Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergewaltigung
Tenor
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 6. Oktober 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.
Das Verfahren gegen den Angeklagten K. wird eingestellt, soweit dieser wegen des Geschehens am 1. Mai 2000 auf dem Parkplatz in H. (Geschlechtsverkehr der Nebenklägerin mit dem Türken „A.” in dessen Fahrzeug) verurteilt worden ist. Insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen dieses Angeklagten der Staatskasse zur Last.
Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen schweren Menschenhandels in Tateinheit mit Vergewaltigung in fünf Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und den Angeklagten D. wegen Beihilfe zum schweren Menschenhandel in Tateinheit mit Vergewaltigung in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit ihren hiergegen gerichteten Revisionen rügen die Angeklagten jeweils die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Beide Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg, so daß es eines Eingehens auf die Verfahrensrügen nicht bedarf.
1. Nach den Feststellungen fragte der Angeklagte D. am Nachmittag oder Abend des 29. April 2000 den Angeklagten K., ob dieser ihm Kontakt zu einer Frau vermitteln könne, die zu sexuellem Verkehr mit ihm bereit sei. Der Angeklagte K. rief die Nebenklägerin an, die ihm ihre Wohnung einige Wochen lang als Unterkunft überlassen hatte, und vereinbarte mit ihr noch für denselben Abend ein Treffen, bei welchem die Nebenklägerin die Wohnungsschlüssel zurückerhalten solle. Nachdem die Angeklagten die Nebenklägerin getroffen hatten, fuhren sie im Pkw des Angeklagten D. zu der Arbeitsstelle des Angeklagten K., wo sich die Wohnungsschlüssel angeblich befanden. Spätestens während dieser Fahrt faßte der Angeklagte K. den Entschluß, die Nebenklägerin „sexuell zu mißbrauchen und auszubeuten”, indem er sie auf seine Rechnung als Prostituierte arbeiten ließ. Durch die Drohung, er werde sie und ihre Familie fertig machen und umbringen, wenn sie sich widersetze, im weiteren Verlauf aber auch durch Tätlichkeiten brachte der Angeklagte K. die Nebenklägerin dazu, in der Wohnung des Zeugen M. mit ihm und dem Angeklagten D. den Geschlechtsverkehr zu vollziehen sowie mit dem Zeugen M. andere sexuelle Handlungen vorzunehmen. Daß für diese sexuellen Handlungen ein Entgelt gezahlt wurde oder werden sollte, ist nicht festgestellt. Der Angeklagte K. ließ sich allerdings von der Vorstellung leiten, daß die Nebenklägerin künftig keinen Widerstand mehr leisten werde, sei sie erst einmal mehrfach und in kurzer Zeit zu sexuellen Handlungen gezwungen worden. Dem Angeklagten D. war bereits durch das Verhalten des Angeklagten K. während der Autofahrt zu der auf seinen Vorschlag aufgesuchten Wohnung des Zeugen M. bewußt geworden, daß der Angeklagte K. sich die Nebenklägerin gegebenenfalls auch unter Einsatz körperlicher Gewalt sexuell gefügig machen und sie ausbeuten wolle. Er billigte dies, weil er unbedingt mit der Nebenklägerin den Geschlechtsverkehr vollziehen wollte, und entschloß sich daher, den Angeklagten K. zu unterstützen.
