Leitsatz (amtlich)
a) Für die Annahme von Eigenbedarf reicht die Absicht des Vermieters, in den vermieteten Räumen selbst zu wohnen oder eine der in § 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB genannten Personen wohnen zu lassen, nur aus, wenn er hierfür vernünftige Gründe hat. Unzureichende Unterbringung des Vermieters ist nicht erforderlich.
b) Entgegenstehende Interessen des Mieters sind ausschließlich auf dessen Widerspruch gegen die Kündigung nach § 556a BGB zu berücksichtigen.
Normenkette
BGB § 564b Abs. 2 Nr. 2, § 556a
Verfahrensgang
LG Kaiserslautern |
OLG Zweibrücken |
Tenor
a) Für die Annahme von Eigenbedarf reicht die Absicht des Vermieters, in den vermieteten Räumen selbst zu wohnen oder eine der in § 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB genannten Personenwohnen zu lassen, nur aus, wenn er hierfür vernünftige Gründe hat. Unzureichende Unterbringung des Vermieters ist nicht erforderlich.
b) Entgegenstehende Interessen des Mieters sind ausschließlich auf dessen Widerspruch gegen die Kündigung nach § 556a BGB zu berücksichtigen.
Gründe
1. a) Die Beklagte bewohnt aufgrund eines mit Wirkung vom 1. Oktober 1982 mündlich geschlossenen Mietvertrages eine der Klägerin gehörende Eigentumswohnung in dem Anwesen … Die Klägerin verlangt mit der Klage die Räumung und Herausgabe der Wohnung. Sie macht geltend, aufgrund ihrer mit Schreiben vom 28. Mai 1986 erklärten Kündigung sei der Mietvertrag beendet. In der Kündigungserklärung hat die Klägerin ausgeführt, sie benötige die Wohnung für ihren 22 Jahre alten Sohn. Dieser bewohne derzeit ein Zimmer in dem elterlichen Haus in …, 10 km von … entfernt. Er studiere an der Fachhochschule in … und helfe jetzt schon im Hinblick darauf, daß er den väterlichen Betrieb in … später übernehmen solle, dort aus.
Die Beklagte hält die Kündigung für unwirksam, weil die angegebenen Kündigungsgründe für die Annahme von Eigenbedarf nicht ausreichten. Außerdem macht sie geltend, die Klägerin handele rechtsmißbräuchlich. Diese habe ihr nämlich bei Abschluß des Mietvertrages zugesichert, keine auf Eigenbedarf gestützte Kündigung auszusprechen. Im Vertrauen hierauf habe sie mehrere tausend Deutsche Mark in den Ausbau der Wohnung investiert.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat Berufung eingelegt. Das Landgericht hält ebenso wie das Amtsgericht die Kündigung für unwirksam, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für die Kündigung wegen Eigenbedarfs (§ 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB) nicht vorlägen. Der Wunsch der Klägerin, die Eigentumswohnung ihrem Sohn zu überlassen, genüge nicht. Ebensowenig sei es ausreichend, daß der Sohn sich möglicherweise vom Elternhaus lösen wolle. Erforderlich für die Berechtigung der Kündigung wäre, daß für den Sohn ein echter Wohnbedarf bestehe. Dies könne nicht angenommen werden. Der Wunsch des Sohnes, am Studienort zu wohnen, genügen nicht, weil er über einen PKW verfüge und die Strecke daher mühelos bewältigen könne. Weshalb die Mitarbeit des Sohnes im väterlichen Betrieb einen Wohnaufenthalt in … erfordere, sei nicht ersichtlich. Der Ehemann der Klägerin wohne auch in … Das Klagebegehren sei daher nicht schlüssig.
An der beabsichtigten Zurückweisung der Berufung sieht sich das Landgericht durch den Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Hamburg vom 10. Dezember 1985 (NJW 1986, 852 = WuM 1986, 51) gehindert. Dieses hat die Auffassung vertreten, der bloße Wunsch des Vermieters, seine Wohnung einem Familienangehörigen zur Verfügung zu stellen, rechtfertige die Eigenbedarfskündigung. Das Landgericht hat dem Oberlandesgericht Zweibrücken daher folgende Frage zur Entscheidung durch Rechtsentscheid vorgelegt:
„Reicht es für die Annahme eines Wohnbedarfs aus, daß der Vermieter oder ein Familienangehöriger in die gekündigte Wohnung einziehen will, oder ist zusätzlich erforderlich, daß der Vermieter oder ein Familienangehöriger derzeit unzureichend untergebracht ist?”
