Leitsatz (amtlich)
Ein spezieller Teilmarkt für Grundstücke über bergfreien Kiesvorkommen ist bei der Ermittlung des Verkehrswerts eines im Wege der Grundabtretung übertragenen land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücks nicht anzuerkennen.
Normenkette
BBergG § 85; BauGB § 194
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 28. Dezember 2001 – 2 U 126/97 – wird nicht angenommen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Streitwert: 48.035,87 EUR
Tatbestand
I.
Die Klägerin (Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) war Eigentümerin mehrerer nördlich von Berlin in N. (Land Brandenburg) gelegener, forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke, die zur Herstellung von Betonzuschlagstoffen geeignete Kies- und Kiessandvorkommen enthalten. Mit Vertrag vom 25. August 1992 übertrug ihre Rechtsvorgängerin, die Treuhandanstalt, das ihr verliehene Bergwerkseigentum zum Preis von 2,48 Mio. DM auf die Beklagte. Im Jahre 1996 leitete die Beklagte das Grundabtretungsverfahren nach dem Bundesberggesetz ein. Am 15. Mai 1996 schlossen die Parteien vor dem Oberbergamt des Landes Brandenburg einen Vergleich, in dessen Ausführung das Oberbergamt der Beklagten unter dem 22. Oktober 1996 das Eigentum an den Grundstücken übertrug. Die der Klägerin zu zahlende Entschädigung setzte das Oberbergamt auf insgesamt 68.444,50 DM fest, wobei es den Waldbestand mit 54.440 DM und den Grund und Boden mit 14.004,50 DM (0,25 DM/m²) bewertete.
Mit der Behauptung, der Bodenwert belaufe sich auf 117.450 DM, hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung weiterer 103.445,50 DM in Anspruch genommen. Sie hat sich auf einen Teilmarkt für Flächen über bergfreien Bodenschätzen in den neuen Bundesländern berufen, bei dem erheblich höhere Preise als für gewöhnliche land- und forstwirtschaftliche Grundstücke gezahlt würden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht (OLG Brandenburg OLG-Report 2002, 75) hat der Klägerin, sachverständig beraten, eine weitere Entschädigungssumme von 9.495,50 DM zugebilligt. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
II.
Auf das Revisionsverfahren finden nach § 26 Nr. 7 EGZPO noch die bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Vorschriften der Zivilprozeßordnung Anwendung. Die Voraussetzungen für eine Annahme der Revision gemäß § 554b ZPO a.F. liegen im Streitfall nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch hat im Ergebnis die Revision Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 54, 277, 293).
1. An einer grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache fehlt es zumindest deswegen, weil sie auslaufendes Recht betrifft. Nach Maßgabe der Anl. I Kap. V Sachgeb. D Abschn. III Nr. 1 Buchst. a zum Einigungsvertrag galten im Beitrittsgebiet ursprünglich alle mineralischen Rohstoffe im Sinne des § 3 DDR-BergG als bergfreie Bodenschätze im Sinne des § 3 Abs. 3 BBergG. Abweichend von § 3 BBergG waren demnach als Betonzuschlagstoffe nutzbare Kiesvorkommen dem Grundeigentum entzogen. Diese Sonderregelung wurde indes bereits durch das Gesetz zur Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei Bodenschätzen vom 15. April 1996 (BGBl. I S. 602) aufgehoben. Nunmehr gilt auch im Beitrittsgebiet unmittelbar § 3 Abs. 3 BBergG; unberührt bleiben lediglich bestehende Bergbauberechtigungen auf nicht in § 3 Abs. 3 BBergG aufgeführte Bodenschätze oder fristgemäß angemeldete Gewinnungs- und Speicherrechte.
