Verfahrensgang
OLG Köln (Entscheidung vom 02.03.2021; Aktenzeichen 25 U 9/20) |
LG Aachen (Entscheidung vom 20.12.2019; Aktenzeichen 11 O 263/19) |
Nachgehend
Tenor
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 2. März 2021 durch Beschluss gemäß § 552a ZPO auf seine Kosten zurückzuweisen.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 45.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Kläger nimmt die Beklagte hinsichtlich eines von ihm im August 2016 als Neuwagen erworbenen und von der Beklagten hergestellten Fahrzeugs Mercedes Benz GLC 250 d 4MATIC in Anspruch. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs OM 651 (Euro 6) ausgestattet und unterfiel einem Rückruf seitens des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA).
Rz. 2
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe ihn im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er den Kaufvertrag für das Fahrzeug nicht abgeschlossen. Mit der Klage hat er die Rückzahlung des Kaufpreises nebst Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs und Zahlung einer Nutzungsentschädigung, die Feststellung, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befinde, sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt.
Rz. 3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
II.
Rz. 4
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, wie folgt begründet:
Rz. 5
Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch seien nicht dargetan. Für einen der Beweisaufnahme zugänglichen Sachvortrag genüge es auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2020 (VIII ZR 57/19) nicht, sich auf die Verwendung eines Thermofensters und die Abweichung der Emissionen im Normalbetrieb gegenüber den Messungen im Verfahren nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) auf dem Rollenprüfstand sowie den Einbau des Motortyps OM 651 zu berufen. Daran ändere der das Klägerfahrzeug betreffende Rückruf durch das KBA, mit dem nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils nicht die Typ-Genehmigung aufgehoben, sondern nur eine Nebenbestimmung dazu erlassen worden sei, nichts. Nach dem Willen des Gesetzgebers seien die Messungen im Zeitpunkt der Erteilung der Typ-Genehmigung unter den laborartigen Bedingungen des NEFZ und nicht im Normalbetrieb ermittelt worden. Aus einem höheren NOx-Ausstoß bei Abgasmessungen im Straßenbetrieb könne daher nicht zwingend auf die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung, die die Voraussetzungen für die Annahme einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung im Sinne des § 826 BGB erfülle, geschlossen werden. Selbst wenn unterstellt werde, das Fahrzeug verfüge über ein Thermofenster und dieses stelle eine unzulässige Abschalteinrichtung dar, könne eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung nicht festgestellt werden, weil nicht belastbar auf eine von einem entsprechenden Vorsatz getragene, arglistige und sittenwidrige Schädigungshandlung der Fahrzeug- und Motorherstellerin geschlossen werden könne. Bei einer die Abgasreinigung beeinflussenden Motorsteuerungssoftware wie dem hier in Rede stehenden Thermofenster, bei der Gesichtspunkte des Motor- oder Bauteilschutzes als Rechtfertigung ernsthaft erwogen werden könnten, könne bei Fehlen jedweder konkreter Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die Handelnden beziehungsweise Verantwortlichen bei der Beklagten in dem Bewusstsein agiert hätten, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Solche Anhaltspunkte seien weder konkret vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Thermofenster seien weit verbreitet und würden von den Zulassungsbehörden als zulässig und sinnvoll angesehen. Die Gesetzeslage sei hinsichtlich der Zulässigkeit von Thermofenstern jedenfalls bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 17. Dezember 2020 - C-693/18 - nicht eindeutig gewesen. Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des konkreten Fahrzeugs könne indes nicht als besonders verwerflich angesehen werden.
III.
Rz. 6
Die Revision ist durch Beschluss zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen ersichtlich nicht vor und die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Maßgeblich für die Beurteilung ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts (BGH, Beschluss vom 27. Mai 2020 - VIII ZR 58/19 Rn. 3, juris; Beschluss vom 13. August 2015 - III ZR 380/14 Rn. 7, juris; Beschluss vom 1. März 2010 - II ZR 13/09 Rn. 3, ZIP 2010, 1078).
Rz. 7
1. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil klärungsbedürftige Fragen zu entscheiden seien, die sich in einer Vielzahl von Fällen stellten. Welche dies sein sollen, legt das Berufungsgericht indes nicht dar. Solche sind auch nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen einer Haftung gemäß § 826 BGB sind höchstrichterlich abstrakt seit langem geklärt und durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 hinsichtlich der Entwicklung und des Einsatzes einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 weiter konkretisiert worden. Ob die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten gemäß § 826 BGB wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorliegen, hängt von den in tatrichterlicher Würdigung des jeweiligen Sachvortrags zu treffenden Feststellungen des Berufungsgerichts ab und kann nicht Gegenstand einer grundsätzlichen Klärung durch den Bundesgerichtshof sein.
