Verfahrensgang

OLG Hamburg (Urteil vom 21.12.1994; Aktenzeichen 4 U 148/86)

 

Tenor

Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 4. Zivilsenat, vom 21. Dezember 1994 – 4 U 148/86 – wird nicht angenommen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Streitwert: 476.318,55 DM.

 

Gründe

I.

Die Klägerinnen sind Eigentümer und Verpächter, der beklagte Verein ist der Zwischenpächter zweier kleingärtnerisch genutzter Grundstücke in H., die der Beklagte seinerseits an den Kleingartenverein T. e.V.

1. Das Berufungsgericht führt aus: Soweit die Klägerinnen weitere Pachtzinsen für die Zeit ab 1. April 1983 – dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundeskleingartengesetzes (§ 22 BKleingG) – fordern, müsse die Klage deshalb erfolglos bleiben, weil der Beklagte bereits seit 1981 den nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Bundeskleingartengesetzes vom 8. April 1994 (BGBl. I S. 766) zulässigen Höchstpachtzins entrichte. Der in Hamburg ortsübliche durchschnittliche Pachtzins im erwerbsmäßigen Obst- und Gemüseanbau liege nach den von dem Beklagten eingereichten Gutachten, deren Richtigkeit die Klägerinnen nicht bestritten hätten, bei 0,05 DM/m²; der von dem Beklagten gezahlte Pachtzins entspreche somit dem Vierfachen dieses Betrags. Für das an den Kleingartenverein Broockkamp e.V. unterverpachtete Gelände könnten die Klägerinnen auch für die Zeit vom 1. Januar 1981 bis 31. März 1983 keine weiteren Pachtzinsen verlangen, ohne daß es auf die Verfassungsmäßigkeit der damals einschlägigen Hamburgischen Verordnung über Pachtpreise für Kleingärten vom 28. März 1961 (Hamb. GVBl. S. 115), geändert durch Verordnung vom 18. Februar 1969 (Hamb. GVBl. S. 22), ankäme. Denn selbst bei unterstellter Verfassungswidrigkeit könnten die Klägerinnen unter keinem Aspekt – und zwar auch nicht im Wege einer Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage – einen höheren Pachtzins verlangen. Insoweit biete nämlich die Pachtzinsbegrenzung des § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG eine Orientierungshilfe, die es verbiete, für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Bundeskleingartengesetzes einen höheren Pachtzins zu fordern als für die Zeit danach. Auch unter Zugrundelegung der in § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG neu festgelegten Obergrenze hätte der Beklagte den höchstzulässigen Pachtzins entrichtet.

Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

2. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe das von dem Beklagten vorgelegte (zweite) Gutachten des Gutachterausschusses vom 15. Juni 1994 wegen dessen verfahrens- und materiell-rechtlicher Mängel nicht verwerten dürfen, geht fehl.

Die Feststellung des Berufungsgerichts, der ortsübliche durchschnittliche Pachtzins im erwerbsmäßigen Obst- und Gemüseanbau betrage 0,05 DM/m², beruht, wie die Revisionserwiderung zutreffend geltend macht, nicht auf einer Verwertung dieses Gutachtens – mit dem sich das Berufungsgericht inhaltlich auch gar nicht auseinandergesetzt hat –, sondern auf dem Sachvortrag der Parteien:

Hinsichtlich des ortsüblichen Pachtzinses sind die Klägerinnen dem Beklagtenvorbringen trotz des ausdrücklichen Hinweises des Berufungsgerichts in der Ladung zur mündlichen Verhandlung, daß die Angaben des Beklagten zu den ortsüblichen Pachtzinsen unstreitig sein dürften, nicht entgegengetreten. Aufgrund dessen durfte das Berufungsgericht Verfahrensfehlerfrei die Richtigkeit des – durch die (nachträgliche) Vorlage eines weiteren Gutachtens untermauerten – Beklagtenvorbringens für unstreitig erachten. Es ist demzufolge für die Entscheidung des Rechtsstreits auch ohne Belang, daß sich ausgehend von dem Gutachten des Gutachterausschusses der ortsübliche Pachtzins für den erwerbsmäßigen Obst- und Gemüseanbau in Hamburg auf einem so niedrigen Niveau bewegte, daß der hieraus resultierende höchstzulässige monatliche Pachtzins für einen 400 m² großen Kleingarten nicht, wie für großstädtische Verhältnisse eigentlich zu erwarten wäre, deutlich über, sondern unter dem Bundesdurchschnitt von 11,50 DM – nämlich bei lediglich 6,67 DM – liegen würde (vgl. BT-Drucks. 12/6154 S. 8), während er bei zutreffender Anwendung des § 5 Abs. 1 BKleingG möglicherweise höher anzusetzen ist.