Außerdem mußte die Nebenklägerin in dieser Nacht noch mit dem Zeugen G., dem der Angeklagte K. Geld schuldete, zweimal den Geschlechtsverkehr ausüben. Die Angeklagten verbrachten die Nebenklägerin schließlich in deren Wohnung, wo jeder mit ihr nochmals den Geschlechtsverkehr vollzog, und ließen sie dort sodann allein zurück. Sie holten sie, wie vom Angeklagten K. bereits am Vortag angekündigt, in den Nachmittagsstunden des 30. April 2000 wieder ab und fuhren sie im Pkw des Angeklagten D. zu dem Zeugen Ka., mit dem der Angeklagte K. vereinbart hatte, er werde ihm die Nebenklägerin zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs gegen Entgelt zuführen. Der Angeklagte D. „vermutete entsprechende Zusammenhänge zumindest, nahm sie billigend in Kauf und leistete die erforderlichen Fahrdienste, weil er sich dadurch die Möglichkeit zu weiterem Geschlechtsverkehr erhoffte”. Die Nebenklägerin vollzog mit Ka. den Geschlechtsverkehr und wurde sodann zu ihrer Wohnung zurückgebracht. Der Angeklagte K. erhielt von Ka. als Gegenleistung mindestens 60 DM.
Am Abend des 1. Mai 2000 holte der Angeklagte K. in Begleitung eines unbekannten Türken die Nebenklägerin wiederum in deren Wohnung ab. Man fuhr in dem Pkw des Türken zu einem Parkplatz bei der „P.”, wo der Angeklagte K. das Fahrzeug verließ. Der unbekannte Türke wollte nunmehr mit der Nebenklägerin in seinem Pkw den Geschlechtsverkehr ausüben, argwöhnte aufgrund deren Verhaltens jedoch, sie sei hierzu nicht aus freiem Willen bereit. Er stieg aus und führte mit dem Angeklagten K. ein streitiges Gespräch, worauf dieser zu der Nebenklägerin in das Fahrzeug stieg, sie an den Haaren zog und auf sie einschlug. Hierdurch wollte er erreichen, daß die Nebenklägerin nicht durch eine entsprechende Körpersprache ihrem Unwillen an der Ausübung der sexuellen Handlung Ausdruck verlieh. Die Nebenklägerin hielt daraufhin Gegenwehr für zwecklos und vollzog mit dem unbekannten Türken den Geschlechtsverkehr. Zur Höhe des dem Angeklagten K. gezahlten Entgelts konnten keine Feststellungen getroffen werden.
Der unbekannte Türke fuhr den Angeklagten K. und die Nebenklägerin sodann zu einem Parkplatz in H., wo nach einem Telefonat mit dem Angeklagten K. ein Türke namens „A.” erschien und in seinem Fahrzeug mit der Nebenklägerin, die wiederum auf jegliche Gegenwehr verzichtete, den Geschlechtsverkehr vollzog. Zur Höhe des Entgelts für den Angeklagten K. konnten keine Feststellungen getroffen werden.
Schließlich verbrachte der Angeklagte die Nebenklägerin mit einem weiteren unbekannten Türken zu deren Wohnung und erklärte ihr sinngemäß, sie wisse schon, was sie zu tun habe. Die Nebenklägerin nahm den Unbekannten aus Angst vor Zuwiderhandlungen gegen die Anweisungen des Angeklagten K. mit in ihre Wohnung und übte mit jenem dort den Geschlechtsverkehr aus. Der unbekannte Türke hatte dem Angeklagten während der Fahrt oder später vor der Wohnung der Nebenklägerin 150 DM übergeben.
Am 2. Mai 2000 verbrachten beide Angeklagten die Nebenklägerin im Fahrzeug des Angeklagten K., der seine Fahrdienste aus denselben Gründen wie am 30. April 2000 leistete, erneut zu dem Zeugen Ka.. Dieser vollzog im Schlafzimmer seiner Wohnung den Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin, die dies über sich ergehen ließ, weil sie sich wegen der früheren Einschüchterungsmaßnahmen des Angeklagten K. nicht traute, dessen Willen zuwiderzuhandeln. Als die Nebenklägerin danach wieder im Wohnzimmer erschien, war der Angeklagte K. aufgebracht, weil er fand, die Nebenklägerin sei nicht lange genug bei Ka. geblieben. Um ihre Angst zu vertiefen, zog er sie an den Haaren und schlug ihr mit der Hand ins Gesicht. Anschließend verlangte er, daß sie nochmals mit Ka. den Geschlechtsverkehr ausübe, was die Nebenklägerin, die sich nicht zu widersetzen wagte, erneut tat. Der Angeklagte K. erhielt von Ka. für die „Überlassung” der Nebenklägerin 60 DM.
