Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidung über sofortige Beschwerde gegen Entscheidung des Kammervorsitzenden für Handelssachen nach § 349 Abs. 3 ZPO durch Senat des Rechtsbeschwerdegerichts
Leitsatz (amtlich)
Der nach § 349 Abs. 2, 3 ZPO anstelle der Kammer entscheidende Vorsitzende der Kammer für Handelssachen ist nicht Einzelrichter i. S. v. § 568 S. 1 ZPO. Über eine sofortige Beschwerde gegen dessen Entscheidung hat das Beschwerdegericht nicht durch eines seiner Mitglieder als (originärer) Einzelrichter (§ 568 S. 1 ZPO), sondern in der gem. § 122 GVG vorgeschriebenen Besetzung als Senatskollegium zu entscheiden.
Normenkette
ZPO § 349 Abs. 2-3, § 568
Verfahrensgang
KG Berlin (Beschluss vom 13.09.2002) |
LG Berlin |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Einzelrichters des 14. Zivilsenats des KG v. 13.9.2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht (Senat) zurückverwiesen.
Rechtsbeschwerdewert: bis 2.500 Euro.
Gründe
I. Der Kläger und R. S. waren Geschäftsführer und - mit Stimmrechtsanteilen von je 50 % - Gesellschafter der beklagten GmbH. Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob auf den Gesellschafterversammlungen der Beklagten v. 2. und 22.10.2001 der Kläger als Geschäftsführer wirksam aus wichtigem Grund abberufen worden ist. Nachdem der Kläger Klage auf Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise Nichtigerklärung der auf den Versammlungen (möglicherweise) gefassten Beschlüsse eingereicht hatte, haben er und S. einverständlich ihre Ämter als Geschäftsführer zum 30.11.2001 niedergelegt und neue Geschäftsführer bestellt. Nach Einzahlung des Gebührenvorschusses durch den Kläger und Zustellung der Klage haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen des LG hat durch Beschluss v.24.4.2002 die Kosten des Rechtsstreits den Parteien je zur Hälfte auferlegt. Dagegen haben beide Parteien sofortige Beschwerde eingelegt. Der Einzelrichter des Beschwerdegerichts hat die gesamten Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt und im Übrigen die Rechtsbeschwerde zugelassen, "weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO insoweit vorliegen, als es um die Grundsatzfrage der Entscheidungszuständigkeit des originären Einzelrichters geht und die vorliegende Entscheidung dazu von den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Karlsruhe und Zweibrücken (OLG Karlsruhe v. 23.4.2002 - 3A W 50/02, MDR 2002, 778 = NJW 2002, 1962; OLG Zweibrücken v. 18.6.2002 - 3 W 119/02, MDR 2002, 1152 = NJW 2002, 2722) abweicht". Mit der Rechtsbeschwerde rügt die Beklagte eine fehlerhafte Besetzung des Beschwerdegerichts und erstrebt in der Sache eine Änderung der Kostenentscheidung zu ihren Gunsten.
II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft.
Ihre Zulassung ist nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH nicht deshalb unwirksam, weil der Einzelrichter die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, obwohl er bei Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache das Verfahren gem. § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung hätte übertragen müssen; an eine unter Verstoß gegen § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO erfolgte Zulassung ist das Rechtsbeschwerdegericht gem. § 574 Abs. 3 S. 2 ZPO gleichwohl gebunden (BGH, Beschl. v. 13.3.2003 - IX ZB 134/02, MDR 2003, 588 = BGHReport 2003, 627 = WM 2003, 701; Beschl. v. 10.4.2003 - VII ZB 17/02, MDR 2003, 949 = BGHReport 2003, 901 = BB 2003, 1200; Beschl. v. 11.9.2003 - XII ZB 188/02, BGHReport 2003, 1363 = MDR 2004, 109 = BB 2003, 2372; Beschl. v. 18.9.2003 - V ZB 53/02, BGHReport 2004, 56 = MDR 2004, 43 = Umdr. S. 3, veröffentl. in juris).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
a) Die angefochtene Entscheidung des Einzelrichters unterliegt allerdings nicht schon der Aufhebung von Amts wegen, weil dieser sich die Entscheidungszuständigkeit des Kollegiums in der Zulassungsfrage willkürlich angemaßt hätte (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG). Zwar hat der originäre Einzelrichter i. S. d. § 568 S. 1 ZPO nach der oben zitierten Rechtsprechung des BGH - der sich der erk. Senat anschließt - bei Rechtssachen, denen er grundsätzliche Bedeutung beimisst, von Gesetzes wegen das Verfahren an das Kollegium zu übertragen; bejaht er gleichwohl mit der eigenen Zulassungsentscheidung zugleich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, so ist seine Entscheidung im Regelfall als objektiv willkürlicher Verstoß gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters anzusehen.
