Verfahrensgang
LG Würzburg (Urteil vom 11.05.2007) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 11. Mai 2007 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Tatbestand
Rz. 1
Der Angeklagte war vom Vorwurf, eine Anhalterin mit einem Messer oder einem vergleichbaren scharfen Gegenstand getötet zu haben, aus tatsächlichen Gründen freigesprochen worden. Nachdem der Senat dieses Urteil auf die Revisionen von Staatsanwaltschaft und Nebenklägern aufgehoben hatte (Urt. vom 11. Januar 2005 – 1 StR 478/04 = NStZ-RR 2005, 147), ist der Angeklagte nunmehr wegen Totschlags verurteilt worden. Seine auf eine Verfahrensrüge und die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
I.
Rz. 2
Der näheren Ausführung bedarf dies nur hinsichtlich der Verfahrensrüge, mit der eine Verletzung von § 265 Abs. 1 StPO geltend gemacht wird.
Rz. 3
1. Folgendes liegt zu Grunde:
Rz. 4
Die Anhalterin hatte ca. 400,– DM Bargeld, einen Koffer und einige weitere Gegenstände wie z.B. einen Schirm bei sich gehabt, die nach ihrem Tode nicht mehr auffindbar waren. Dem Angeklagten war daher zur Last gelegt worden, er habe die Tat begangen, um sich an der Habe der Anhalterin zu bereichern (schwerer Raub, aus Habgier begangener Mord). Nicht zuletzt angesichts der Vermögensverhältnisse des Angeklagten – er hatte zeitweise ein Jahresgehalt von einer halben Million DM und mehr gehabt, war zur Tatzeit Inhaber eines Call-Centers in Ungarn und bewohnte ein Haus, für das er ca. 800.000,– DM aufgewendet hatte – konnte sich das Landgericht aber nicht davon überzeugen, dass er sich durch die Tat bereichern wollte. Dementsprechend hatte es auch bereits am 10. Oktober 2005 vor der neuen Hauptverhandlung gegen den Angeklagten einen Haftbefehl wegen des Verdachts des Totschlags (§ 212 StGB) erlassen, nachdem der frühere Haftbefehl wegen Verdachts des Mordes nach dem Freispruch aufgehoben worden war (§ 120 Abs. 1 Satz 2 StPO). Ein ausdrücklicher, auf § 265 Abs. 1 StPO gestützter Hinweis, wonach anstatt einer Verurteilung gemäß §§ 211, 250 StGB auch eine Verurteilung gemäß § 212 StGB in Betracht komme, wurde nicht erteilt.
Rz. 5
2. Die Rüge versagt.
Rz. 6
a) Auch wenn § 211 StGB und § 212 StGB trotz des ihnen gemeinsamen Tatbestandes der vorsätzlichen Tötung eines Menschen andere Strafgesetze im Sinne des § 265 Abs. 1 StPO sind, gefährdet es den Bestand eines auf § 212 StGB gestützten Schuldspruchs regelmäßig nicht, wenn bei einem auf § 211 StGB gestützten Anklagevorwurf ein entsprechender Hinweis unterblieben ist (BGH NStZ-RR 1996, 10 m.w.N.).
Rz. 7
b) Darüber hinaus war hier ein solcher Hinweis aber auch gar nicht erforderlich. Der Senat hatte in seinem dem Angeklagten bekannten und in der erneuten Hauptverhandlung verlesenen früheren Urteil in dieser Sache ausdrücklich ausgeführt, näher dargelegte Umstände des Falles sprächen „dagegen, dass es dem Täter allein um materielle Bereicherung ging. Es wäre daher die Möglichkeit zu erörtern gewesen, ob durch die Wegnahme des Geldes und der übrigen Gegenstände eine falsche Spur gelegt werden sollte” (NStZ-RR 2005, 147, 149). Ein derartiger Hinweis des Rechtsmittelgerichts verdeutlicht dem (verteidigten) Angeklagten die in Frage kommende abweichende Beurteilung, sodass er sein Verteidigungsverhalten entsprechend einrichten kann. Dementsprechend erübrigt sich dann regelmäßig ein auf § 265 StPO gestützter Hinweis des anschließend zur Entscheidung berufenen neuen Tatrichters (vgl. BGHSt 22, 29, 31; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 265 Rdn. 12 m.w.N. in Fußn. 30).
Rz. 8
c) Hinzu kommt – was die Revision nicht vorträgt –, dass die Strafkammer in dem genannten Haftbefehl wegen Totschlags weder das Mordmerkmal der Habgier noch (schweren) Raub erwähnt und zur Begründung des Haftbefehls ausdrücklich „auf die Bewertung der Erkenntnisse durch den Bundesgerichtshof in dessen Urteil vom 11.01.2005” verwiesen hat. Zwar gilt ein Hinweis in einer Haftentscheidung nicht als ausreichend, um einen Hinweis gemäß § 265 StPO zu ersetzen (BGHSt 22, 29; Engelhardt in KK 5. Aufl. § 265 Rdn. 16 m.w.N.). Jedoch kann eine Haftentscheidung nicht außer Betracht bleiben, wenn sie einen, wie dargelegt, grundsätzlich für sich allein schon ausreichenden Hinweis des Rechtsmittelgerichts ausdrücklich aufgreift und umsetzt. Die Annahme, dass der Angeklagte schon durch die Ausführungen im Urteil des Senats auf die in Rede stehende Möglichkeit einer Änderung der rechtlichen Würdigung des Geschehens deutlich hingewiesen wurde, wird durch den Inhalt des Haftbefehls bestätigt und weiter erhärtet.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 9
Auch die Sachrüge bleibt erfolglos. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts.
Unterschriften
Nack, Wahl, Kolz, Hebenstreit, Elf
Fundstellen
Haufe-Index 2564268 |
NStZ 2008, 302 |
StV 2008, 342 |