Am 3. Mai 2000 erschienen beide Angeklagten in der Wohnung der Nebenklägerin. Auf Aufforderung des Angeklagten D. vollzog die Nebenklägerin mit diesem den Geschlechtsverkehr. Die Nebenklägerin gab sich ihm „aus denselben Gründen wie in den Fällen zuvor” hin. Der Angeklagte D. nutzte bewußt die Tatsache aus, „daß sich die Nebenklägerin der Einwirkung des Angeklagten K. schutzlos ausgeliefert sah, weil jener sich in der Wohnung befand und sie die Anwendung von Gewalt gegen sich fürchtete”.
Am nächsten Tag erstattete die Nebenklägerin bei der Polizei Anzeige gegen die Angeklagten.
2. Das Landgericht ist der Ansicht, der Angeklagte K. habe sich auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts einer einzigen Tat des schweren Menschenhandels in Tateinheit mit Vergewaltigung in fünf Fällen schuldig gemacht. Es sieht die fünf Vergewaltigungen darin, daß die Nebenklägerin gegen ihren Willen am 29. April 2000 je zweimal zum Geschlechtsverkehr mit beiden Angeklagten und am 1. Mai 2000 auf dem Parkplatz in H. zum Geschlechtsverkehr mit dem Türken „A.” gezwungen worden sei. Die Vergewaltigungen stünden in Tateinheit mit dem schweren Menschenhandel, da die Einzelakte der „Menschenhandelstat” sich mit den Vergewaltigungen deckten und sie daher zu einem tateinheitlichen Geschehen klammerten. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
Die Verurteilung des Angeklagten K. wegen schweren Menschenhandels (§ 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB) kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil sich den Feststellungen nicht mit der gebotenen Sicherheit entnehmen läßt, ob und gegebenenfalls ab welchem Zeitpunkt die Nebenklägerin aufgrund von Nötigungshandlungen dieses Angeklagten die Prostitution aufgenommen hat oder durch derartige Handlungen zur Fortsetzung der Prostitution gebracht wurde. Darüber hinaus sind nicht für alle als Vergewaltigung abgeurteilten Taten die Voraussetzungen des § 177 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB belegt. Des weiteren hat das Landgericht das Konkurrenzverhältnis der abgeurteilten Taten unzutreffend beurteilt. Für eine Aburteilung der Geschehnisse vom 1. Mai 2000 auf dem Parkplatz in H. (Geschlechtsverkehr der Nebenklägerin mit dem Türken „A.”) fehlt es schon an der Verfahrensvoraussetzung einer zugelassenen Anklage.
a) Des schweren Menschenhandels gemäß § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich unter anderem schuldig, wer eine andere Person durch Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution bestimmt. Die Prostitution übt aus, wer auf gewisse, nicht unbedingt längere Dauer wiederholt mit wechselnden Partnern sexuelle Handlungen gegen Entgelt vornimmt (BGH NStZ 2000, 86; 2000, 368, 369), wobei es ohne Belang ist, wo und wie die Partner geworben werden und wer das Entgelt kassiert (vgl. jew. m.w.Nachw. Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 180 a Rdn. 5; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 180 a Rdn. 2). Aufgenommen wird die Prostitutionsausübung mit der ersten Handlung des Tatopfers, die unmittelbar auf eine derartige entgeltliche sexuelle Handlung abzielt (BGH NStZ 2000, 86, 87; NStZ-RR 1997, 294; BGHR StGB § 181 a Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 3). Wird das Tatopfer durch eine der in § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB genannten Nötigungsmittel zur Aufnahme der Prostitution bestimmt, ist bereits mit der ersten derartigen Handlung das Verbrechen des schweren Menschenhandels vollendet und abgeschlossen; denn bei § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB handelt es sich nicht um ein Dauerdelikt, das sich über den gesamten Zeitraum der erzwungenen Prostitutionsausübung erstreckt und bei dem wiederholte Nötigungshandlungen gegen das Tatopfer als unselbständige Einzelakte einer einheitlichen Tat gewertet werden könnten. Setzt der Täter daher zur Erzwingung weiterer sexueller Handlungen des Tatopfers wiederum Gewalt oder Drohungen ein, macht er sich erneut nach § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Tatvariante des Bestimmens zur Fortsetzung der Prostitution strafbar, wenn die Weigerung des Opfers zur Vornahme der sexuellen Handlungen darauf beruht, daß es die Prostitutionsausübung aufgeben will (vgl. BGHR StGB § 181 a Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 3).