Die Nichtübertragung des Verfahrens auf das Senatskollegium stellt sich jedoch in der hier gegebenen besonderen Fallkonstellation nicht als objektiv willkürlich dar. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass das Grundsatzproblem der Rechtssache gerade die - vorgelagerte - Frage der (eigenen) Entscheidungszuständigkeit des originären Einzelrichters als Beschwerderichter i. S. d. § 568 S. 1 ZPO gegen Entscheidungen des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen betraf. In dieser - vom Gesetzgeber nicht bedachten - besonderen Situation erweist sich das Vorgehen des Einzelrichters bei objektiver Betrachtung nicht als unverständlich und offensichtlich unhaltbar (BGH v. 5.10.1982 - X ZB 4/82, BGHZ 85, 116 = MDR 1983, 312).
Der Einzelrichter des OLG hat die Frage seiner originären Zuständigkeit i. S. d. § 568 S. 1 ZPO im Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Beschluss des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen objektiv mit Recht als höchstrichterlich klärungsbedürftig angesehen, weil ein Zulassungsgrund i. S. d. § 574 Abs. 2, 3 S. 1 ZPO vorlag (zum weiten Begriff der "grundsätzlichen Bedeutung" i. S. v. § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO: BGH, Beschl. v. 13.3.2003 - IX ZB 134/02, MDR 2003, 588 = BGHReport 2003, 627 = WM 2003, 701). Die seit In-Kraft-Treten der neuen Zivilprozessordnung aufgetretene Frage der Anwendbarkeit des § 568 S. 1 ZPO auf erstinstanzliche Entscheidungen des Vorsitzenden einer Kammer für Handelssachen ist nicht nur in der prozessrechtlichen Literatur, sondern insbesondere in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten (gegen eine Behandlung des Vorsitzenden einer Kammer für Handelssachen als Einzelrichter i. S. d. § 568 S. 1 ZPO: OLG Karlsruhe v. 23.4.2002 - 3A W 50/02, MDR 2002, 778 = NJW 2002, 1962; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.5.2002 - 5 W 4/02, OLGReport Frankfurt 2002, 250 ff. = MDR 2002, 1391; OLG Zweibrücken v. 18.6.2002 - 3 W 119/02, MDR 2002, 1152 = NJW 2002, 2722; OLG Celle, Beschl. v. 25.9.2002 - 11 W 45/02, veröffentl. in juris; OLG Schleswig, Beschl. v. 1.10.2002 - 6 W 32/02, OLGReport Schleswig 2003, 192; Beschl. v. 10.9.2002 - 16 W 90/02, OLGReport Schleswig 2003, 278; Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 61. Aufl., § 349 Rz. 1; Albers in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 61. Aufl., § 568 Rz. 2; Zimmermann, ZPO, 6. Aufl., § 349 Rz. 9, § 568 Rz. 1; Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 568 Rz. 3 - unter Aufgabe der in der Vorauflage vertretenen gegenteiligen Auffassung; dafür: OLG Köln v. 17.5.2002 - 16 W 13/02, OLGReport Köln 2002, 344; OLG Dresden, Beschl. v. 21.11.2002 - 7 W 1160/02, OLGReport Dresden 2003, 452; OLG Frankfurt, Beschl. v. 31.3.2003 - 13 W 9/03, OLGReport Frankfurt 2003, 342; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 25. Aufl., § 568 Rz. 2; Greger, NJW 2002, 3049 [3053]; Fölsch, MDR 2003, 308 ff.; Feskorn, NJW 2003, 