Entscheidungsstichwort (Thema)
in der mündlichen Verhandlung gewährtes Schriftsatzrecht. Ausübung eines Schriftsatzrechts nach Fristablauf. verspätetes Vorbringen
Leitsatz (amtlich)
Wird ein der Partei nach Hinweis in der mündlichen Verhandlung gewährtes Schriftsatzrecht erst nach Ablauf der hierfür gesetzten Frist ausgeübt, hat das Gericht in entsprechender Anwendung des § 283 Satz 2 ZPO zu entscheiden, ob das verspätete Vorbringen berücksichtigt werden kann.
Normenkette
ZPO § 139 Abs. 5
Verfahrensgang
OLG Bremen (Urteil vom 23.01.2013; Aktenzeichen 1 U 17/12) |
LG Bremen (Entscheidung vom 03.02.2012; Aktenzeichen 8 O 58/10) |
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 1. Zivilsenats des OLG Bremen vom 23.1.2013 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Beschwerde wird auf 171.510 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Rz. 2
Die von der Beschwerde für klärungsbedürftig angeführte Frage, wie ein Schriftsatz zu behandeln sei, der erst nach Ablauf einer gem. § 139 Abs. 5 ZPO gesetzten Frist bei Gericht eingehe, rechtfertigt eine Zulassung nicht. Die geltend gemachte Grundsatzbedeutung ist bereits nicht hinreichend dargelegt. Es fehlt an einer Aufbereitung, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die aufgeworfene Frage umstritten ist (vgl. BGH, Beschl. v. 11.5.2004 - XI ZR 39/03, BGHZ 159, 135, 137 f.; v. 13.12.2007 - IX ZR 206/05, nv, Rz. 2). Im Übrigen weist sie keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf. Diese ist nur dann gegeben, wenn die Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, die allgemein von Bedeutung ist. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn ihre Beantwortung zweifelhaft ist, weil sie vom BGH noch nicht entschieden ist und in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt wird oder wenn sie im Schrifttum in gewissem Umfang umstritten ist (BGH, Beschl. v. 21.9.2009 - II ZR 264/08, ZIP 2010, 27 Rz. 3; v. 8.2.2010 - II ZR 54/09, ZIP 2010, 985 Rz. 3; v. 21.6.2010 - II ZR 219/09, ZIP 2010, 2397 Rz. 3; v. 8.11.2012 - IX ZB 120/11, WM 2013, 45 Rz. 2; v. 24.9.2013 - II ZR 396/12, ZIP 2014, 191 Rz. 2). Derartige Unklarheiten bestehen nicht, wenn abweichende Ansichten in der Literatur vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind (BGH, Beschl. v. 8.2.2010, a.a.O., Rz. 3; vom 21.6.2010, a.a.O.; vom 8.11.2012, a.a.O.; vom 24.9.2013, a.a.O.).
Rz. 3
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage findet ihre Antwort im Gesetz: Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden (§ 296a Satz 1 ZPO). Hiervon räumt § 296a Satz 2 ZPO, bezogen auf den Anwendungsbereich des § 139 Abs. 5 ZPO, nur dann eine Ausnahme ein, wenn einer Prozesspartei auf deren Antrag hin ein Schriftsatzrecht nach der Erteilung eines gerichtlichen Hinweises gewährt wird. Nach § 139 Abs. 5 ZPO ist das auf den gerichtlichen Hinweis bezogene Vorbringen beachtlich, wenn es innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist ausgeführt wird. Wird nach Ablauf dieser Frist, wie im Streitfall gegeben, ein Schriftsatz eingereicht, so gilt § 296a ZPO. Die Bestimmung des § 296 ZPO betrifft dagegen das Verfahren zwischen der Klagebegründung und der (letzten) mündlichen Verhandlung und ist daher auf ein Vorbringen nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung nicht anwendbar (Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 296 Rz. 4a; Hk-ZPO/Saenger, 5. Aufl., § 296a Rz. 1). Im Schrifttum wird demzufolge eine Anwendung der Bestimmung des § 296 ZPO auf nicht fristgerechtes Vorbringen nach § 139 Abs. 5 ZPO verneint (Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 139 Rz. 115; MünchKomm/ZPO/Prütting, 4. Aufl., § 296a Rz. 6 mit Verweis auf § 283 Rz. 20; Hk-ZPO/Saenger, a.a.O., § 283 Rz. 14). Die von der Beschwerde angeführte gegenteilige Ansicht von Stadler (Musielak/Stadler, ZPO, 10. Aufl., § 139 Rz. 30) ist vereinzelt geblieben; auch wird dort die Anknüpfung an § 296 ZPO nicht näher begründet. § 139 Abs. 5 ZPO ist der Vorschrift des § 283 ZPO nachgebildet (vgl. BR-Drucks. 536/00, 200; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 72. Aufl., § 139 Rz. 95; Hk-ZPO/Saenger, a.a.O.). Daher hat das Gericht bei nicht fristgerechtem Vorbringen nach § 139 Abs. 5 ZPO in entsprechender Anwendung von § 283 Satz 2 ZPO, wie vom Berufungsgericht zutreffend beachtet wurde, zu entscheiden, ob das verspätete Vorbringen berücksichtigt werden kann (Prütting in MünchKomm/ZPO, a.a.O.; Hk-ZPO/Saenger, a.a.O.). Insoweit hat das Berufungsgericht sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt.
Rz. 4
Die weiter geltend gemachten Verletzungen von Verfahrensgrundrechten (Art. 103 Abs. 1 GG) hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet.
Rz. 5
Von einer weiteren Begründung wird gem. § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 6610310 |
BB 2014, 705 |
NJW 2014, 1669 |
NJW 2014, 8 |
EBE/BGH 2014 |
NJW-RR 2014, 505 |
IBR 2014, 315 |
WM 2014, 1456 |
ZAP 2014, 553 |
JZ 2014, 400 |
MDR 2014, 559 |
NJ 2014, 6 |
NJOZ 2014, 1401 |