b) Die Feststellungen des Landgerichts belegen nicht, ob und durch welche Handlungen konkret die Nebenklägerin aufgrund des nötigenden Verhaltens des Angeklagten K. die Prostitution aufgenommen oder – nach Aufnahme der Prostitution und dem Entschluß, diese wieder aufzugeben – fortgesetzt hat. Das Landgericht hat sich den Blick auf eine zutreffende rechtliche Bewertung des Tatgeschehens von vornherein dadurch verstellt, daß es den schweren Menschenhandel nach § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB fälschlich als Dauerdelikt angesehen und auf dieser Grundlage eine über den gesamten Tatzeitraum andauernde einheitliche Straftat nach § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB angenommen hat, die alle aus seiner Sicht während dieses Zeitraums gegen die Nebenklägerin begangenen weiteren Taten nach § 177 StGB zu Tateinheit verklammert. Abgesehen davon, daß es bereits äußerst zweifelhaft erscheint, ob das mit einer geringeren Strafandrohung versehene Verbrechen nach § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB für sich selbständige Taten nach § 177 StGB überhaupt zu Tateinheit verklammern kann, hat das Landgericht nicht differenziert, durch welches individuelle Nötigungsmittel der Angeklagte K. der Nebenklägerin je welche konkrete Handlung abgezwungen hat, und es daher unterlassen, auf dieser Grundlage die einzelnen Handlungen des Angeklagten unter die jeweils zutreffenden Strafnorm(en) zu subsumieren. Im einzelnen:
Soweit der Angeklagte K. die Nebenklägerin am Abend des 29. April 2000 zunächst durch Drohungen und später auch durch Tätlichkeiten zum mehrmaligen Geschlechtsverkehr mit ihm, dem Angeklagten D. und dem Zeugen G. sowie zu sonstigen sexuellen Handlungen mit dem Zeugen M. veranlaßte, belegen die Feststellungen zwar hinreichend eine Strafbarkeit des Angeklagten K. nach § 177 Abs. 1 StGB und, soweit er selbst mit ihr den Geschlechtsverkehr ausübte, auch nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB. Jedoch beinhaltet dieses Tatgeschehen schon deshalb keine Aufnahme der Prostitution durch die Nebenklägerin, weil die sexuellen Handlungen nicht gegen Entgelt vorgenommen wurden oder vorgenommen werden sollten. Allein der Umstand, daß der Angeklagte K. die sexuellen Handlungen auch deswegen erzwang, um die Nebenklägerin für eine künftige Prostitutionsausübung gefügig zu machen, genügt zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht.