856 f.). Danach hat die Sache nicht nur Grundsatzbedeutung i. e. S. des § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, sondern bedarf im Sinne der Nr. 2 dieser Vorschrift im Hinblick auf die bestehenden Divergenzen in der Rechtsprechung der OLG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einer Entscheidung des BGH als Rechtsbeschwerdegericht. Diese seine eigene Entscheidungszuständigkeit - und damit die Bestimmung des gesetzlichen Richters - betreffende Grundsatzfrage konnte der Einzelrichter allerdings hier nicht auf dem im Gesetz vorgesehenen Wege der gebotenen höchstrichterlichen Klärung zuführen. Hätte er nämlich gem. § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO das Verfahren "wegen Grundsätzlichkeit" dem Senatskollegium zur Entscheidung übertragen, so wäre dieses - kraft der bindenden, aufdrängenden Zuständigkeitsverschiebung - zur Entscheidung in der Sache selbst zuständig geworden. Der Kollegialspruchkörper hätte dann die Rechtsbeschwerde wegen Grundsätzlichkeit nicht mehr zulassen dürfen, weil er durch die Übertragung gesetzlicher Richter (geworden) und damit zugleich die Relevanz der - den Anlass für die Übertragung des Verfahrens darstellenden - Grundsatzfrage für die konkrete Entscheidung in der Sache selbst entfallen wäre (zum Erfordernis der Entscheidungserheblichkeit im jeweils anhängigen Rechtsstreit für die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung: st. Rspr., BGH, Beschl. v. 1.10.2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182 = MDR 2003, 104 = BGHReport 2002, 1107 = WM 2002, 2344 [2347]; Beschl. v. 7.1.2003 - X ZR 82/02, BGHZ 153, 254 = MDR 2003, 649 = BGHReport 2003, 298 = WM 2003, 402 [403]). Eine derartige - vom Reformgesetzgeber offenbar nicht bedachte - Situation entspricht ersichtlich nicht dem u. a. mit der Neuregelung des § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO verfolgten Ziel, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auch im Bereich von Nebenentscheidungen einer - erforderlichen - Klärung durch den BGH zugänglich zu machen (BT-Drucks. 14/4722, 58 [59, 69]). In einer derartigen Sondersituation erweist sich die Entscheidung des Einzelrichters, entsprechend dem Ziel des Reformgesetzgebers die Klärung der Grundsatzfrage durch den BGH als Rechtsbeschwerdegericht - unter Übergehung der an sich gesetzlich vorgeschriebenen Übertragung auf den Senat gem. § 568 S. 2 ZPO - durch eine eigene Zulassungsentscheidung herbeizuführen, nicht objektiv als offensichtlich unhaltbar und außerhalb der Gesetzlichkeit liegend.
b) Die angefochtene Entscheidung unterliegt jedoch deshalb der Aufhebung (§§ 576 Abs. 3, 547 Nr. 1 ZPO), weil - wie die Beklagte zu Recht rügt - über die Beschwerden gegen den Kostenbeschluss des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen das Beschwerdegericht nicht in der gem. § 122 GVG vorgeschriebenen Besetzung als Senatskollegium, sondern durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter entschieden hat.