b) Das Oberlandesgericht meint, über die ihm vorgelegte Rechtsfrage nicht entscheiden zu können, weil es sich, wenn es sich der Meinung des Oberlandesgerichts Hamburg anschließen würde, in Widerspruch zu dem Rechtsentscheid des Kammergerichts vom 25. Februar 1981 (OLGZ 1981, 205 = NJW 1981, 1048) setzen würde. In dieser Entscheidung wird die Auffassung vertreten, für die Annahme von Eigenbedarf reiche der bloße Wunsch des Vermieters, in den ihm gehörenden Räumen zu wohnen, nicht aus. Der Vermieter müsse sich vielmehr in einer „wohnungsbedarfstypischen Lage” befinden. Das vorlegende Oberlandesgericht meint, es könne sich einer eigenen Stellungnahme enthalten, weil es mit jeder möglichen Entscheidung entweder von dem Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Hamburg oder von dem Rechtsentscheid des Kammergerichts abweichen würde. Es hat die ihm vorgelegte Rechtsfrage daher mit Beschluß vom 15. Mai 1987 (DWW 1987, 230 = ZMR 1987, 303) dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung durch Rechtsentscheid vorgelegt.
2. Die Voraussetzungen, die nach Art. III Abs. 1 Satz 3 3. MietRÄndG für die Vorlage an den Bundesgerichtshof vorliegen müssen, sind gegeben.
a) Die für die Vorlage erforderliche Divergenz liegt vor. Eigenbedarf liegt nach § 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, die zu seinem Hausstand gehörenden Personen oder seine Familienangehörigen benötigt. Das Oberlandesgericht Hamburg hat den Begriff „benötigen” anders verstanden als das Kammergericht. Das vorlegende Oberlandesgericht hat darin Recht, daß es, gleichgültig, wie es entscheiden würde, entweder von dem Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Hamburg oder von dem Rechtsentscheid des Kammergerichts abweichen würde. In einem solchen Fall kann sich das vorlegende Gericht einer eigenen Stellungnahme enthalten (vgl. für die insoweit ebenso zu beurteilende Vorlage nach § 121 Abs. 2 GVG BGHSt 26, 384, 385). Die im Vorlagebeschluß vertretene Ansicht, der Rechtsentscheid des Kammergerichts sei nicht durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Januar 1985 (BVerfGE 68, 361) gegenstandslos geworden, trifft zu. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich in diesem Beschluß die Frage, ob bereits der bloße Wunsch des Vermieters, die eigene Wohnung selbst zu nutzen oder durch einen Familienangehörigen nutzen zu lassen, zur Berechtigung der Eigenbedarfskündigung ausreicht, nicht entschieden.
b) Die Vorlage ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil eine Beweisaufnahme über die Berechtigung des von der Beklagten erhobenen Einwands des Rechtsmißbrauchs ergeben könnte, daß es auf die Vorlagefrage nicht mehr ankommt. Das Landgericht ist nämlich zur Vorlage einer Rechtsfrage zum Rechtsentscheid bereits dann berechtigt und sogar verpflichtet, wenn die Berufung, über die es zu entscheiden hat, auch nur bei einer der möglichen Antworten, die auf die Rechtsfrage gegeben werden könnte, ohne Beweisaufnahme zur Endentscheidung reif ist (Senatsbeschluß vom 1. Juli 1987 – VIII ARZ 2/87 = NJW 1987, 2372 = WM 1987, 966).
3. Ein Mietverhältnis über Wohnraum kann der Vermieter vorbehaltlich der Ausnahmeregelung in § 564b Abs. 4 BGB nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietvertrages hat (§ 564b Abs. 1 BGB). Als ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses ist es insbesondere anzusehen, wenn der Vermieter die Räume für sich, die zu seinem Hausstand gehörenden Personen oder seine Familienangehörigen benötigt (§ 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB), wenn also sogenannter Eigenbedarf vorliegt.
4. Zu der Frage, welche Voraussetzungen für die Annahme von Eigenbedarf des Vermieters gegeben sein müssen, werden im Schrifttum verschiedene Meinungen vertreten.
