Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß der 6. Zivilkammer des Landgerichts Landshut vom 3. Mai 2000 wird als unzulässig verworfen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Der weitere Beteiligte zu 1 trägt die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten der übrigen Beteiligten.
Beschwerdewert: 5.000 DM (§ 131 Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 3 Satz 2 KostO).
Gründe
I.
Michael B. ist das leibliche Kind des weiteren Beteiligten zu 1. Am 28. Februar 1997 tötete der weitere Beteiligte zu 1 seine Ehefrau, die Mutter des damals ein Jahr alten Kindes. Deswegen wurde er zu einer elfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die er derzeit in der Justizvollzugsanstalt S. verbüßt. Das Kind lebt seither bei der Schwester seiner Mutter (weitere Beteiligte zu 2) und deren Ehemann (weiterer Beteiligter zu 3). Diesen wurde die Personensorge für das Kind übertragen. Sie wollen das Kind adoptieren und haben daher zu notarieller Urkunde vom 29. September 1998 beantragt, die Annahme als ihr gemeinschaftliches Kind auszusprechen. Der weitere Beteiligte zu 1 erklärte sich hiermit nicht einverstanden. Daraufhin hat das Amtsgericht – Vormundschaftsgericht – Landshut auf Antrag des Kindes, vertreten durch die weiteren Beteiligten zu 2 und zu 3, mit Beschluß vom 29. Januar 1999 die Einwilligung des weiteren Beteiligten zu 1 in die Adoption ersetzt.
Die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 hat das Landgericht Landshut mit Beschluß vom 3. Mai 2000 als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diesen – mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen – Beschluß hat der weitere Beteiligte zu 1 am 31. Mai 2000 zur Niederschrift des Rechtspflegers des Amtsgerichts Straubing sofortige weitere Beschwerde eingelegt.
Das Bayerische Oberste Landesgericht möchte unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung die Zulässigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde bejahen. Es ist der Ansicht, die Beschwerde sei formgerecht im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 FGG eingelegt. Es sieht sich mit Rücksicht auf die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 10. März 1965 – IV ZB 59/65 – FamRZ 1965, 319 und vom 21. Januar 1970 – IV ZB 56/69 – NJW 1970, 804 gehindert, eine sachliche Entscheidung zu treffen. Dort wird ausgesprochen, daß die weitere Beschwerde auch von dem in Haft befindlichen Beschwerdeführer nur bei dem Gericht erster Instanz, bei dem Landgericht und bei dem Gericht der weiteren Beschwerde, nicht aber bei dem Amtsgericht des Haftortes wirksam eingelegt werden kann. Nur wenn sich die weitere Beschwerde gerade gegen die eigene Unterbringung oder sonstige freiheitsentziehende Maßnahme richtet, kann sie danach auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des für den Anstaltsort zuständigen Amtsgerichts erklärt werden.
Das vorlegende Gericht möchte nunmehr § 29 Abs. 1 Satz 1 FGG dahin auslegen, daß ein in Haft befindlicher Beteiligter generell auch zu Protokoll des Amtsgerichts des Haftorts weitere Beschwerde einlegen kann, somit auch, wenn er sich mit diesem Rechtsmittel nicht gegen die Freiheitsentziehung zur Wehr setzen will. Es hat deshalb die Sache gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Vorlage ist zulässig. Das vorlegende Bayerische Oberste Landesgericht beabsichtigt, sachlich über die sofortige weitere Beschwerde zu entscheiden. Das kann es nur, wenn es von den obengenannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs abweicht. Würde es diese Rechtsprechung seiner Entscheidung zugrunde legen, so wäre die sofortige weitere Beschwerde nicht formgerecht eingelegt und damit unzulässig; eine Sachentscheidung könnte nicht erfolgen.
