Leitsatz (amtlich)
a) Bei Erinnerungen gegen den Kostenansatz in Rechtsmittelverfahren, die vor Inkrafttreten des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes am 1.8.2013 beim BGH eingeleitet worden sind, liegt die funktionelle Entscheidungszuständigkeit weiterhin beim Senat.
b) Schließt sich der Berufungsbeklagte der Berufung an, wird er regelmäßig neben dem Berufungskläger zum weiteren Antragsschuldner i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Normenkette
GKG § 22 Abs. 1 S. 1, § 66 Abs. 6 S. 2, § 71 Abs. 1
Verfahrensgang
BPatG (Urteil vom 02.03.2011; Aktenzeichen 5 Ni 106/09 (EU)) |
Tenor
Die Erinnerung der Beklagten gegen den Ansatz der Gerichtskosten vom 2.4.2015 (Kostenrechnung mit dem Kassenzeichen 780015113150) wird zurückgewiesen.
Gründe
Rz. 1
I. Das PatG hat das Streitpatent durch Urteil vom 2.3.2011 unter Abweisung der weitergehenden Klagen teilweise für nichtig erklärt. Dagegen haben die Klägerinnen zu 1) bis 4) Berufung mit dem Ziel eingelegt, das Urteil abzuändern und das Streitpatent insgesamt für nichtig zu erklären. Im Verlaufe des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 1) die Klage und die Klägerin zu 4) die Berufung zurückgenommen. Im Wege der Anschlussberufung hat die Beklagte zunächst die vollständige Abweisung der Klagen erstrebt, das Streitpatent zuletzt aber nur noch mit einer gegenüber der vom PatG für rechtsbeständig erachteten weiter beschränkten Fassung verteidigt.
Rz. 2
Mit Urteil vom 26.2.2015 hat der BGH dem Streitpatent die von der Beklagten zuletzt verteidigte Fassung gegeben. Hinsichtlich der Kosten der Berufungsinstanz hat der BGH entschieden, dass davon die Beklagten 1/3 und die Klägerinnen zu 2) und 3) je 1/12 tragen. Mit Kostenansatz vom 2.4.2015 hat der Kostenbeamte die nicht verteilten hälftigen Gerichtskosten derart verteilt, dass von den gesamten Gerichtskosten die Klägerinnen zu 1) und 4) jeweils 3/48, die Klägerinnen zu 2) und 3) jeweils 7/48 und die Beklagte 28/48 zu tragen haben. Gegen die Verteilung der nicht durch die Kostengrundentscheidung im Urteil vom 26.2.2015 verteilten hälftigen Gerichtskosten richtet sich die Erinnerung der Beklagten, der nicht abgeholfen worden ist.
Rz. 3
II. Für die Entscheidung über die Erinnerung ist der Senat funktionell zuständig, § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG.
Rz. 4
Der BGH hat zwar seine Rechtsprechung, wonach die funktionelle Zuständigkeit für Entscheidungen über die Erinnerung gegen den Kostenansatz in Rechtsmittelverfahren, die vor dem BGH geführt werden, beim Senat und nicht beim Einzelrichter liegt (BGH, Beschl. v. 13.1.2005 - V ZR 218/04, NJW-RR 2005, 584; Beschl. v. 12.3.2007 - II ZR 19/05, NJW-RR 2007, 1148; Beschl. v. 23.5.2007 - 1 StR 555/06, juris; Beschl. v. 20.9.2009 - IX ZB 35/07, JurBüro 2008, 43; Beschl. v. 17.8.2010 - I ZB 7/10, juris Rz. 2), für Rechtsmittelverfahren, die nach Inkrafttreten des 2. Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23.7.2013 (Art. 50 2. KostRMoG) am 1.8.2013 eingeleitet worden sind, im Hinblick auf die Neuregelung von § 1 Abs. 5 GKG und die darauf bezogene Gesetzesbegründung aufgegeben (vgl. im Einzelnen und mit weiteren Nachweisen: BGH, Beschl. v. 23.4.2015 - I ZB 73/14, NJW 2015, 2194 Rz. 5 ff.). Das betrifft jedoch nicht Erinnerungen gegen den Kostenansatz in Rechtsmittelverfahren, die - wie die Berufung der Klägerinnen im vorliegenden Fall - vor Inkrafttreten des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes beim BGH eingeleitet worden sind (§ 71 Abs. 1 GKG). Für diese gilt vielmehr weiterhin, dass die funktionelle Entscheidungszuständigkeit beim Senat liegt.