Eine Auffassung hält es – wie das Oberlandesgericht Hamburg – für ausreichend, wenn der Vermieter den ihm gehörenden Wohnraum selbst nutzen oder durch eine der in § 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB genannten Personen (nachfolgend: begünstigte Personen) nutzen lassen will. Darauf, welche Gründe der Vermieter für seinen Wunsch habe, komme es grundsätzlich nicht an, weil er das Recht habe, im eigenen Haus zu wohnen. Lediglich ein objektiv unsinniger oder schikanöser Nutzungswille dürfe nicht anerkannt werden (Schulte JZ 1985, 530).
Ein Teil des Schrifttums ist der Ansicht, der Vermieter habe zwar grundsätzlich das Recht, in den eigenen Räumen zu wohnen, der bloße Wunsch, die Räume selbst zu nutzen oder durch begünstigte Personen nutzen zu lassen, reiche aber für die Annahme von Eigenbedarf nicht aus. Die Gründe des Vermieters müßten vernünftig und billigenswert sein. Ein konkretes Raumbedürfnis müsse der Vermieter aber nicht dartun. Er (und nicht das Gericht) habe zu entscheiden, welchen Raumbedarf er für sich und seine Angehörigen als angemessen ansehe (MünchKomm-Voelskow, § 564b Rdnr. 57; ähnlich: BGB-RGRK, 12. Aufl., § 564b Rdnr. 16; Barthelmess, 2. Wohnraumkündigungsschutzgesetz, Miethöhegesetz, 3. Aufl., Rdnr. 67).
Außerdem wird die Auffassung vertreten, für die Annahme von Eigenbedarf reiche nicht jedes objektiv berechtigte Interesse des Vermieters an der Eigennutzung seiner Räume aus. Erforderlich sei vielmehr eine konkrete Bedarfssituation, die darauf zurückzuführen sei, daß der Vermieter unzulänglich oder zu teuer untergebracht sei. Zu weitgehend sei es, Eigenbedarf bereits dann anzunehmen, wenn die herausverlangten Räume für die eigene Benutzung geeigneter als die derzeit bewohnten Räume seien oder sonstige ins Gewicht fallende Vorteile mit ihrer Ingebrauchnahme durch den Vermieter verknüpft seien (Sternel, Mietrecht, 2. Aufl., Rdnr. IV 76; Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetz, 5. Aufl., Rdnr. B 481; ähnlich Staudinger/Sonnenschein, BGB, 12. Aufl., 2. Bearb. Rdnr. 67).
Das Schrifttum ist überwiegend der Ansicht, bei der Entscheidung darüber, ob Eigenbedarf anzunehmen ist, sei ausschließlich das Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses maßgebend, die Belange des Mieters seien nur auf dessen Widerspruch gegen die Kündigung nach § 556a BGB zu berücksichtigen. Es wird aber auch die Auffassung vertreten, die Frage der Berechtigung des Eigenbedarfs könne nicht ohne Beachtung eines „generalisierten” Mieterinteresses an der Beibehaltung der Wohnung beurteilt werden (vgl. Staudinger/Sonnenschein, a.a.O., Rdnr. 29, 49 m. Nachw. über die gegenteilige herrschende Meinung).
Von den Instanzgerichten wird die Frage, unter welchen Voraussetzungen Eigenbedarf anzunehmen ist, unterschiedlich und sehr differenziert beantwortet. Überwiegend wird die Auffassung vertreten, die Gründe, die der Vermieter für den Eigenbedarf anführe, müßten billigenswert sein. Ein nicht unerheblicher Teil der Rechtsprechung fordert darüber hinaus das Vorliegen einer konkreten Bedarfssituation, die auf einer unzulänglichen Unterbringung beruhen müsse. Die im Einzelfall gegebenen Interessen des Mieters werden überwiegend nur auf dessen Widerspruch gegen die Kündigung nach § 556a BGB berücksichtigt (vgl. zu Einzelheiten aus der Rechtsprechung der Instanzgerichte Staudinger/Sonnenschein, a.a.O., Rdnr. 49; Schmidt-Futter/Blank, a.a.O., Rdnr. B 480/483; Barthelmess, a.a.O., Rdnr. 67/75a).