Das vorlegende Gericht hält unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Rechtsentwicklung die beabsichtigte einschränkende Auslegung des § 29 Abs. 1 Satz 1 FGG generell für geboten. Diese Regelung bringe für den Inhaftierten eine wesentliche Erschwerung des Zugangs zur Rechtsbeschwerdeinstanz mit sich. Nach §§ 35, 36 StVollzG bestehe zwar grundsätzlich die Möglichkeit, dem Gefangenen Urlaub oder Ausgang zu gewähren oder ihn ausführen zu lassen, wenn er bei einem nicht für den Haftort zuständigen Amts- oder Landgericht die weitere Beschwerde zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einlegen wolle. Abgesehen davon, daß der Gefangene hierauf keinen Anspruch habe, die Entscheidung über seinen Antrag vielmehr in das Ermessen des Anstaltsleiters gestellt sei, liege schon in diesem Verfahren eine wesentliche Erschwerung des Zugangs zum Rechtsbeschwerdegericht. Die Möglichkeit, einen Dritten mit der Einlegung des Rechtsmittels zu beauftragen, setze andererseits voraus, daß der Inhaftierte eine Person seines Vertrauens finde, die auch zum entsprechenden Tätigwerden bereit sei. Auf sie könne der Gefangene daher ebensowenig verwiesen werden wie auf die Möglichkeit der Einlegung der weiteren Beschwerde durch einen von einem Rechtsanwalt unterschriebenen Schriftsatz. Das Gesetz gebe dem Beschwerdeführer ein Wahlrecht zwischen den beiden Formen der Einlegung. Schon die Verkürzung dieses Wahlrechts stelle eine wesentliche Beschränkung des Zugangs zur Rechtsbeschwerdeinstanz dar. Praktisch stehe dem Inhaftierten das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde nicht in gleicher Weise offen wie einem auf freiem Fuß befindlichen Beschwerdeführer. Die darin liegende Schlechterstellung des Inhaftierten sei nach Auffassung des vorlegenden Senats mit den Zwecken, denen die Regelung des § 29 Abs. 1 Satz 1 FGG diene, nicht zu rechtfertigen. Jedenfalls wögen diese nicht die für einen Inhaftierten damit verbundene wesentliche Erschwerung des Zugangs zum Rechtsbeschwerdegericht auf. Entsprechende Überlegungen fänden in den gesetzlichen Regelungen der § 7 Abs. 4 FEVG, § 69 g Abs. 3, § 70 m Abs. 3 FGG, § 129 a Abs. 1 ZPO und § 299 StPO – in unterschiedlichem Umfang – Ausdruck.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfe der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Diesen Grundsatz habe das Bundesverfassungsgericht zunächst auf die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gestützt (BVerfGE 10, 264, 267 f.; 40, 272, 274 f.; 41, 23, 26). Er sei aber zugleich nach dem Rechtsstaatsprinzip ein allgemeiner Grundsatz jedes rechtsstaatlichen Gerichtsverfahrens (BVerfGE 50, 1, 3; 52, 203, 207; 74, 228, 234; 80, 103, 107; 85, 337, 345). Demnach gelte er für die gesamte ordentliche, also auch für die freiwillige Gerichtsbarkeit.
Unter Beachtung dieser – im wesentlichen nach 1965 entwickelten – Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts möchte das vorlegende Gericht § 29 Abs. 1 FGG im obengenannten Umfang einschränkend auslegen, um den Zugang zur Rechtsbeschwerdeinstanz nicht unverhältnismäßig zu erschweren. Auch durch die rechtliche Entwicklung könne eine bislang eindeutige und vollständige Regelung lückenhaft und ergänzungsbedürftig werden (BVerfGE 82, 6, 12).
III.
Da die Voraussetzungen für eine Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG erfüllt sind, hat der beschließende Senat gemäß § 28 Abs. 3 FGG anstelle des vorlegenden Gerichts über die sofortige weitere Beschwerde zu entscheiden.
1. Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß § 1748 Abs. 1 BGB i.V.m. § 29 Abs. 2, § 53 Abs. 1, § 60 Abs. 1 Nr. 6 FGG statthaft. Der weitere Beteiligte zu 1 ist auch beschwerdeberechtigt (§ 20 Abs. 1 FGG).