Zwar hat der Zeuge Ka. für die Ausübung des Geschlechtsverkehrs mit der Nebenklägerin am 30. April 2000 an den Angeklagten K. 60 DM gezahlt. Damit ist jedoch noch nicht belegt, daß die Nebenklägerin durch den sexuellen Kontakt zu dem Zeugen die Prostitution aufnahm. Denn es ist weder festgestellt, daß die Nebenklägerin Kenntnis von der Zahlung des Zeugen erlangte, noch, daß sie davon ausging, in der Folge werde es zumindest für eine gewisse Dauer zu gleichen oder anderen entgeltlichen sexuellen Handlungen mit anderen Personen kommen. Ähnliches gilt bezüglich der weiteren sexuellen Handlungen der Nebenklägerin am 1. und 2. Mai 2000.
Die Ausübung des Geschlechtsverkehrs durch den Angeklagten D. mit der Nebenklägerin in deren Wohnung am 3. Mai 2000 war wiederum unentgeltlich und kann daher schon aus diesem Grunde wiederum nicht als Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitutionsausübung bewertet werden.
Nach den bisherigen Feststellungen des Landgerichts bleibt damit offen, durch welche Handlung konkret die Nebenklägerin die Prostitutionsausübung aufgenommen haben soll bzw. erkannt hat, daß sie für eine gewisse Dauer wiederholt und mit wechselnden Partnern sexuelle Handlungen gegen Entgelt vornehmen sollte. Hinzu kommt folgendes: Wenn die Nebenklägerin – etwa durch den Geschlechtsverkehr mit dem Zeugen Ka. am 30. April 2000 – die Prostitution aufgenommen haben sollte, wäre nach den oben dargelegten Grundsätzen damit das Verbrechen des schweren Menschenhandels vollendet. Allein dadurch, daß er der Nebenklägerin danach weitere Freier zuführte, hätte der Angeklagte K. sich nicht erneut nach § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht (vgl. BGH NStZ-RR 2001, 170, 171). Dies käme vielmehr nur dann in Betracht, wenn die Nebenklägerin zwischenzeitlich den Entschluß gefaßt hätte, die Prostitution aufzugeben, und der Angeklagte K. sie durch eines der in § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB genannten Tatmittel zu einer erneuten entgeltlichen sexuellen Handlung mit einem Dritten und damit gleichzeitig zur Fortsetzung der Prostitution bestimmte. Hierin läge dann aber grundsätzlich eine selbständige Tat, die zu dem ersten – in der Tatbestandsalternative des Bestimmens zur Prostitutionsaufnahme begangenen – Verbrechen des schweren Menschenhandels in Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB) stünde (Lenckner/Perron aaO § 181 Rdn. 18 a. E.) und wegen Erzwingens der sexuellen Handlung tateinheitlich mit einer sexuellen Nötigung nach § 177 Abs. 1 StGB zusammentreffen könnte.
Die Verurteilung des Angeklagten K. wegen schweren Menschenhandels kann daher keinen Bestand haben. Schon dies führt zur Aufhebung auch des Schuldspruchs wegen der vom Landgericht tateinheitlich hierzu abgeurteilten Vergewaltigung in fünf Fällen (vgl. BGHR StPO § 353 Aufhebung 1; Kuckein in KK 4. Aufl. § 353 Rdn. 12 m.w.Nachw.). Im übrigen hat das Landgericht verkannt, daß eine Verurteilung des Angeklagten K. wegen Vergewaltigung (§ 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB) nur in den Fällen in Betracht kommt, in denen er selbst mit der Nebenklägerin den Geschlechtsverkehr vollzog (BGH NStZ 1999, 452 f.). Soweit er die Nebenklägerin zum Geschlechtsverkehr mit einem anderen nötigte, ist der Angeklagte daher auch dann nur der sexuellen Nötigung gemäß § 177 Abs. 1 StGB schuldig zu sprechen, wenn er und der Dritte mittäterschaftlich handelten und deswegen das Regelbeispiel des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB erfüllt ist.
c) Soweit der Angeklagte K. wegen der Geschehnisse am 1. Mai 2000 auf dem Parkplatz in H. (wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem Menschenraub) verurteilt wurde, ist das Verfahren gemäß § 260 Abs. 3 StPO einzustellen; denn es fehlt insoweit an der Verfahrensvoraussetzung einer zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage.