5. Der Senat teilt die Auffassung, daß allein der Wille des Vermieters, in den eigenen Räumen zu wohnen oder eine begünstigte Person dort wohnen zu lassen, für die Annahme von Eigenbedarf nicht genügt. Es reicht aber aus, wenn der Vermieter vernünftige Gründe hierfür hat. Bei der Entscheidung, ob Eigenbedarf anzunehmen ist, kommt es ausschließlich auf die Belange des Vermieters an. Die im Einzelfall vorliegenden Interessen des Mieters an einer Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses sind erst auf seinen Widerspruch gegen die Kündigung nach § 556a BGB zu beachten.
a) § 564b wurde durch das Zweite Wohnraumkündigungsschutzgesetz vom 18. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3603) in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt. Die Vorschrift ist Teil des sozialen Mietrechts. Durch sie wird das Recht des Vermieters, den Mietvertrag durch ordentliche Kündigung zu beenden, für Wohnraummietverhältnisse ausgeschlossen. Sein Kündigungsrecht ist danach abhängig von dem Bestehen eines berechtigten Interesses, das nach Abs. 2 Nr. 2 bei Vorliegen von Eigenbedarf anzunehmen ist. Durch diese Beschränkung des Kündigungsrechts soll der Mieter vor willkürlichen Kündigungen geschützt werden. Die Wohnung stellt für ihn einen Lebensmittelpunkt dar. Jeder Wohnungswechsel bringt für ihn erhebliche Unzuträglichkeiten in persönlicher, familiärer, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht mit sich. Der Vermieter soll deshalb nicht berechtigt sein, den Mietvertrag ohne beachtliche Gründe zu kündigen (Begründung des Regierungsentwurfs für das Zweite Wohnraumkündigungsschutzgesetz, BTDrucks. VII/2011 S. 7). Mit dem Zweck der Vorschrift ist es nicht zu vereinbaren, die Kündigung des Vermieters bereits dann als berechtigt anzusehen, wenn er wünscht, den ihm gehörenden Wohnraum selbst zu nutzen oder durch eine begünstigte Person nutzen zu lassen. Der Entschluß des Vermieters zur Eigennutzung kann nämlich auf Erwägungen beruhen, die zu dem dem § 564b BGB zugrundeliegenden Schutzgedanken in Widerspruch stehen.
b) Andererseits ist weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck der Vorschrift zu entnehmen, daß dem Vermieter ein Kündigungsrecht nur zustehe, wenn er oder eine begünstigte Person einen Mangel an Wohnraum hat oder der Vermieter sich, wie es das Kammergericht ausgedrückt hat, in einer wohnbedarfstypischen Lage befindet. Für die Annahme von Eigenbedarf genügen vielmehr vernünftige Gründe des Vermieters für seinen Entschluß zur Eigennutzung.
Der Begriff des Eigenbedarfs stammt aus der Zeit der Wohnungszwangswirtschaft, die sich aus dem Wohnungsmangel nach dem ersten und zweiten Weltkrieg ergab. Sie bestand aus Mieterschutz, Mietpreisbindung und Wohnraumbewirtschaftung. Wesentlicher Inhalt des Mieterschutzes war die Beseitigung des freien Kündigungsrechtes des Vermieters. Der Mieter genoß Bestandsschutz. Gegen seinen Willen konnte das Mietverhältnis nur im Wege der Klage durch gerichtliches, rechtsgestaltendes Urteil unter besonderen, im Gesetz (§§ 2 bis 4 MSchG) im einzelnen bestimmten Voraussetzungen aufgehoben werden. Voraussetzung der Aufhebung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs des Vermieters war das dringende eigene Interesse des Vermieters an der Raumerlangung, sofern bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen die Vorenthaltung des Raumes eine schwere Unbilligkeit für den Vermieter war (§ 4 MSchG).
Das Mieterschutzgesetz wurde durch § 54 des Gesetzes über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Miet- und Wohnrecht vom 23. Juni 1960 (BGBl. I S. 389, nachfolgend: Abbaugesetz) aufgehoben. Ziel dieses Gesetzes war der Übergang vom Mieterschutz zum sozialen Mietrecht. An die Stelle des starren Rechtes des Mieterschutzgesetzes sollte ein elastisches System materieller und formeller Vorschriften treten, die einerseits den Mieter so schützten, wie es die Grundsätze des sozialen Rechtsstaates erforderten, es andererseits aber dem Vermieter gestatteten, über sein Eigentum im Rahmen des sozial Vertretbaren rechtlich und wirtschaftlich zu verfügen. Mit dem Außerkrafttreten des Mieterschutzgesetzes wurde deshalb § 565 BGB über die Kündigungsfristen für die Grundstücksmiete neu gefaßt und § 556a – im juristischen Sprachgebrauch Sozialklausel genannt – in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt. Dem Vermieter stand daher mit dem Außerkrafttreten des Mieterschutzgesetzes das nur durch die Sozialklausel des § 556a BGB beschränkte freie Kündigungsrecht über Wohnraum zu. Der Gesetzgeber ging von der Auffassung aus, hiermit ein soziales Mietrecht zu gewährleisten (Begründung des Regierungsentwurfs zum Abbaugesetz, BT-Drucks. III/1234 S. 54).
