Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 02.03.2020; Aktenzeichen 6330 Js 241422/19 5/03 KLs 20/19 931 Gs) |
Tenor
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 2. März 2020, soweit es sie betrifft, in den Einzelstrafaussprüchen zu Fall II.3. der Urteilsgründe und in den Gesamtstrafaussprüchen mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen verurteilt, den Angeklagten A. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten, den Angeklagten T. zu einer solchen von einem Jahr und neun Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
Rz. 2
Die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen, haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 3
1. Die Bemessung der Einzelstrafen zu Fall II.3. der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 4
a) Wie der Generalbundesanwalt für den Angeklagten T. zutreffend ausgeführt hat, hat die Strafkammer nicht erkennbar in den Blick genommen, dass die zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmittel, die Gegenstand der abgeurteilten Taten waren, sichergestellt wurden. Bei diesem Umstand handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen des damit verbundenen Wegfalls der von Betäubungsmitteln ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit um einen sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung zu beachtenden, bestimmenden Strafzumessungsgrund im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO (vgl. nur Senat, Beschluss vom 5. Februar 2020 – 2 StR 517/19, NStZ-RR 2020, 146, 147 mwN). Im vorliegenden Fall bestand Anlass, diesen Gesichtspunkt ausdrücklich in den Blick zu nehmen.
Rz. 5
b) An demselben Rechtsfehler leidet auch die Einzelstrafbemessung zu Fall II.3. der Urteilsgründe betreffend den Angeklagten A.. Nach den Feststellungen übergab dieser – kurz nach dem Verkauf an T.– in seiner Wohnung rund 10 g Kokain (7,59 g Kokain-Hydrochlorid) und rund 20 g Heroin (2,35 g Heroin-Hydrochlorid) an die Nichtrevidentin. Beide verließen sodann die Wohnung, wobei die Nichtrevidentin die ihr übergebenen Betäubungsmittel und der Angeklagte knapp 55 g Heroin-Gemisch (6,58 g Heroin-Hydrochlorid) mit sich führten, die gewinnbringend verkauft werden sollten. Wenig später wurden beide festgenommen und die Betäubungsmittel ebenso wie die bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung aufgefundenen 1.874 g Heroin-Gemisch (209,99 g Heroin-Hydrochlorid) und 178 g Kokain-Gemisch (137,84 g Kokain-Hydrochlorid) sichergestellt. Bei der Strafzumessung wertet die Strafkammer zu Lasten des Angeklagten, insoweit rechtsfehlerfrei, dass es sich um große Mengen unterschiedlicher und gefährlicher Rauschgifte handelte, bei denen die Grenze zur nicht geringen Menge erheblich überschritten wurde. Den Umstand der Sicherstellung lässt sie indes gänzlich unerwähnt, so dass zu besorgen ist, die Strafkammer habe ihn nicht bedacht, obgleich er ein wesentlicher Strafmilderungsgrund ist, dessen Berücksichtigung sich hier aufdrängen musste (vgl. auch BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 – 4 StR 653/11, NStZ-RR 2012, 153, 154; Senat, Beschluss vom 19. Januar 1990 – 2 StR 588/89).
Rz. 6
2. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafzumessung zu Fall II.3. der Urteilsgründe hinsichtlich beider Angeklagter auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht. Dies muss zur Aufhebung der diesbezüglichen Einzelstrafen, die die Einsatzstrafen bilden, und in der Folge der Gesamtstrafaussprüche führen.
Rz. 7
3. Der Senat hebt – entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts – auch die zugrundeliegenden Feststellungen auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu umfassenden eigenen Feststellungen zu geben. Hierzu weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass auch eine polizeiliche Observation, wie sie ausweislich der Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil stattgefunden hat, bei der Strafzumessung Bedeutung zukommen kann. Hätte eine so engmaschige Überwachung stattgefunden, dass eine tatsächliche Gefährdung durch das Rauschgift ausgeschlossen war, wäre dies neben der (späteren) Sicherstellung des Rauschgiftes ein bestimmender Strafzumessungsgesichtspunkt, der im Rahmen der Strafzumessung zu erörtern wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Juni 2013 – 4 StR 169/13, NStZ 2013, 662; vom 8. Juni 2004 – 5 StR 173/04, NStZ 2004, 694). Anders als in den Fällen II.1. und II.2. der Urteilsgründe, in denen die verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittel nach den Feststellungen im unübersichtlichen Straßenhandel an Konsumenten gelangten und diese erst später aufgegriffen werden konnten, Drogenkonsumenten also bereits gefährdet wurden und augenscheinlich keine „von Anfang an lückenlose polizeiliche Überwachung der Taten” stattfand (hierzu vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010 – 4 StR 98/10, NStZ 2010, 504), wird es im Fall II.3. der Urteilsgründe näherer Erörterung bedürfen, ob und inwieweit eine strafzumessungsrelevante Überwachung des zur Aburteilung gelangten Handeltreibens vorgenommen worden war.
Unterschriften
Franke, Krehl, Eschelbach, RiBGH Zeng ist urlaubsbedingt an der Unterschrift gehindert. Franke, Meyberg
Fundstellen
Haufe-Index 14148051 |
NStZ 2021, 54 |
StV 2021, 30 |
HRRS 2020, 391 |