Die Vorgänge auf dem Parkplatz in H. sind nicht Gegenstand der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Hannover vom 13. Juli 2000. Nachtragsanklage wurde nicht erhoben. Dies wäre indessen erforderlich gewesen. Wenn sich der Angeklagte K. dadurch, daß er die Nebenklägerin zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs mit dem Türken „A.” auf dem genannten Parkplatz veranlaßte, tatsächlich nach § 177 StGB und gegebenenfalls auch nach § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben sollte, läge hierin nämlich (im Gegensatz zu dem einheitlichen Geschehen in der Wohnung des Zeugen Ka. am 2. Mai 2000, zu dem das Landgericht von der zugelassenen Anklage abweichende Feststellungen lediglich über den Sexualpartner der Nebenklägerin beim zweiten Geschlechtsverkehr trifft) eine gesonderte Tat im prozessualen Sinne des § 264 Abs. 1 StGB; denn § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist kein Dauerdelikt und bei den genannten Geschehnissen handelt es sich um einen selbständigen Lebenssachverhalt, der sich nach Tatort, Tatzeit und Sexualpartner der Nebenklägerin von den anderen in der Anklageschrift dargestellten Vorgängen unterscheidet, sich insbesondere deutlich von den vorangegangenen Geschehnissen auf dem Parkplatz bei der „P.”und den nachfolgenden Ereignissen auf der Fahrt zu und anschließend vor und in der Wohnung der Nebenklägerin abhebt.
Daß der Angeklagte K. durch eine einheitliche, über den gesamten Tatzeitraum fortwirkende Nötigungshandlung im Sinne des § 177 Abs. 1 StGB sämtliche festgestellten sexuellen Handlungen der Nebenklägerin mit ihm, dem Mitangeklagten D. oder Dritten erzwungen (vgl. Lenckner/Perron aaO § 177 Rdn. 28 m.w.Nachw.) und auf diese Weise ein einheitliches Verbrechen gemäß § 177 StGB begangen hätte, ist ebenfalls nicht festgestellt. Vielmehr liegen zwischen den der Nebenklägerin abverlangten sexuellen Handlungen teilweise deutliche Zäsuren, insbesondere die Nächte zwischen den Tattagen, die die Nebenklägerin von den Angeklagten unbehelligt allein in ihrer Wohnung verbrachte. Allerdings ist es nach den Feststellungen auch nicht ausgeschlossen, daß einige der festgestellten sexuellen Handlungen, insbesondere solche des ersten Tattages, zu Tateinheit zusammenzufassen sind.
3. Die Verurteilung des Angeklagten D. wegen Beihilfe zum schweren Menschenraub in Tateinheit mit Vergewaltigung in drei Fällen, kann schon deswegen keinen Bestand haben, weil eine vollendete Haupttat des Angeklagten K. nach § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht rechtsfehlerfrei festgestellt wurde und die daher gebotene Aufhebung des Schuldspruchs gegen den Angeklagten D. nach § 181 Abs. 1 Nr. 1, § 27 StGB auch auf die tateinheitlich mitabgeurteilten drei Fälle der Vergewaltigung zu erstrecken ist (s. oben).
