Verfahrensgang
Thüringer OLG (Beschluss vom 29.11.2000) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Zwischenurteil des 2. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 29. November 2000 wird nicht angenommen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf
19.088 EUR
festgesetzt.
Tatbestand
I. Der Kläger, ein Staatsangehöriger der USA, und die Beklagten sind in ungeteilter Erbengemeinschaft Eigentümer eines Hausgrundstücks. Der Kläger verlangt von den Beklagten Auskunft und Rechnungslegung über die das Hausgrundstück betreffenden Rechtsgeschäfte und über die Verwendung von der Erbengemeinschaft zwecks Sanierung des Hauses aufgenommener, durch eine Grundschuld in Höhe von 500.000 DM nebst Kosten und Zinsen gesicherter Darlehen. Das Landgericht hat, nachdem es zuvor dem Kläger auf Antrag der Beklagten eine Prozeßkostensicherheit gemäß § 110 ZPO in Höhe von 13.000 DM auferlegt hatte, die es nach den voraussichtlichen Prozeßkosten der Beklagten im ersten Rechtszug bemessen hatte, die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren haben die Beklagten beantragt, dem Kläger gemäß §§ 110, 112, 113 ZPO eine weitere Sicherheitsleistung aufzuerlegen. Durch das angefochtene Zwischenurteil hat das Berufungsgericht die Einrede der mangelnden Sicherheit für die Prozeßkosten verworfen. Gegen dieses Zwischenurteil haben die Beklagten Revision eingelegt. Das Berufungsgericht hat die Beschwer der Beklagten nicht festgesetzt.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Revision ist nicht wegen der Höhe der Beschwer der Beklagten statthaft (Streitwertrevision). Denn die Beschwer der Beklagten übersteigt die Revisionsgrenze von 60.000 DM nicht (§ 546 Satz 1 ZPO a.F.).
a) Wenn das Berufungsgericht die Beschwer nicht festgesetzt hat, ist sie vom Revisionsgericht eigenständig zu bewerten (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1990 – VI ZR 117/90 – NJW 1991, 847 unter II 2; Beschluß vom 25. Oktober 1995 – XII ZR 7/94 – NJW-RR 1996, 316 unter II 2; vgl. Musielak, ZPO 2. Aufl. § 546 Rdn. 10; MünchKomm/Wenzel, ZPO 2. Aufl. § 546 Rdn. 26; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 21. Aufl. § 546 Rdn. 36).
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspricht der für die Beschwer maßgebliche Streitwert eines Zwischenurteils, mit dem das Berufungsgericht die Einrede der fehlenden Prozeßkostensicherheit verworfen hat, dem Wert der Hauptsache (BGHZ 37, 264, 269 und BGH, Urteil vom 7. Oktober 1981 – VIII ZR 198/80 – WM 1981, 1287 unter III 1; offengelassen im Urteil des BGH vom 21. Juni 1990 – IX ZR 227/89 – VersR 1991, 122 unter II).
c) Danach bleibt die Beschwer der Beklagten unter 60.000 DM.
Hauptsache ist die im Berufungsverfahren befindliche Auskunftsklage. Entgegen der Ansicht der Beklagten bemißt sich der Streitwert des Hauptsacheverfahrens nicht nach dem Abwehrinteresse der Beklagten, das nach ihrem voraussichtlich mit der Auskunftserteilung verbundenen Aufwand an Zeit und Kosten zu bewerten ist. Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers (§ 14 Abs. 1 GKG). Das Abwehrinteresse ist deshalb nur maßgeblich, wenn der zur Auskunft verurteilte Beklagte Berufung einlegt. Hier hingegen ist es der Kläger, der mit der Berufung sein Auskunftsinteresse weiterverfolgt. Dieses ist gemäß § 3 ZPO danach zu schätzen, in welchem Maß die Durchsetzbarkeit des Leistungsanspruchs des Klägers von der Auskunft der Beklagten abhängt. Es ist mit einer Quote des Wertes des Leistungsanspruchs zu bewerten, die nach der Rechtsprechung in der Regel zwischen 1/10 und 1/4 bemessen wird und die umso höher anzusetzen ist, je geringer die Kenntnisse des Klägers und sein Wissen über die zur Begründung des Leistungsanspruchs maßgeblichen Tatsachen sind (Zöller/Herget, ZPO 23. Aufl. § 3 Rdn. 16 „Auskunft” m.w.N.).
Hier ist der Leistungsanspruch des Klägers, den er im ersten Rechtszug noch im Wege der Stufenklage mit angekündigt hatte, auf Befreiung von den Darlehensverbindlichkeiten gerichtet, für die das Grundstück haftet. Da aber die Beklagten im Innenverhältnis zum Kläger ohnehin 2/3 der Darlehensverbindlichkeiten tragen müssen (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB), beschränkt sich das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Befreiung auf sein eigenes Drittel der Darlehensschuld, wie das Berufungsgericht bei seiner Streitwertfestsetzung zutreffend erkannt hat. Die gesamte Darlehensschuld belief sich nach Feststellung des Berufungsgerichts am 31. Januar 2000 auf 537.946,64 DM und war laut Schreiben der Sparkasse E. vom 1. Februar 2000 von diesem Tage an mit damals 7,68% zu verzinsen. Für den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungseinlegung (§ 15 GKG), den 19. Juni 2000, kann die Darlehensschuld deshalb auf rund 560.000 DM geschätzt werden. 1/3 davon sind 186.666 DM.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens ist indes geringer, weil der Kläger nicht Leistung, sondern nur eine vorbereitende Auskunft begehrt. Die Quote für das Auskunftsinteresse des Klägers veranschlagt der Senat mit 20%. Der Streitwert der Hauptsache und damit die Beschwer der Beklagten sind nach alledem auf (20% von 186.666 DM =) 37.333 DM (19.088 EUR) zu veranschlagen.
2. Das bedeutet aber nicht, daß die Revision unzulässig ist. Zwar ist in Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, bei denen der Wert der Beschwer 60.000 DM nicht übersteigt, die Revision an sich nur statthaft, wenn das Oberlandesgericht sie zugelassen hat (§ 546 Abs. 1 ZPO). Zugelassen hat hier das Oberlandesgericht die Revision nicht. Es hatte jedoch keine Veranlassung, die Frage der Zulassung zu prüfen, weil es irrtümlich von einer zulassungsfreien Revision ausgegangen ist. Denn es hat den Streitwert der Hauptsache auf 167.000 DM festgesetzt. In einem solchen Fall ist die Revision als statthaft zu behandeln, damit das Revisionsgericht anstelle des Berufungsgerichts überprüfen kann, ob die Sache revisionswürdig ist. Das geschieht im Wege einer Annahmeprüfung nach § 554 b ZPO a.F., die sich darauf beschränkt, ob die Sache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Berufungsurteil von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 546 Abs. 1 Nr. 1, 2 ZPO a.F.). Auf die Erfolgsaussicht der Revision kommt es dabei nicht an (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. nur Beschluß vom 25. Oktober 1995, aaO).
3. Hier liegt eine Abweichung, die die Zulassung der Revision rechtfertigen würde, nicht vor. Würde die Revision angenommen, so wären auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden.
Unterschriften
Terno, Seiffert, Ambrosius, Wendt, Dr. Kessal-Wulf
Fundstellen