Rz. 8
2. Sonstige Zulassungsgründe sind nicht ersichtlich und zeigt die Revision nicht auf.
IV.
Rz. 9
Die Revision hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass dem Kläger kein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte zusteht.
Rz. 10
1. Die Revision rügt zu Unrecht, das Berufungsgericht habe die Anforderungen an die Darlegungslast hinsichtlich unzulässiger Abschalteinrichtungen, die eine Haftung gemäß § 826 BGB auslösen könnten, überspannt.
Rz. 11
Das Berufungsgericht hat - von der Revision unangegriffen - festgestellt, der zweitinstanzlich klargestellte Vortrag des Klägers erschöpfe sich darin, aufgrund der Abweichung der Stickoxidemissionen beim Normalbetrieb des Fahrzeugs gegenüber der Messung im NEFZ-Verfahren auf die Installation einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu schließen und sich dazu auf die pauschale Behauptung zu stützen, die Motorsteuerungssoftware nutze ein Thermofenster. Dies trägt die Annahme eines Anspruchs aus § 826 BGB nicht, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat.
Rz. 12
a) Verfehlt ist die Auffassung der Revision, ein verpflichtender Rückruf seitens des KBA indiziere bereits ausreichend das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung, über die das KBA zudem bei Erteilung der Typ-Genehmigung getäuscht worden sein müsse. Ein verpflichtender Rückruf kann zwar eine unzulässige Abschalteinrichtung indizieren, nicht aber zugleich, dass das KBA darüber getäuscht worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 126/21 Rn. 14, juris).
Rz. 13
b) Das Berufungsgericht lässt es nach den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen zu Recht nicht ausreichen, dass - wie es zugunsten des Klägers unterstellt - in dessen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters verbaut ist, um ein objektiv sittenwidriges Gepräge des Verhaltens der für die Beklagte handelnden Personen festzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20 Rn. 12 ff. m.w.N., WM 2021, 2108), ohne dass die Revision dem erheblich entgegentritt.
Rz. 14
aa) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20 Rn. 11, WM 2021, 1609; Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20 Rn. 29, ZIP 2020, 1715; Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 Rn. 15, BGHZ 225, 316; Urteil vom 12. März 2020 - VII ZR 236/19 Rn. 24, VersR 2020, 1120; jeweils m.w.N.). Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20 Rn. 11, WM 2021, 1609; Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20 Rn. 29, ZIP 2020, 1715; Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 Rn. 15, BGHZ 225, 316). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20 Rn. 12, VersR 2021, 661; Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19 Rn. 14, ZIP 2021, 297; Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20 Rn. 29, ZIP 2020, 1715; Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 Rn. 15, BGHZ 225, 316).
Rz. 15
Ob das Verhalten des Anspruchsgegners sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB ist, ist dabei eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Kontrolle des Revisionsgerichts unterliegt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20 Rn. 12, WM 2021, 1609; Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20 Rn. 14, VersR 2021, 661; Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19 Rn. 15, ZIP 2021, 297; Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 Rn. 14, BGHZ 225, 316; Urteil vom 12. März 2020 - VII ZR 236/19 Rn. 25, VersR 2020, 1120).
Rz. 16
bb) Nach diesen Grundsätzen reicht der Umstand, dass die temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems im Fahrzeug des Klägers - vom Berufungsgericht offen gelassen und damit revisionsrechtlich zu unter-stellen - in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht als eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - C-693/18, NJW 2021, 1216), für die Begründung der objektiven Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB nicht aus, wie die Revision nicht verkennt. Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, wäre der darin liegende - revisionsrechtlich zu unterstellende - Gesetzesverstoß für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Hierfür bedürfte es vielmehr weiterer Umstände. So setzt die Annahme von Sittenwidrigkeit in diesen Fällen jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20 Rn. 16, WM 2021, 2108; BGH, Urteil vom 20. Juli 2021 - VI ZR 1154/20 Rn. 13, WM 2021, 2105; Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20 Rn. 13, WM 2021, 1609; Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20 Rn. 28, VersR 2021, 661; Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19 Rn. 19, ZIP 2021, 297).
Rz. 17
cc) Ein solches Vorstellungsbild der für die Beklagte handelnden Personen hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Die Revision zeigt weder vom Berufungsgericht festgestellten noch von diesem übergangenen Sachvortrag des insoweit darlegungsbelasteten Klägers (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20 Rn. 17 m.w.N., WM 2021, 2108) auf, dem hierfür sprechende Anhaltspunkte zu entnehmen wären.