Der Schuldspruch wegen Beihilfe zum schweren Menschenhandel hätte jedoch unabhängig hiervon rechtlicher Prüfung aufgrund der Sachrüge nicht standgehalten; denn die diesbezügliche Beweiswürdigung des Landgerichts ist rechtsfehlerhaft. Seine Überzeugung, der Angeklagte D. habe erkannt, daß der Angeklagte K. die Nebenklägerin durch Gewalt bzw. Drohungen zur Aufnahme (oder später gegebenenfalls zur Fortsetzung) der Prostitution bestimmen wollte, findet in den Feststellungen keine hinreichende Stütze. Es handelt sich insoweit lediglich um eine Vermutung ohne hinreichende tatsächliche Grundlage. Allein die Tatsache, daß der Angeklagte D. die Nötigungshandlungen des Angeklagten K. gegen die Nebenklägerin wahrnahm und sich an den sexuellen Übergriffen gegen diese beteiligte, belegt für sich nicht, daß er auch die vom Angeklagten K. mit der Nötigung verbundene Absicht erkannte, über das unmittelbare Ziel der Erzwingung sexueller Handlungen hinaus die Nebenklägerin der Prostitution zuzuführen und hierfür gefügig zu machen. Das Landgericht legt dementsprechend auch nicht dar, auf welche durch die Beweisaufnahme nachgewiesenen Tatsachen es seine Überzeugung stützt, der Angeklagte D. habe bereits während der ersten Pkw-Fahrt am 29. April 2000 erkannt, daß der Angeklagte K. die Nebenklägerin habe sexuell gefügig und (gemeint wohl: finanziell) ausbeuten wollen (UA S. 6), bzw. der Angeklagte D. habe am 30. April 2000 auf der Fahrt zu dem Zeugen Ka., dem der Angeklagte K. die Nebenklägerin zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs gegen Entgelt zuführte, „entsprechende Zusammenhänge zumindest” vermutet (UA S. 12). Diesem Punkt wird in der neuen Hauptverhandlung größere Aufmerksamkeit zuzuwenden sein.
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat noch auf folgendes hin:
Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten K. jeden der in der Anklageschrift aufgeführten Sexualkontakte der Nebenklägerin mit einem der Angeklagten oder Dritten als Straftat nach § 177 StGB angelastet und ihm schweren Menschenhandel in Tateinheit mit vierzehn rechtlich zusammentreffenden Fällen der sexuellen Nötigung bzw. Vergewaltigung vorgeworfen. Obwohl die vom Landgericht zu den sexuellen Handlungen der Nebenklägerin getroffenen Feststellungen weitgehend mit der Tatschilderung des Anklagesatzes übereinstimmen, hat das Landgericht diesen Angeklagten allein wegen des zweifachen Geschlechtsverkehrs der Nebenklägerin mit jedem der beiden Angeklagten am 29. April 2000 und wegen des Geschlechtsverkehrs der Nebenklägerin mit dem Türken „A.” am 1. Mai 2000 jeweils der Vergewaltigung schuldig gesprochen. Warum es in den übrigen Fällen, in denen die Nebenklägerin unter der Einwirkung des Angeklagten K. sexuelle Handlungen mit anderen vornahm, eine Strafbarkeit dieses Angeklagten unter diesem Gesichtspunkt verneint hat, teilt das Urteil nicht mit, obwohl es vor allem im Hinblick auf die festgestellten Tätlichkeiten des Angeklagten K. am 1. Mai 2000 (Geschehnisse auf dem Parkplatz bei der „P.”) und 2. Mai 2000 (Vorfälle in der Wohnung des Zeugen Ka.) nahelag, daß der Angeklagte K. die Nebenklägerin zumindest in diesen Fällen durch Gewalt zu sexuellen Handlungen mit einem Dritten nötigte.
Um der gerichtlichen Kognitionspflicht (§ 264 Abs. 1 StPO) zu genügen und die Anklage zu erschöpfen, wird demgemäß in der neuen Hauptverhandlung hinsichtlich jeden Sexualkontakts, den die Nebenklägerin unter dem Einfluß des Angeklagten K. einging, zu prüfen sein, ob und gegebenenfalls durch welches der in § 177 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB genannten Nötigungsmittel er der Nebenklägerin von diesem Angeklagten abgezwungen wurde.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Miebach, RiBGH Winkler ist urlaubsbedingt ortsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert. Rissing-van Saan, von Lienen, Becker
Fundstellen