Rz. 5
III. Die zulässige Erinnerung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
Rz. 6
1. Neben den Klägerinnen zu 1) bis 4) unterliegt auch die Beklagte der Antragstellerhaftung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Rz. 7
Kostenschuldner ist in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten derjenige, der das Verfahren des Rechtszugs beantragt hat (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GKG). Im vorliegenden Fall sind dies zunächst die Klägerinnen zu 1) bis 4) als Berufungsklägerinnen. Als Kostenschuldnerin ist aber auch die Beklagte anzusehen, nachdem diese Anschlussberufung gegen das Urteil des PatG eingelegt hat. Denn die Anschlussberufung hatte zur Folge, dass neben dem mit der Berufung angegriffenen Teil des patentgerichtlichen Urteils, mit dem die Klagen der Klägerinnen zu 1) bis 4) teilweise abgewiesen worden sind, nunmehr auch der Teil des patentgerichtlichen Urteils zur Überprüfung im Berufungsverfahren gestellt worden ist, in dem das Streitpatent zu Lasten der Beklagten für nichtig erklärt worden war. Unter diesen Voraussetzungen ist die Kostenschuld der Beklagten gerechtfertigt, weil sie - als Anschlussberufungsklägerin - die Tätigkeit des BGH als Berufungsgericht im Patentnichtigkeitsverfahren über die Verteidigung gegen die Berufung der Klägerinnen zu 1) bis 4) hinaus für einen Angriff gegen das Urteil des PatG in Anspruch genommen hat. Dass die Durchführung der Anschlussberufung als unselbständiges Rechtsmittel nach § 524 Abs. 4 ZPO davon abhängt, dass die Berufung nicht zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird, ändert daran nichts, weil § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG allein darauf abstellt, ob ein Verfahren beantragt wurde (vgl. auch BGH, Beschl. v. 5.11.1969 - IV ZR 1069/68, NJW 1970, 245; Meyer, Gerichtskostengesetz/Familiengerichtskostengesetz, 14. Aufl. 2013, § 22 GKG, Rz. 10, 17; anderer Ansicht für den Fall der Klagerücknahme: Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, § 22 GKG, Rz. 6, vgl. aber auch Rz. 13).
Rz. 8
2. Die Verteilung der nicht durch die Kostengrundentscheidung des Senats im Urteil vom 26.2.2015 verteilten Hälfte der Gerichtskosten auf die Klägerinnen zu 1) bis 4) und die Beklagte als Kostenschuldner durch den Kostenbeamten ist nicht zu beanstanden.
Rz. 9
a) Der Kostenbeamte hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Gesamtkosten unter Berücksichtigung des Verfahrensausgangs auf alle Verfahrensbeteiligten verteilt werden müssten. Die Klägerinnen zu 1) und 4) trügen vom hälftigen Rest 1/4 = 1/8 und damit jede dieser Klägerinnen 1/16 = 3/48. Danach seien auf die Beklagte und die Klägerinnen noch 3/8 zu verteilen. Um die stärkere Belastung der Beklagten durch die Kostengrundentscheidung im Verhältnis zu den Klägerinnen zu 2) und 3) fortzusetzen, trage die Beklagte 2/3 von den 3/8 = 12/48 und die Klägerinnen zu 2) und 3) trügen das restliche Drittel von 3/8 = 3/24, mithin jede der Klägerinnen zu 2) und 3) 3/48. Für die Schlusskostenrechnung (einschließlich der Hälfte der Kosten, über deren Verteilung in der Kostengrundentscheidung entschieden wurde) seien daher folgende Bruchteile zugrunde zu legen: Klägerinnen zu 1) und 4) jeweils 3/48, Klägerinnen zu 2) und 3) jeweils 7/48 und Beklagte 28/48.
Rz. 10
b) Dieser Ansatz beruht auf einer fehlerfreien Ausübung des dem Kostenbeamten nach § 8 Abs. 4 KostVfg bei der Kostenverteilung eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens. § 8 Abs. 4 KostVfg, der als Verwaltungsvorschrift die Staatskasse in ihrem Ermessen bei der Auswahl des Schuldners bindet (BVerwG, Beschl. v. 24.4.2011 - 8 KSt 1/11 (8 B 83/10), juris Rz. 4), sieht neben der Möglichkeit, die Kosten von nur einem Kostenschuldner oder von mehreren nach Kopfteilen anzufordern, in Nr. 1 insb. auch vor, dass bei der Kostenverteilung die endgültige Verpflichtung zur Kostentragung im Verhältnis zwischen den Kostenschuldnern berücksichtigt werden kann. Danach ist es nicht zu beanstanden und keineswegs willkürlich, dass der Kostenbeamte bei der Verteilung der noch offenen Hälfte der Gerichtkosten zunächst einerseits berücksichtigt hat, dass die Klägerinnen zu 1) und 4) aufgrund Klage- bzw. Berufungsrücknahme an der Kostentragungslast zu beteiligen sind, obwohl insoweit kein Kostenantrag gestellt worden ist (§§ 269 Abs. 3 Satz 2, 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO), andererseits sich ihre Kostentragungslast aber entsprechend verringert hätte, wenn ihre Klagen nicht mit denjenigen der Klägerinnen zu 2) und 3) verbunden worden wären (Kostenverzeichnis Nr. 1252, Anlage 1 zum GKG). Zudem begegnet es keinen Bedenken, dass der danach verbliebene Teil der offenen Hälfte der Gerichtskosten zwischen der Beklagten und den Klägerinnen zu 2) und 3) in dem Verhältnis verteilt worden ist, in dem bereits die Hälfte der Kosten in der Kostengrundentscheidung im Urteil vom 26.2.2015 verteilt worden ist.
Fundstellen