Rz. 18
Die Revision beanstandet vergeblich die Annahme des Berufungsgerichts, das Thermofenster arbeite im Grundsatz auf dem Prüfstand und im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise. Erheblichen Vortrag dazu, dass das Thermofenster "exakt" auf die Bedingungen des NEFZ zugeschnitten sei, zeigt die Revision nicht auf. Danach hat der Kläger vielmehr vorgetragen, dass nur bei Temperaturen oberhalb von 7 °C die volle Abgasreinigung stattfinde. Der Kläger behauptet selbst nicht, dass das Thermofenster damit eng auf die Prüfbedingungen im NEFZ abgestimmt sei. Bei einer solchen Abschalteinrichtung kann aber bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für die Beklagte handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, so dass es bereits deswegen an der objektiven Sittenwidrigkeit fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20 Rn. 28, VersR 2021, 661; Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19 Rn. 19, ZIP 2021, 297).
Rz. 19
dd) Unabhängig davon, dass schon damit der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit des Verhaltens der für die Beklagte handelnden Personen nicht gegeben ist, hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ein besonders verwerfliches Verhalten auch im Hinblick auf eine unsichere Rechtslage bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Thermofensters ausgeschlossen.
Rz. 20
Bei einer Abschalteinrichtung, die - wie hier - im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für die Beklagte handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, so dass es bereits an der objektiven Sittenwidrigkeit fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20 Rn. 30 m.w.N., WM 2021, 2108).
Rz. 21
Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Rechtslage sei zweifelhaft, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zu Recht verweist das Berufungsgericht auf den Bericht der vom Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur eingesetzten "Untersuchungskommission Volkswagen", nach dem Thermofenster von allen Autoherstellern eingesetzt und mit dem Erfordernis des Motorschutzes begründet würden; insoweit sei ein Verstoß betreffend die Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 a VO (EG) Nr. 715/2007 nicht eindeutig (vgl. BMVI, Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen, Stand April 2016). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sich auf Vorlage eines französischen Gerichts mit der Frage der Auslegung der genannten Vorschrift befassen müssen (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - C-693/18, NJW 2021, 1216). Zutreffend nimmt das Berufungsgericht auch die breit geführte Diskussion um die Zulässigkeit und den erheblichen Aufwand, mit dem die Unzulässigkeit des Thermofensters begründet wird, in den Blick. Eine möglicherweise nur fahrlässige Verkennung der Rechtslage genügt aber für die Feststellung der besonderen Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten nicht.
Rz. 22
ee) Ebenso fehlt es an dem erforderlichen Schädigungsvorsatz. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt beziehungsweise vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen; in einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15 Rn. 25 m.w.N., NJW 2017, 250). Allein aus der hier zu unterstellenden objektiven Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters folgt kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer. Im Hinblick auf die unsichere Rechtslage ist nicht dargetan, dass sich den für die Beklagte tätigen Personen die Gefahr einer Schädigung des Klägers hätte aufdrängen müssen.
Rz. 23
c) Die weitere Feststellung des Berufungsgerichts, darüber hinaus trage der Kläger keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die Verwendung einer die Voraussetzungen für eine Haftung nach § 826 BGB erfüllenden unzulässigen Abschalteinrichtung vor, greift die Revision ebenfalls nicht erheblich an. Die dazu allein behauptete Überschreitung der Abgasgrenzwerte außerhalb des Prüfstands reicht nicht aus. Der sogenannte Real Driving Emission-Test (RDE) war bei der Erstzulassung des Klägerfahrzeugs noch nicht zu absolvieren, da er erst schrittweise ab dem 1.9.2017 eingeführt worden ist. Der Senat hat die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen (Art. 103 Abs. 1 GG) geprüft und erachtet sie nicht für durchgreifend. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
Rz. 24
Soweit die Revision die vom Landgericht getroffene Feststellung rügt, das KBA habe sich bei dem Rückruf nicht die Aufhebung der Typgenehmigung vorbehalten, sondern nur eine Nebenbestimmung dazu erlassen, zeigt sie insoweit keinen Berufungsangriff des Klägers auf. Ebenso wenig zeigt sie Vortrag des Klägers dazu auf, dass Grundlage des Rückrufs, von dem das Klägerfahrzeug betroffen war, eine prüfstandsbezogene Abschalteinrichtung gewesen sei.
Pamp Jurgeleit Sacher
Brenneisen C. Fischer
Hinweis: Die Sache wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Fundstellen
Dokument-Index HI16142998 |