsetzung ergeht nach § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Grupp |
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Paul |
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Grüneberg |
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Schmittmann |
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Niggemeyer-Müller |
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Fundstellen
Haufe-Index 15265206 |
DStR 2022, 12 |
ZInsO 2022, 1461 |