2. Das Rechtsmittel ist jedoch unzulässig, weil es nicht formgerecht eingelegt worden ist. Insoweit hält der Senat an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus den im wesentlichen fortgeltenden Gründen des Beschlusses vom 10. März 1965 (aaO) fest. Sie entspricht – soweit ersichtlich – auch der einhelligen Meinung im Schrifttum (vgl. etwa Keidel/Kahl, FGG, 14. Aufl., § 29 Rdn. 11 und 28; Bumiller in: Bumiller/Winkler, FGG, 7. Aufl. § 11 Rdn. 9; § 29 Rdn. 3; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 21 FGG Rdn. 3). Die vom Bayerischen Obersten Landesgericht beabsichtigte Auslegung des § 29 Abs. 1 FGG entgegen dessen eindeutigen Wortlaut ist nach wie vor nicht möglich.
a) Die seit den obengenannten Beschlüssen des Bundesgerichtshofs vom 10. März 1965 und 21. Januar 1970 getroffenen gesetzlichen Regelungen im Rechtsmittelrecht der freiwilligen Gerichtsbarkeit bringen zum Ausdruck, daß der Gesetzgeber die Regelung des § 29 FGG belassen wollte, soweit er in der Folgezeit nicht ausdrücklich hiervon abweichende Bestimmungen geschaffen hat.
aa) Durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge vom 18. Juli 1979 (BGBl. I 1061), das am 1. Januar 1980 in Kraft getreten ist, war unter anderem § 64 h FGG neu eingefügt worden. Nach Absatz 2 dieser Bestimmung konnte der Mündel, der sich in Verwahrung einer Anstalt befindet, die gegen seine Unterbringung gerichtete weitere Beschwerde – in Abweichung von § 29 Abs. 1 Satz 1 FGG – auch bei dem Amtsgericht einlegen, in dessen Bezirk die Anstalt liegt. Damit wollte der Gesetzgeber insoweit das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit an die bisherige Rechtsprechung (BGH, Beschluß vom 21. Januar 1970 aaO) und die übereinstimmende Auffassung in der Literatur zu § 29 FGG auch dem Gesetzeswortlaut nach anpassen (BT-Drucks. 7/2060 S. 47).
Später, mit Betreuungsgesetz vom 12. September 1990 (BGBl. I 2002), das am 1. Januar 1992 in Kraft getreten ist, wurde unter anderem § 64 h Abs. 2 FGG durch die entsprechende Regelung des § 70 m Abs. 3 FGG ersetzt. Gleichzeitig wurde unter anderem § 69 g FGG eingefügt. Dem untergebrachten Betroffenen wird in Absatz 3 dieser Vorschrift die Möglichkeit eröffnet, die weitere Beschwerde auch bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk er untergebracht ist, einzulegen. Damit wird dem untergebrachten Betroffenen als weitere Ausnahme zu § 29 Abs. 1 FGG ermöglicht, die weitere Beschwerde auch dann zu Protokoll der Geschäftsstelle des für den Unterbringungsort zuständigen Amtsgerichts einzulegen, wenn er sich mit ihr gerade nicht gegen seine Unterbringung, sondern gegen eine sonstige der in § 69 g Abs. 1 FGG genannten Maßnahme zur Wehr setzen will. Dies geschah im Interesse einer erleichterten Rechtsverfolgung für den untergebrachten Betroffenen (BT-Drucks. 11/4528 S. 179).