Erst durch das bis zum 31. Dezember 1974 befristete Gesetz über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum vom 25. November 1971 (BGBl. I S. 1839) wurde eine dem § 564b BGB entsprechende Vorschrift eingeführt. In den Gesetzesmaterialien ist kein Anhalt für die Annahme zu finden, es sei beabsichtigt gewesen, die Kündigung des Vermieters wieder von einem konkreten Wohnraumbedarf des Vermieters abhängig zu machen. In der Begründung zum Regierungsentwurf zu diesem Gesetz (BT-Drucks. VI/1549 S. 7) und der Interpretation, welche der damalige Bundesjustizminister Jahn dem Entwurf gegeben hat (Bericht über die 90. Sitzung des deutschen Bundestages vom 20. Januar 1971 = S. 4933 der Sammlung über die Sitzungsberichte), ist nicht davon die Rede, die Eigenbedarfskündigung setze voraus, daß der Vermieter schlechter als in den herausverlangten Räumen untergebracht sei. Die Notwendigkeit, die Kündigung an das Bestehen eines berechtigten Interesses des Vermieters zu knüpfen, ist vielmehr damit gerechtfertigt worden, daß der Mieter vor den Unannehmlichkeiten, die ein Wohnungswechsel mit sich bringt, auch dann geschützt werden müsse, wenn er sich nicht auf das Vorliegen einer Härte im Sinne von § 556a BGB berufen könne. Bundesjustizminister Jahn führte aus, an eine Besserstellung der Mieter zu Lasten berechtigter Belange des Vermieters sei nicht gedacht. Die Regelung diene vielmehr einem gerechten Interessenausgleich zwischen den Vertragsparteien, bei Vorliegen von triftigen Gründen müsse sich der Vermieter aus dem Mietverhältnis lösen können. Die im Ersten Wohnraumkündigungsschutzgesetz getroffene Kündigungsregelung, die nur für Gebiete mit besonderem Wohnbedarf galt, wurde dann als § 564b als Dauerregelung, die für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik gilt, in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt. Bei den Gesetzesberatungen wurden Merkmale einer wohnungszwangswirtschaftlichen Regelung (Not, Zwangslage, Mangel) ausdrücklich als Auslegungsmerkmale des Eigenbedarfs abgelehnt (Abgeordnete Engelhard FDP und Gnädinger SPD in der 41. Sitzung des Rechtsausschusses des Bundestages, stenographisches Protokoll dieser Sitzung S. 49 bis 51). Aus den Stellungnahmen der Abgeordneten aller im Rechtsausschuß des Bundestages vertretenen Fraktionen ergibt sich vielmehr, daß es nach ihrer Meinung für die Eigenbedarfskündigung ausreichen soll, wenn der Vermieter vernünftige Gründe für seinen Wunsch hat, die Wohnung selbst zu nutzen oder durch eine begünstigte Person nutzen zu lassen (Protokoll über die 41. Sitzung des Rechtsausschusses des Bundestages, a.a.O., Stellungnahmen der Abgeordneten Dürr SPD, Thürk CDU/CSU, Engelhard FDP). Dieser Auffassung entspricht die Auslegung, die der damalige Bundesjustizminister Vogel der Gesetzesfassung gegeben hat, wenn er in JZ 1975, 73, 75 ausführt, die Kündigung wegen Eigenbedarfs setze kein dringendes Eigeninteresse wie § 4 Abs. 1 MSchG voraus, aus dem Wort „benötigen” dürfe nicht gefolgert werden, daß auf seiten des Vermieters oder der nach dem Gesetz begünstigten Person ein Notfall vorliegen müsse, der Vermieter habe vielmehr grundsätzlich das Recht, im eigenen Haus zu wohnen oder begünstigte Personen darin wohnen zu lassen, sofern er hierfür vernünftige Gründe anführen könne.
