Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Urteil vom 26.01.2010) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 26. Januar 2010, soweit es ihn betrifft,
- aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in vier Fällen verurteilt worden ist; insoweit wird das Verfahren eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
- im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung, der sexuellen Nötigung, der gefährlichen Körperverletzung und der Körperverletzung schuldig ist, und
- mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben im Strafausspruch hinsichtlich der Einzelstrafe für die Tat II. 1. b) und der Gesamtstrafe sowie im Maßregelausspruch; die Maßregel entfällt.
2. Auf die Revision der Angeklagten Y. wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 26. Januar 2010, soweit es sie betrifft,
- im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte im Fall II. 1. b) der Urteilsgründe der sexuellen Nötigung schuldig ist,
- im Ausspruch über die Einzelstrafe für die Tat II. 1. b) der Urteilsgründe und im Gesamtstrafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung der Strafaussprüche wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung, wegen gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung und vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in vier Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus einem Strafbefehl zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten und die Angeklagte Y. wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Es hat angeordnet, dass von den verhängten Gesamtfreiheitsstrafen bei dem Angeklagten B. sechs Monate und bei der Angeklagten Y. vier Monate als vollstreckt gelten, und des Weiteren die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten B. vor Ablauf von vier Jahren keine Fahrerlaubnis zu erteilen. Hiergegen richten sich die jeweils mit der Sachrüge begründeten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Soweit der Angeklagte B. wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in vier Fällen verurteilt worden ist, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren wegen eingetretener Verfolgungsverjährung einzustellen.
Rz. 3
Die abgeurteilten Trunkenheitsfahrten beging der Angeklagte im Mai, September und Oktober 2005 sowie im Februar 2006. Der Lauf der dreijährigen Frist des § 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB für die Verfolgungsverjährung wurde jeweils durch die Anklageerhebungen zum Amtsgericht am 14. November 2005, 27. März und 7. April 2006 sowie für die Tat vom Mai 2005 darüber hinaus durch den Eröffnungsbeschluss des Amtsgerichts vom 21. März 2006 unterbrochen. Weitere Unterbrechungshandlungen erfolgten in den jeweils dem Landgericht zur Übernahme vorgelegten Verfahren nicht, so dass die Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB bezüglich sämtlicher Taten zum Zeitpunkt der Verbindung der Verfahren mit dem beim Landgericht anhängigen Verfahren am 17. September 2009 bereits abgelaufen war. Prozesshandlungen, welche – wie die Beauftragung eines Sachverständigen zur Klärung der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten B. am 9. Januar 2007 – vor der Verbindung in dem beim Landgericht anhängigen Strafverfahren vorgenommen wurden, konnten hinsichtlich der Taten der Trunkenheit im Verkehr keine verjährungsunterbrechende Wirkung entfalten, weil sie in einem anderen getrennt geführten Verfahren erfolgten (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 1992 – 3 StR 110/92, StV 1993, 71; Schmid in LK 12. Aufl. § 78 c Rdn. 2) und zudem andere prozessuale Taten betrafen (vgl. Schmid aaO Rdn. 15 m.w.N.).
Rz. 4
Die Teileinstellung des Verfahrens hat die Aufhebung des Maßregelausspruchs zur Folge und führt, da die Anordnung einer Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis nach § 69 a StGB wegen der von der Einstellung nicht berührten Taten des Angeklagten aus Rechtsgründen nicht in Betracht kommt, zum Entfallen der Maßregel.
Rz. 5
2. Der Schuldspruch gegen die Angeklagten wegen Vergewaltigung im Fall II. 1. b) der Urteilsgründe kann keinen Bestand haben.
Rz. 6
Nach den Urteilsfeststellungen zwangen die Angeklagten das Tatopfer mit Schlägen dazu, an einem Dritten den Oralverkehr auszuführen. Zur Verwirklichung des Regelbeispiels des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB ist aber erforderlich, dass der Täter die als Vergewaltigung zu qualifizierende sexuelle Handlung entweder selbst am Opfer vornimmt oder vom Opfer an sich vornehmen lässt (BGH, Urteil vom 22. April 1999 – 4 StR 3/99, NStZ 1999, 452; vgl. Fischer StGB 57. Aufl. § 177 Rdn. 72). Dass die Angeklagten die gewaltsame Nötigung zum Oralverkehr gemeinschaftlich begingen und damit das Regelbeispiel des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB erfüllten, vermag einen Schuldspruch wegen Vergewaltigung nicht zu tragen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2009 – 4 StR 531/08, NStZ-RR 2009, 278).
Rz. 7
Die Angeklagten haben sich im Fall II. 1. b) der Urteilsgründe damit jeweils der sexuellen Nötigung schuldig gemacht. Die Schuldspruchänderung kann der Senat selbst vornehmen; § 265 StPO steht nicht entgegen.
Rz. 8
Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der für die Tat II. 1. b) der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und – neben der Teileinstellung des Verfahrens gegen den Angeklagten B. – zur Aufhebung der Gesamtstrafenaussprüche. Die Strafkammer, die auch bei der Bemessung der Einzelstrafen für die zutreffend als Vergewaltigung gewertete Tat II. 1. a) der Urteilsgründe die Erfüllung beider Regelbeispiele des § 177 Abs. 2 Satz 2 StGB zu Lasten der Angeklagten herangezogen hat, hat bei der Bestimmung der gegen den Angeklagten B. zu verhängenden Einzelstrafe für die Tat II. 1. b) der Urteilsgründe ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt, dass beide Regelbeispiele nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 StGB verwirklicht seien. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass sich die fehlerhafte Annahme des Regelbeispiels des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB im Rahmen der Strafzumessung zum Nachteil der Angeklagten ausgewirkt hat. Das gilt angesichts der in gleicher Höhe festgesetzten Einzelstrafe auch für die Angeklagte Y., obgleich der unzutreffend als verwirklicht angesehene Regelfall des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB in den sie betreffenden Urteilsausführungen zur Bemessung der Einzelstrafe nicht ausdrücklich angeführt wird.
Unterschriften
Ernemann, Solin-Stojanović, Roggenbuck, Mutzbauer, Bender
Fundstellen
Haufe-Index 2419592 |
NStZ-RR 2010, 363 |