Der bereits zuvor im Jahre 1977 von der Kommission für das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorgelegte Entwurf einer Verfahrensordnung für die freiwillige Gerichtsbarkeit (FrGO) wurde vom Gesetzgeber nicht übernommen (abgedruckt mit Begründung in: Bericht der Kommission für das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit einschließlich des Beurkundungsrechts, herausgegeben vom Bundesministerium der Justiz im Dezember 1977). Der Kommissionsentwurf sah in § 59 Abs. 2 FrGO für untergebrachte und andere Personen, denen die Freiheit entzogen ist, vor, daß diese die Beschwerde fristwahrend auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Amtsgerichts einlegen konnten, in dessen Bezirk die Anstalt liegt. Zur Begründung dieser vorgesehenen Sonderregelungen für Beschwerdeführer, denen die Freiheit entzogen wurde, heißt es: „Diese sind in der Möglichkeit, rechtzeitig innerhalb der Frist die Beschwerde bei dem zuständigen Gericht einzulegen, beschränkt. Sie sollen deshalb die Beschwerde auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten des Amtsgerichts einlegen können, in dessen Bezirk die Anstalt liegt.” (Bericht der Kommission aaO S. 133). Der den § 29 FGG ersetzende § 69 FrGO eröffnete die Möglichkeit der Einlegung der weiteren Beschwerde zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nur noch dem nicht in Freiheit befindlichen Betroffenen. Vorgesehen war wiederum, daß diese Personen die Rechtsbeschwerde auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des für den Anstaltsort zuständigen Amtsgerichts einlegen können.
bb) Der Gesetzgeber geht demnach in Übereinstimmung mit der in Rechtsprechung und Literatur bislang vertretenen Meinung davon aus, daß gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 FGG die weitere Beschwerde auch von Personen, denen die Freiheit entzogen ist, nur bei dem Gericht erster Instanz, der Beschwerdeinstanz und bei dem Gericht der weiteren Beschwerde, nicht aber bei dem Amtsgericht des Anstaltsortes wirksam eingelegt werden kann, es sei denn, die weitere Beschwerde ist gerade gegen die eigene Freiheitsentziehung gerichtet. Er hat die durch die Freiheitsentziehung bedingte Erschwernis, fristgerecht Beschwerde einzulegen, zum Anlaß genommen, lediglich in ausgewählten Sonderbestimmungen das Formerfordernis des § 29 Abs. 1 Satz 1 FGG zu lockern. Von einer entsprechenden Änderung des § 29 FGG selbst, wie etwa in § 69 FrGO (aaO) vorgesehen, hat er bislang Abstand genommen. Eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes als Voraussetzung für eine analoge Anwendung anderer Bestimmungen liegt daher nicht vor. Ebensowenig ist § 29 Abs. 1 Satz 1 FGG durch die rechtliche Entwicklung inzwischen lückenhaft und ergänzungsbedürftig geworden. Vielmehr reicht die Einführung abweichender Spezialnormen und der damit manifestierte Wille des Gesetzgebers, die Regelung des § 29 FGG im übrigen zu belassen, bis in die jüngere Vergangenheit.
b) Durch das am 1. Januar 1977 in Kraft getretene Strafvollzugsgesetz (vom 16. März 1976, BGBl. I S. 581) hat der Gesetzgeber mittlerweile die Situation des in Haft befindlichen Beschwerdeführers entscheidend verbessert. Entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts hat der Strafgefangene regelmäßig einen Anspruch darauf, von der in § 29 Abs. 1 und Abs. 4 i.V.m. § 21 Abs. 2 FGG vorgesehenen Möglichkeit, die weitere Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle eines der zuständigen Gerichte zu erklären, selbst Gebrauch zu machen. Die Regelung des § 36 StVollzG, die bereits im Vorfeld gerichtlicher Termine Anwendung findet (AK-StVollzG-Feest/Lesting, 4. Aufl., § 36 Rdn. 13), soll gewährleisten, daß der Gefangene in seinem Interesse, seine Rechte selbst vor Gericht wahrzunehmen, soweit als möglich einem freien Bürger gleichgestellt ist (BT-Drucks. 7/918 S. 63). Dementsprechend ist dem Gefangenen in Fällen wie hier die Rechtsmitteleinlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts grundsätzlich zu ermöglichen (AK-StVollzG-Feest/Lesting aaO; Kühling/Ullenbruch in: Schwind/Böhm, StVollzG, 3. Aufl., § 36 Rdn. 3; Callies/Müller-Dietz, Komm. StVollzG, 8. Aufl., § 36 Rdn. 3, 6; vgl. auch BSG, Urteil vom 21. Juni 1983 – 4 RJ 3/83 – VdKMit 1983, 12, 46 f.).