aa) Nach § 568 S. 1 ZPO entscheidet das Beschwerdegericht nur dann durch einen Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Hier hat indessen in erster Instanz über die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91a ZPO der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen des LG (§ 349 Abs. 2 Nr. 6 ZPO) entschieden. Dieser ist nach der eindeutigen gesetzlichen Terminologie des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Zivilprozessordnung auf Grund seiner erstinstanzlichen Entscheidungstätigkeit kein "Einzelrichter". Die Verfahrensgesetze bezeichnen den entscheidungsbefugten Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen - anders als den Einzelrichter der Zivilkammer beim LG (§§ 348, 348a ZPO) und den als "Einzelrichter" entscheidenden Richter beim AG (§ 22 Abs. 4 GVG) - ausdrücklich nicht als "Einzelrichter", sondern in seiner Funktion als Vorsitzenden (§ 105 Abs. 1 GVG, § 349 ZPO). Der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen verkörpert bei seiner Alleinentscheidung "als Vorsitzender" die Kammer als Prozessgericht, "an deren Stelle" er entscheidet (§ 349 Abs. 2, 3 ZPO); die die "Einzelrichter"-Befugnisse des Richters der "normalen" Zivilkammer regelnden §§ 348, 348a ZPO sind in § 349 Abs. 4 ZPO ausdrücklich für nicht anwendbar erklärt worden. Im Hinblick auf Rechtsmittel differenziert die Generalnorm des § 350 ZPO ebenfalls terminologisch strikt zwischen dem Einzelrichter (als Mitglied einer Zivilkammer) und dem Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen, indem sie für die Anfechtung ausdrücklich von den Entscheidungen "des Einzelrichters (§§ 348, 348a ZPO)" und denen "des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen (§ 349 ZPO)" spricht. Soweit der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen (ausnahmsweise) "echter" Einzelrichter sein soll, bezeichnet ihn das Gesetz auch explizit so: Eine solche besondere Bestimmung des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen als Einzelrichter findet sich ausschließlich im Rahmen der Zuständigkeit als Berufungsgericht (§ 526 Abs. 4, 527 Abs. 1 S. 2 ZPO), nicht jedoch in der - im vorliegenden Fall einschlägigen - Zuständigkeitsnorm des § 568 ZPO für das Beschwerdeverfahren im Hinblick auf seine erstinstanzliche Entscheidung.
Demgegenüber lässt sich nicht etwa eine generelle Einstufung des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen als Einzelrichter daraus ableiten, dass der vierte Titel des ersten Abschnitts des zweiten Buches der ZPO, in dem sich die ihn betreffende Regelung des § 349 ZPO befindet, mit "Verfahren vor dem Einzelrichter" überschrieben ist. Diese Überschrift stellt insofern lediglich ein historisches Relikt dar, als der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen vor Einführung des alleinentscheidenden Einzelrichters durch die sog. Einzelrichternovelle von 1974 ebenso (nur) vorbereitender Einzelrichter sein konnte wie ein Mitglied einer Zivilkammer und in diesem Zusammenhang auch als Einzelrichter bezeichnet wurde (vgl. § 350 Abs. 2 ZPO in der vor 1975 geltenden Fassung). Mit Einführung des alleinentscheidenden Einzelrichters bei den Zivilkammern wurde - unter Beibehaltung der lediglich vorbereitenden Alleinhandlungsbefugnisse des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen - die bis heute gültige terminologische Unterscheidung in das Gesetz eingeführt, um Verwechslungen zu vermeiden und der unterschiedlichen Funktion Rechnung zu tragen (BT-Drucks. 7/2729, 83; BT-Drucks. 7/2769, 13), ohne gleichzeitig die Titelüberschrift zu ändern.
bb) Da die Verfahrensgesetze - nach dem klaren Willen des Gesetzgebers der Einzelrichternovelle 1974 - ausdrücklich zwischen dem Einzelrichter und dem Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen unterscheiden, lassen der eindeutige Wortlaut und -sinn des Begriffs "Einzelrichter" es nicht zu, den Vorsitzenden einer Kammer für Handelssachen - etwa im Wege teleologischer oder erweiternder Auslegung - als den in § 568 S. 1 ZPO genannten (erstinstanzlichen) Einzelrichter anzusehen (insoweit zutreffend auch Fölsch, MDR 2003, 308 ff. [310]).
