Verfahrensgang
LG Dessau (Urteil vom 29.11.2001) |
Tenor
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Dessau vom 29. November 2001 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
2. Die Kosten der Wiedereinsetzung hat der Angeklagte zu tragen.
3. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil in den Aussprüchen über die Gesamtstrafen und die Aufrechterhaltung der Einziehung mit den Feststellungen aufgehoben.
4. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
5. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Köthen vom 17. Januar 2000, Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe und Aufrechterhaltung der Einziehungsanordnung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Ferner hat es ihn wegen Diebstahls unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bernburg vom 4. April 2000 zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt sowie gegen ihn wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
1. Dem Angeklagten ist nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da ihn, wie sein Verteidiger glaubhaft vorgetragen hat, an der Versäumung der Frist kein (Mit-) Verschulden trifft (§ 44 Satz 1 StPO).
2. In der Sache führt das Rechtsmittel des Angeklagten zur Aufhebung der beiden Gesamtstrafenaussprüche. Im übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
a) Die vom Landgericht gebildete (erste) Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil sich das angefochtene Urteil nicht dazu verhält, ob – wie es § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB voraussetzt – zum Zeitpunkt seines Erlasses die im Urteil des Amtsgerichts Köthen vom 17. Januar 2000 erkannte Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten, deren zugrundeliegende Einzelstrafen das Landgericht nach § 55 Abs. 1 StGB einbezogen hat, noch nicht vollstreckt war (zum entsprechenden Darlegungserfordernis vgl. BGH NStE Nr. 10 zu § 55 StGB; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 55 Rdn. 6). Eine revisionsrechtliche Überprüfung ist daher dem Senat insoweit nicht möglich. Zwar enthalten die Urteilsgründe (UA 9) den Hinweis, daß durch Beschluß des Amtsgerichts Köthen vom 7. März 2001 im vorliegenden Verfahren die Untersuchungshaft zur Vollstreckung dieser Gesamtfreiheitsstrafe und der Freiheitsstrafe von ebenfalls acht Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Bernburg vom 4. April 2000 unterbrochen worden ist. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts rechtfertigt dies aber – insbesondere im Hinblick auf die Regelung in § 454 b Abs. 2 StPO – nicht schon den sicheren Schluß, daß damit die Gesamtstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Köthen zum Zeitpunkt des Erlasses des landgerichtlichen Urteils am 29. November 2001 bereits vollständig vollstreckt und damit nicht mehr einbeziehungsfähig war.
b) Auch die (zweite) Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten kann nicht bestehen bleiben.
War die Gesamtstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Köthen vom 17. Januar 2000 zum Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung noch nicht erledigt, so hätte auch die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bernburg vom 4. April 2000 (Tatzeit: Januar 1999) in die erste Gesamtstrafe einbezogen werden müssen, mit der Folge, daß die zweite Gesamtstrafe fehlerhaft wäre und statt ihrer infolge der Zäsurwirkung des Urteils des Amtsgerichts Köthen vom 17. Januar 2000 (vgl. hierzu Tröndle/Fischer aaO § 55 Rdn. 9) aus den Einzelstrafen für die Taten vom 8. März 2000 (Diebstahl, Tat 8 des Urteils) und vom 20. Juli 2000 (Fahren ohne Fahrerlaubnis, Tat 9 des Urteils) eine Gesamtstrafe hätte gebildet werden müssen.
Aber auch unter der Voraussetzung, daß die Gesamtstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Köthen vom 17. Januar 2000 zum Zeitpunkt des Urteilserlasses bereits vollständig verbüßt war, erweist sich die Gesamtstrafenbildung als rechtsfehlerhaft. In diesem Fall hätte, da eine durch Vollstreckung der verhängten Strafe erledigte Vorverurteilung keine Zäsurwirkung mehr zu entfalten vermag (vgl. BGHSt 32, 190, 193; Tröndle/Fischer aaO § 55 Rdn. 13) aus den Einzelstrafen für die Taten 1 bis 7 des Urteils (Tatzeiten: Ende 1997 bis Juli 1998) und aus der Einzelstrafe für die Tat 8 des Urteils (Tatzeit: 8. März 2000) unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bernburg vom 4. April 2000 eine Gesamtstrafe gebildet werden müssen. Die verbleibende Einzelstrafe für die Tat 9 des Urteils (Tatzeit: 20. Juli 2000) würde – wie bisher – als solche bestehen bleiben.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß der Angeklagte durch die fehlerhafte Gesamtstrafenbildung beschwert ist. Die Sache bedarf daher insoweit der erneuten Verhandlung und Entscheidung.
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Kuckein, Solin-Stojanović, Ernemann
Fundstellen