Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 14.12.2018) |
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass sich die Nebenklägerin N… wirksam als Nebenklägerin angeschlossen hat (§ 395 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 StPO).
2. Ihr wird Rechtsanwalt …, als Beistand bestellt (§ 397a Abs. 1 StPO).
3. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 14. Dezember 2018 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen versuchten sexuellen Übergriffs entfällt.
4. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes und versuchten Totschlags in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung und versuchtem sexuellen Übergriff zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe (als Gesamtstrafe) verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Seine hiergegen eingelegte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die tateinheitliche Verurteilung wegen versuchten sexuellen Übergriffs gemäß § 177 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, §§ 22, 23 StGB zum Nachteil der Nebenklägerin … … N. kann nicht bestehen bleiben, weil die Begründung, mit der das Landgericht die Annahme eines Rücktritts abgelehnt hat, Rechtsfehler aufweist.
Rz. 3
a) Nach den Feststellungen versetzte der Angeklagte am 28. Februar 2018 nach 1.00 Uhr der Nebenklägerin in Tötungsabsicht mit einem Hammer mehrere Schläge auf den Kopf. Anschließend fesselte er der wehr- und regungslosen Nebenklägerin die Hände auf den Rücken, knöpfte ihr Schlafanzugoberteil auf und entblößte ihre Brüste. Zudem zog er ihr die Schlafanzughose und die Unterhose aus. Dabei hielt er ein Versterben für möglich. Kurz nach 2.21 Uhr wurde er von der Polizei am Tatort festgenommen. Die Strafkammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte an der Nebenklägerin „sexuelle Handlungen” vornehmen wollte. Bei der Tat handele es sich um einen beendeten Versuch, wobei der Angeklagte durch die eintreffende Polizei an der weiteren Tatausführung gehindert worden sei. Auch habe er nichts unternommen, um den Eintritt des Taterfolgs zu verhindern.
Rz. 4
b) Diese Ausführungen belegen den angenommenen Ausschluss eines Rücktritts vom beendeten Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StGB nicht. Schon die Annahme eines beendeten Versuchs findet in den Urteilsgründen keine Stütze.
Rz. 5
aa) Ein Versuch ist beendet, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung die tatsächlichen Umstände, die einen Erfolgseintritt nahelegen, erkennt oder wenn er den Erfolgseintritt in Verkennung der tatsächlichen Ungeeignetheit der Handlung bereits für möglich hält. Hat er nach seiner Vorstellung noch nicht alles getan, was zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist, liegt nur ein unbeendeter Versuch vor (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2019 – 4 StR 464/18, Rn. 7 f.; Urteil vom 18. Februar 2015 – 2 StR 38/14, NStZ-RR 2015, 138, 139; Urteil vom 12. Juni 2014 – 3 StR 154/14, NStZ 2014, 507 Rn. 13 mwN).
Rz. 6
bb) Danach ist die Annahme eines beendeten Versuchs schon deshalb nicht belegt, weil die Urteilsgründe nicht erkennen lassen, welches Vorstellungsbild der Angeklagte nach dem von der Strafkammer noch nicht als sexuelle Handlung gewerteten Entkleiden (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 8. November 2016 – 5 StR 431/16, Rn. 5; Beschluss vom 13. Februar 1997 – 4 StR 648/96, NStZ-RR 1997, 292 mwN) der Nebenklägerin hatte. Im Übrigen ist die Annahme eines beendeten Versuchs in der vorliegenden Fallkonstellation ausgeschlossen.
Rz. 7
c) Soweit die Strafkammer außerdem darauf abgehoben hat, dass der Angeklagte durch das Eintreffen der Polizei an der weiteren Tatausführung gehindert worden sei, was für die Annahme einer unfreiwilligen Tataufgabe und einen Rücktritt vom unbeendeten Versuch im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. StGB sprechen könnte, fehlt dafür jeder Beleg. Angesichts des Zeitablaufs bis zum Eintreffen der Polizei versteht sich dies auch nicht von selbst.
Rz. 8
2. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab, weil mit Rücksicht auf den Zustand der dauerhaft in einer Pflegeeinrichtung für Schwerstbehinderte befindlichen Nebenklägerin … … N. und das bisherige Aussageverhalten des Angeklagten eine weitere Aufklärung nicht zu erwarten ist. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Die für die Tat zum Nachteil der Nebenklägerin verhängte Einzelstrafe, die Gesamtstrafe und die Annahme der besonderen Schuldschwere können bestehen bleiben. Die Strafkammer hat dem Angeklagten weder bei der Bestimmung der Einzelstrafe für die Tat zum Nachteil der Nebenklägerin noch bei der Annahme der besonderen Schuldschwere angelastet, dass er auch wegen eines versuchten sexuellen Übergriffs verurteilt worden ist. Die Gesamtstrafe wird von der Schuldspruchänderung schon aus den Gründen des § 54 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht berührt.
Unterschriften
Sost-Scheible, Cierniak, Quentin, Feilcke, Bartel
Fundstellen
Haufe-Index 13290110 |
NStZ-RR 2019, 270 |
StV 2020, 472 |