Lediglich in den ganz seltenen Fällen der Entweichungs- oder Mißbrauchsgefahr, die auch nicht durch vertretbare Bewachungsmaßnahmen, notfalls durch Fesselung abgewendet werden kann (BT-Drucks. 7/918 aaO), kann der Anstaltsleiter die Ausführung des Gefangenen ablehnen (AK-StVollzG-Feest/Lesting aaO, Rdn. 9). Insoweit besteht die Notwendigkeit, daß der (auswärtige) Rechtspfleger eines der zuständigen Gerichte das Protokoll in der Justizvollzugsanstalt aufnimmt.
c) Auch von Verfassungs wegen ist eine Auslegung des § 29 Abs. 1 Satz 1 FGG dahin, daß ein in Haft befindlicher Beteiligter generell auch zu Protokoll des Amtsgerichts des Haftorts weitere Beschwerde einlegen kann, nicht geboten.
Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip gewährleistet – ebenso wie Art. 19 Abs. 4 GG – jedem die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle. Dabei kann der Gesetzgeber freilich Regelungen treffen, die für ein Rechtsschutzbegehren besondere formelle Voraussetzungen aufstellen und sich dadurch für den Rechtsuchenden einschränkend auswirken (BVerfGE 88, 118, 123 f.). Die Beschreitung des Instanzenzuges – soweit die jeweilige Prozeßordnung ihn überhaupt vorsieht – darf aber nicht in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden. Das Rechtsmittelgericht darf ein gegebenes Rechtsmittel nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer „leerlaufen” lassen (BVerfGE 96, 27, 39). Nach diesen Grundsätzen folgt aus der Verfassung keine allgemeine Pflicht, die jeweiligen Rechtsmittelbestimmungen über deren Wortlaut hinaus so auszulegen, daß die dort normierten formellen Voraussetzungen im Falle der Strafhaft stets ohne die mit der Haft verbundenen Erschwernisse erfüllt werden können. Ebensowenig garantiert die Verfassung, daß das in § 29 Abs. 1 FGG gewährte Wahlrecht zwischen der Beschwerdeeinlegung durch einen Rechtsanwalt und der Einlegung durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts in allen Lebenslagen gleichermaßen offensteht.
d) Der Senat verkennt nicht, daß die insoweit mit § 29 Abs. 1 Satz 1 FGG verfolgten verfahrens- und beteiligtenbezogenen Zwecke (BGH NJW 1965, 1182 f. aaO) nicht in jedem Fall erreicht werden. Auch mag es in verschiedenen Fallgestaltungen sinnvoll sein, wenn die Einlegung der weiteren Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle auch des örtlichen Amtsgerichts eingelegt werden könnte. Der Gesetzgeber hat sich aber in Kenntnis der Problematik bislang nicht zu einer generellen Änderung des § 29 Abs. 1 bzw. 21 Abs. 2 FGG in diesem Sinne entschlossen. Er hat vielmehr in Ausübung seiner Gestaltungsfreiheit lediglich für bestimmte Verfahren insoweit Erleichterungen für die Betroffenen geschaffen. Hat der Gesetzgeber aber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern (BVerfGE 82, 6, 11 f.). Es muß dem Gesetzgeber überlassen bleiben, ob und in welchem Ausmaß er die formellen Voraussetzungen für die Einlegung der weiteren Beschwerde gemäß § 29 FGG ändern will.
IV.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 131 Abs. 3 KostO, § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.
Unterschriften
Blumenröhr, Bundesrichterin Dr. Hahne ist im Urlaub und verhindert zu unterschreiben. Blumenröhr, Sprick, Fuchs, Ahlt
Fundstellen
Haufe-Index 651599 |
BGHR 2002, 130 |
FamRZ 2002, 1328 |
FGPrax 2002, 20 |
FPR 2002, 328 |