Auch der Senat versteht den Begriff Eigenbedarf in diesem Sinne. Liegt Eigenbedarf vor, so ist nach § 564b BGB ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Kündigung anzunehmen. Den Begriff berechtigtes Interesse gebraucht das Bürgerliche Gesetzbuch auch in § 549 Abs. 2. Diese Bestimmung ist ebenso wie § 564b BGB Teil des sozialen Mietrechts. In der Vorschrift wird die Verpflichtung des Vermieters zur Erteilung der Erlaubnis für eine Untervermietung davon abhängig gemacht, daß der Mieter ein berechtigtes Interesse an einer Untervermietung hat. Der Senat hat hierzu die Auffassung vertreten, ein berechtigtes Interesse des Mieters sei schon dann anzunehmen, wenn der Mieter vernünftige Gründe habe, die seinen Wunsch nach Überlassung eines Teiles der Wohnung an Dritte nachvollziehbar erscheinen ließen, berechtigt sei jedes auch höchst persönliche Interesse des Mieters von nicht ganz unerheblichem Gewicht, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang stehe (BGHZ 92, 213, 218/219). Nichts anderes kann für den Begriff des berechtigten Interesses im Sinne von § 564b BGB gelten. Eigenbedarf ist daher anzunehmen, wenn der Vermieter vernünftige, nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme des Wohnraums für sich oder eine begünstigte Person hat. Darauf, ob er unzureichend oder zu teuer untergebracht ist, kommt es nicht an. Deshalb ist der Vermieter, der sich eine Wohnung gekauft hat, um dort seinen Altersruhesitz zu haben, mit der Kündigung des Mietverhältnisses über diese Wohnung nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil seine eigenen Wohnräume nicht größer sind als die Wohnung, die er bei Erklärung der Kündigung nutzt. Den Eltern, die dem Mieter ihrer Wohnung kündigen, um diese ihrem Kind zur Nutzung zur Verfügung zu stellen, weil andernfalls die Gefahr bestünde, daß es sich vom Elternhaus löst, kann nicht entgegengehalten werden, Eigenbedarf liege nicht vor, weil das Kind im Hause der Eltern ausreichend untergebracht sei. Berechtigt ist das Interesse des Vermieters außerdem dann, wenn er im eigenen Haus wohnen will, um die Heizung warten und das Haus verwalten zu können (vgl. Vogel a.a.O. zu B II 4b Fn. 13 mit weiteren Beispielen in Fn. 15).
c) Die Interessen des Vermieters sind bei der Entscheidung darüber, ob Eigenbedarf anzunehmen ist, nicht gegen die Belange des Mieters abzuwägen. Das bei jedem Mieter vorhandene Interesse an der Beibehaltung der Wohnung ist bereits dadurch berücksichtigt, daß die Kündigung des Vermieters von den Voraussetzungen des Eigenbedarfs abhängig gemacht und damit eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist (BVerfGE 68, 360, 370ff.). § 564b BGB stellt ausdrücklich auf das Interesse allein des Vermieters ab. Die besonderen Belange des Mieters im Einzelfall sind nur auf dessen Widerspruch nach § 556a BGB zu beachten (so bereits die Begründung des Regierungsentwurfs zum Ersten Wohnraumkündigungsschutzgesetz zu Artikel 2 = BT-Drucks. VI/1549 S. 8; vgl. auch Vogel a.a.O. zu B II 3). Erst dann hat eine, allerdings umfassende, Abwägung der im Einzelfall gegebenen beiderseitigen Interessen stattzufinden. Auch insoweit ist ein Vergleich mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Erlaubnis des Vermieters von Wohnraum zur Untervermietung gerechtfertigt (BGHZ 92, 213, 220). Wären die im Einzelfall vorliegenden besonderen Belange des Mieters bereits bei der Prüfung zu beachten, ob ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Kündigung anzunehmen ist, liefe dies darauf hinaus, daß der Vermieter zur Schlüssigkeit einer Räumungsklage die besondere Interessenlage des Mieters schildern muß. Dazu ist er häufig gar nicht in der Lage, weil sie ihm nicht bekannt ist. Andererseits wäre es nicht im Sinne des sozialen Mietrechts, den Vermieter zu Ermittlungen über die sozialen Verhältnisse des Mieters zu veranlassen.
Fundstellen