3. In der Sache selbst steht außer Frage, daß das Begehren der Klägerinnen auf Zahlung eines das Vierfache des ortsüblichen Pachtzinses im erwerbsmäßigen Obst- und Gemüseanbau überschreitenden Pachtzinses nicht mit § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG n.F. zu vereinbaren ist. Dies gilt auch, soweit es um die Zuerkennung eines höheren Pachtzinses für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Bundeskleingartengesetzes geht: § 5 BKleingG ist auch insoweit „Orientierungshilfe” für einen möglichen Erhöhungsanspruch und entfaltet daher eine gewisse Vorwirkung (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1991 – V ZR 117/90 – NJW-RR 1992, 142 und Senatsbeschluß vom 29. Juni 1995 – III ZR 99/94 – zur Veröffentlichung in BGHR vorgesehen). Dies alles wird von der Revision nicht verkannt. Sie ist aber der Auffassung, daß auch die im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Unvereinbarkeit des § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG a.F. mit Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (BVerfGE 87, 114) vorgenommenen Änderungen des § 5 BKleingG den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an eine verfassungsgemäße Begrenzung des zulässigen Pachtzinses nicht genügen und deshalb ihrerseits verfassungswidrig sind. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

a) Der mit Erlaß des Bundeskleingartengesetzes verfolgte gesetzgeberische Zweck, durch Einschränkungen der Vertragsfreiheit hinsichtlich der Festlegung der Vertragsdauer (§ 6 BKleingG), der Kündigungsmöglichkeiten des Verpächters (§§ 810 BKleingG) und des Pachtzinses (§ 5 BKleingG) die sozial schwächeren Bevölkerungsschichten vor einer Verdrängung aus der Kleingartenpacht zu schützen, ist als solcher von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (BVerfGE 87, 114, 150 f; vgl. auch Senatsbeschluß vom 29. Juni 1995 a.a.O.). Das Bundesverfassungsgericht hat demzufolge auch davon abgesehen. § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG a.F. für nichtig zu erklären, sondern lediglich die Unvereinbarkeit dieser Bestimmung mit Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG festgestellt.

b) Daß der Gesetzgeber als Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des Höchstpachtzinses für Kleingärten pauschal den Bodenpachtmarkt für den erwerbsmäßigen Obst- und Gemüseanbau gewählt hat (vgl. hierzu Mainczyk. ZfBR 1993, 151, 154), ist vom Bundesverfassungsgericht ebenfalls nicht beanstandet worden. Es hat lediglich den in § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG a.F. enthaltenen Multiplikator (den doppelten Betrag) für zu niedrig erachtet, da dieser, bezogen auf den Bundesdurchschnitt, für einen 400 m² großen Kleingarten lediglich einen monatlichen Höchstpachtzins von 4,67 DM (auf der Grundlage des Agrarberichts 1982) ergebe und damit die Nutzungsbefugnis des Eigentümers allzusehr einschränke (BVerfGE 87, 114, 148). Der Änderungsgesetzgeber, der sich unter eingehender Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auseinandergesetzt hat (vgl. BT-Drucks. 12/6154 S. 6 f), hat aber dieser Entscheidung nicht nur durch eine Verdoppelung des Multiplikators (der vierfache Betrag) Rechnung getragen – was gewährleistet, daß künftig für einen Kleingarten von 400 m² Größe eine Pachtzinseinnahme von durchschnittlich 11,50 DM monatlich (auf der Grundlage des Agrarberichts 1991) erzielt werden kann (vgl. BT-Drucks. a.a.O. S. 8) und damit bei der zulässigen generalisierenden Betrachtungsweise dem Verpächter ein hinreichender Grundstücksertrag ermöglicht wird –, sondern darüber hinaus die Möglichkeit einer Kostenüberwälzung für öffentlich-rechtliche Lasten, die auf dem Kleingartengrundstück ruhen, auf den Pächter geschaffen (§ 5 Abs. 5 BKleingG n.F.). Er hat damit ein weiteres gewichtiges Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der früheren Bestimmung ausgeräumt (vgl. BVerfG a.a.O. S. 150).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände vermag der Senat nicht die für eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG notwendige Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG n.P. zu gewinnen (bloße Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Norm genügen nicht, vgl. nur BVerfGE 86, 52, 57 und 80, 54, 59 m.w.N.).

 

Unterschriften

Rinne, Engelhardt, Werp, Streck, Schlick

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1530756

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