cc) Auch eine analoge Anwendung des § 568 S. 1 ZPO kommt nicht in Betracht. Der Senat vermag angesichts der aufgezeigten terminologischen Eindeutigkeit bereits eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes nicht festzustellen; insbesondere ist ein Wille des Gesetzgebers, den Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen als Einzelrichter i. S. d. § 568 S. 1 ZPO zu behandeln, dem Gesetz nicht zu entnehmen. Aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/4722, 110 f.) geht im Gegenteil hervor, dass von der Neuregelung - neben Rechtspflegerentscheidungen - nur "amtsgerichtliche oder vom Einzelrichter am LG erlassene Entscheidungen" erfasst werden sollen und dementsprechend dort auch allein unter den Begriff der "Einzelrichterentscheidungen" subsumiert werden; dass etwa den Entwurfsverfassern - und darauf aufbauend dem Gesetzgeber - die Tatsache unbekannt gewesen oder von ihnen übersehen worden wäre, dass für den potenziellen Regelungsbereich der neuen Vorschrift auch vom Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen in seiner Funktion als ein alleiniger Entscheidungsträger getroffene Entscheidungen in Betracht gekommen wären, ist nicht ersichtlich. Dagegen spricht vielmehr, dass in der vergleichbaren, für das Berufungsverfahren geltenden Neuregelung der §§ 526 f. ZPO der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen ausdrücklich als "Einzelrichter", jedoch begrenzt auf seine Entscheidungszuständigkeit als Berufungsrichter (vgl. §§ 526 Abs. 4, 527 Abs. 1 S. 2 ZPO), bezeichnet wird, während eine terminologische Differenzierung in Bezug auf die angefochtene (erstinstanzliche) Entscheidung eines Einzelrichters (§ 526 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) nicht erfolgt ist. Angesichts dessen lässt sich ein Analogieschluss nicht damit rechtfertigen, dass eine Ausdehnung des § 568 S. 1 ZPO auf Entscheidungen des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen möglicherweise in das Generalkonzept des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Beschleunigung des Zivilprozesses passen würde. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Verhältnis zur generellen Regelung des § 122 GVG über die Entscheidungszuständigkeit des Kollegiums des Senats des OLG die Bestimmung des § 568 ZPO über die originäre Einzelrichterzuständigkeit jedenfalls rechtstechnisch als Ausnahmevorschrift - mag sie auch tatsächlich wegen der umgekehrten Situation in der ersten Instanz die Mehrzahl der Rechtsmittelfälle erfassen - anzusehen und deshalb eng auszulegen ist. Einer Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift über ihren klaren Wortlaut hinaus steht aber vor allem die verfassungsmäßige Forderung entgegen, den gesetzlichen Richter im Voraus möglichst eindeutig zu bestimmen, Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG; für Zweckmäßigkeitserwägungen - insbesondere rechtspolitischer Natur - ist im Rahmen einer streng am Wortlaut des Gesetzes orientierten Anwendung einer Bestimmung über den gesetzlichen Richter - wie vorliegend - kein Raum (BVerfGE 30, 149 [155]; BVerfGE 30, 165 [168], jeweils zu § 23 Abs. 2 StPO; BGH, Urt. v. 5.12.1980 - V ZR 16/80, MDR 1981, 481 = NJW 1981, 1273 f. - zu § 41 Nr. 6 ZPO).
3. Da das Beschwerdegericht demnach zu Unrecht durch den Einzelrichter gem. § 568 S. 1 ZPO anstelle des nach § 122 Abs. 1 GVG zur Entscheidung berufenen Kollegiums des Senats entschieden hat, war es nicht vorschriftsmäßig besetzt, §§ 576 Abs. 3, 547 Nr. 1 ZPO (vgl. zum umgekehrten Fall BGH, