Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

Anrechte beim Schleswig-Holsteinischen Versorgungswerk für Rechtsanwälte sind volldynamisch und daher ohne Umrechnung des Wertes auszugleichen.

 

Normenkette

BGB § 1587a Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Pinneberg

Schleswig-Holsteinisches OLG

 

Tenor

Die weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 4. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 12. April 1994 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die für die Antragsgegnerin zu begründenden Anwartschaften lediglich monatlich 28,58 DM betragen.

Der Antragsteller trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Beschwerdewert: 1.000 DM.

 

Gründe

I.

Die Parteien haben am 21. Februar 1980 geheiratet. Am 29. Oktober 1988 ist der Ehefrau (Antragsgegnerin) der Scheidungsantrag des Ehemannes (Antragsteller) zugestellt worden.

In der Ehezeit (1. Februar 1980 bis 30. September 1988, § 1587 Abs. 2 BGB) hat die Ehefrau Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (weitere Beteiligte zu 1 – BfA) erworben, die vom Versorgungsträger in erster Instanz mit monatlich 71,20 DM, in zweiter Instanz (nach neuem Recht) mit monatlich 69,66 DM angegeben worden sind. Der Ehemann, von Beruf Rechtsanwalt, ist seit 1. Januar 1985 Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Versorgungswerks für Rechtsanwälte (weiterer Beteiligter zu 2 – RVSH); bis einschließlich 1988 hat er Beiträge von insgesamt 17.153,76 DM geleistet.

Das Amtsgericht – Familiengericht – hat durch Verbundurteil die Ehe der Parteien geschieden und u.a. den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß zu Lasten der Versorgungsanwartschaft des Ehemannes bei der RVSH für die Ehefrau auf deren Konto bei der BfA monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 28,58 DM begründet werden. Dabei ist es entsprechend einer Auskunft des RVSH davon ausgegangen, daß der Ehemann in diesem Versorgungswerk ehezeitliche Versorgungsanrechte in Höhe von monatlich 128,35 DM erworben hat; es hat angenommen, diese seien volldynamisch und daher ohne Umrechnung in den Ausgleich einzubeziehen.

Der Ehemann hat gegen die Regelung des Versorgungsausgleichs Beschwerde eingelegt, mit der er geltend gemacht hat, seine Anrechte beim RVSH seien nicht als volldynamisch zu beurteilen.

Das Oberlandesgericht ist dem nicht gefolgt; hinsichtlich der Bewertung der von der Ehefrau erworbenen Anwartschaften bei der BfA hat es seiner Entscheidung die zweitinstanzlich erteilte Auskunft zugrunde gelegt und das Quasisplitting zugunsten der Ehefrau auf einen Monatsbetrag von 29,35 DM erhöht.

Mit der – zugelassenen – weiteren Beschwerde verfolgt der Ehemann seinen in zweiter Instanz vertretenen Rechtsstandpunkt weiter.

II.

Das Rechtsmittel bleibt im wesentlich erfolglos.

1. Im Rahmen der Prüfung, ob die Versorgungsanrechte des Ehemannes bei dem RVSH im Leistungsstadium volldynamisch sind, hat das Oberlandesgericht die Steigerungsraten der laufenden Renten dieses Versorgungswerks mit denen der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung verglichen und dazu folgendes festgestellt:

Jahr

gesetzt. RV

Beamtenvers.

RVSH

1987

3,7 %

3,3 %

1987/88:

5,26 %

1988

3,0 %

2,3 %

1988/89:

5,74 %

1989

3,0 %

1,3 %

1989/90:

3,28 %

1990

3,1 %

1,7 %

1990/91:

6,8 %

ab 1.4.91:

./. 5,65 %

1991

4,5 %

5 % (ab 1.3.91 6 %)

1992

2,88 %

5,4%

1991/92:

4,62 %

1993

4,36 %

3 %

1992/93:

5,0 %

Aus diesem Vergleich ergebe sich, daß die Anpassungen des RVSH diejenigen der kraft Gesetzes volldynamischen Versorgungen noch übertroffen hätten. Es sei die Prognose gerechtfertigt, daß auch die künftig zu erwartenden Steigerungen nicht hinter denen der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung zurückblieben. Damit sei die Volldynamik der Anrechte des RVSH im Leistungsteil zu bejahen.