2. Zutreffend hat das Berufungsgericht die der Klägerin für den Verlust ihrer Grundstücke ohne Aufwuchs zu zahlende Entschädigung ohne eine Berücksichtigung des von der Klägerin behaupteten Teilmarkts für Grundflächen über bergfreien Kiesvorkommen allein nach dem Wert land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke festgesetzt.
a) Die Entschädigung für den durch die Grundabtretung eingetretenen Rechtsverlust bemißt sich gemäß § 85 Abs. 1 und 2 BBergG – ebenso wie für die Enteignungsentschädigung in den §§ 95, 194 BauGB – nach dem Verkehrswert des Gegenstandes, hier der auf die Beklagte übertragenen Grundstücke. Der Verkehrswert wird durch den Preis bestimmt, der im Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und Lage des Gegenstandes ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Bei dem hier gewählten Vergleichswertverfahren sind die Kaufpreise solcher Grundstücke heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen (§§ 85 Abs. 3 BBergG, 13 Abs. 1 WertV). Das gilt allerdings nur für Kaufpreise, bei denen anzunehmen ist, daß sie nicht durch ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse beeinflußt worden sind (vgl. § 6 WertV).
b) Vergleichbar in diesem Sinne sind nach den aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts im Streitfall lediglich allgemein die land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücke im Umkreis des Abbaugeländes. Zugunsten der Klägerin kann unterstellt werden, daß auch dort zu dem vom Berufungsgericht angenommenen Bewertungsstichtag vom 15. Mai 1996 (Tag des Vergleichsschlusses) für Bodenflächen über insofern weiterhin als bergfrei geltenden Kiesvorkommen (§ 2 Abs. 2 des Gesetzes vom 15. April 1996) tatsächlich wesentlich höhere Kaufpreise als für sonstige land- und forstwirtschaftliche Grundstücke erzielt worden sind. Ein die Bemessung der Entschädigung bestimmender spezieller „Teilmarkt” für derartige Grundstücke ist gleichwohl nicht anzuerkennen (ebenso Aust in Aust/Jacobs/Pasternak, Die Enteignungsentschädigung, 5. Aufl. 2002, Rn. 497 ff., 705 f.; Gutbrod/Töpfer, Praxis des Bergrechts, 1996, Rn. 207 f.; anders LG Potsdam GuG aktuell 1997, 38 f.; Kleiber in Kleiber/Simon/Weyers, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 4. Aufl. 2002, § 194 BauGB Rn. 33 ff., § 4 WertV Rn. 342 ff.). Die Mitberücksichtigung eines Kiesabbaurechts würde in die Ermittlung von Grundstücksqualität und -wert ein Element einbeziehen, das außerhalb der als Eigentum geschützten Rechtsposition liegt. Eine Nutzung der – bergfreien – Bodenschätze war den Grundstückseigentümern verschlossen, und selbst die Erwartung einer Rechtsänderung zu ihren Gunsten mußte in der vorliegenden Fallgestaltung spätestens mit dem Inkrafttreten des Vereinheitlichungsgesetzes am 23. April 1996 an der bereits anderweitig verliehenen und gesetzlich aufrechterhaltenen Bergbauberechtigung scheitern. Es drängt sich deswegen nicht nur für Einzelfälle, worauf das Berufungsgericht hinweist, sondern allgemein auf, daß ein erhöhter Kaufpreis für Kiesgrundstücke mit bestehender Bergbauberechtigung nur wegen des Interesses der jeweils Berechtigten an einem schnellen und reibungslosen Eigentumserwerb gezahlt worden ist. Zusätzlicher Belege hierfür, wie sie der Senat bei anderer Sachlage in dem von der Revision angeführten Urteil vom 15. November 1979 (III ZR 78/78, NJW 1980, 1633, 1634, in BGHZ 76, 274 insoweit nicht abgedruckt) verlangt hat, bedarf es hier angesichts der feststehenden objektiven Gegebenheiten nicht. Solche ungewöhnlichen und persönlichen besonderen Umstände sind jedoch bei der Ermittlung des Verkehrswerts nicht zu berücksichtigen. Aus denselben Gründen ist auch für einen maßgeblichen „Quasi-Verkehrswert” (dazu Dieterich in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB Stand August 1988, § 194 Rn. 151), den die Revision ferner geltend macht, kein Raum.
3. Auch im übrigen läßt das Berufungsurteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin erkennen.
Unterschriften
Rinne, Wurm, Kapsa, Dörr, Galke
Fundstellen
Haufe-Index 888195 |
BGHR 2003, 401 |
BGHR |
BauR 2003, 1029 |
NJW-RR 2003, 374 |
Nachschlagewerk BGH |
ZfIR 2003, 123 |
NJ 2003, 423 |
ZfBR 2003, 488 |
ZfB 2003, 234 |
UPR 2003, 397 |
AuUR 2003, 188 |
GuG-aktuell 2003, 4 |