Diesen Ausführungen hält die weitere Beschwerde entgegen, das RVSH bestehe erst seit 1985, so daß eine gesicherte Prognose über die künftig zu erwartenden Anpassungen nicht möglich sei. 1993 seien erst 1.341 Mitglieder vorhanden gewesen; am Schluß dieses Jahres habe sich ein erheblicher Bilanzverlust ergeben. Damit kann die weitere Beschwerde nicht durchdringen. Im Vergleichszeitraum ist der volldynamische Charakter der laufenden Renten des RVSH eindeutig zu bejahen. Bei der vom Tatrichter anzustellenden Prognose, ob das Versorgungswerk auch künftig mit den Anpassungen der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung Schritt halten wird, dürfen zwar die Daten der Vergangenheit nicht einfach fortgeschrieben werden, es muß aber genügen, daß insoweit bei Berücksichtigung aller bedeutsamen Umstände hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht (vgl. Senatsbeschluß BGHZ 85, 194, 202 f). Daß sich eine Versorgung erst in der Anlaufphase befindet, rechtfertigt für sich naturgemäß nicht, den volldynamischen Charakter zu verneinen. Demgemäß hat der Senat bereits für das ebenfalls erst seit 1. Januar 1985 bestehende Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Land Nordrhein-Westfalen die erforderliche günstige Prognose nicht beanstandet (vgl. Senatsbeschluß vom 25. September 1991 – XII ZB 97/90 – FamRZ 1991, 1420, 1421). Auf die hierzu angestellten Erwägungen, die für die vorliegend zu beurteilende, gleichartig strukturierte Versorgung entsprechend gelten, kann verwiesen werden (ebenso in Erg. OLG Schleswig SchlHA 1992, 34; s.a. U. Kirchhoff in Festschrift für den Rechtsanwaltsverein Hannover S. 168, 174, wonach die Grundlagen der Rechtsanwaltsversorgungen denjenigen von anderen Formen der sozialen Sicherung eher überlegen sind). Es ist somit aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Oberlandesgericht die Anrechte des RVSH als im Leistungsstadium volldynamisch angesehen hat.

2. Die weiter erforderliche Dynamik im Anwartschaftsstadium hat das Oberlandesgericht im wesentlichen daraus hergeleitet, daß in § 13 Abs. 2 der Satzung des Versorgungswerks ein sogenannter Bemessungsmultiplikator vorgesehen ist, der jährlich von der Mitgliederversammlung beschlossen wird und dazu führt, daß die in früheren Jahren geleisteten Beiträge entsprechend an Wert gewinnen. Auch diese Beurteilung, gegen die die weitere Beschwerde keine substantiierten Einwendungen erhebt, ist nicht zu beanstanden. Die Satzung des RVSH sieht neben der Anpassung der laufenden Renten (§ 29 Abs. 5) in § 29 Abs. 4 auch eine solche der Rentenbemessungsgrundlage nach § 13 Abs. 2 vor, wenn die versicherungsmathematische Bilanz eine derartige Maßnahme in nennenswertem Umfang zuläßt. Nach der Auskunft des Versorgungswerks vom 28. Oktober 1993 ist in der Vergangenheit auf dieser Grundlage der erwähnte Bemessungsmultiplikator schrittweise von 4,3999637 auf 4,9 angehoben worden. Dadurch sind die Versorgungsanwartschaften des RVSH entsprechend im Wert gestiegen. Für die hierin liegende Dynamik ist nach der Satzung die allgemeine Leistungsfähigkeit des Versorgungswerks maßgebend, die wesentlich durch die Beitragsleistung aller Mitglieder bestimmt wird. Das einzelne Mitglied nimmt auf diese Weise über seine individuelle Beitragsleistung hinaus an der Einkommensentwicklung aller im Versorgungswerk zusammengefaßten Rechtsanwälte teil. Das ist mit der Anpassung der Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung an die allgemeine Einkommensentwicklung vergleichbar (vgl. dazu Senatsbeschluß vom 25. September 1991 aaO; Staudinger/Rehme BGB 12. Aufl. § 1587 a Rdn. 431). Es handelt sich nicht um bloße Beitragsdynamik, wobei das Mitglied z.B. infolge der Koppelung der Beiträge an die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. hier § 24 Abs. 1 der Satzung) mit deren Anhebung auch höhere Anwartschaften erwerben muß, was nach der ständigen Rechtsprechung des Senats für die Annahme einer Dynamik im Anwartschaftsstadium nicht ausreicht (vgl. etwa Senatsbeschluß vom 4. Oktober 1990 – XII ZB 115/88 – FamRZ 1991, 310, 312 m.w.N.). Vielmehr ist der Wertzuwachs an eine überindividuelle Entwicklung der finanziellen Grundlagen geknüpft (vgl. auch BGB-RGRK/Wick 12. Aufl. § 1587a Rdn. 362). Soweit im Schrifttum konkret zum RVSH Stellung genommen wird, wird die Volldynamik im Anwartschafts- und Leistungsstadium bejaht (vgl. Soergel/Zimmermann BGB 12. Aufl. § 1587a Rdn. 211 S. 933; MünchKomm/Glockner 3. Aufl. § 1587a Rdn. 399 S. 1351).

3. Soweit das Oberlandesgericht auf die Beschwerde des Ehemannes die für die Ehefrau bei der BfA zu begründenden Rentenanwartschaften von einem Monatsbetrag von 28,58 DM auf einen solchen von 29,35 DM erhöht hat, liegt darin ein Verstoß gegen das auch im Rechtsmittelverfahren über den Versorgungsausgleich geltende Verbot der Schlechterstellung des Rechtsmittelführers (vgl. Senatsbeschluß BGHZ 85, 180). Da die Ehefrau keine Beschwerde eingelegt und sich dem Rechtsmittel des Ehemannes auch nicht angeschlossen hat, konnte Ergebnis des Beschwerdeverfahrens nicht eine Erhöhung des Ausgleichsbetrages sein. Die weitere Beschwerde des Ehemannes, die im übrigen keinen Fehler zu seinem Nachteil aufdeckt, ist daher mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß es bei dem vom Amtsgericht ausgeworfenen Ausgleichsbetrag verbleibt.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI609866

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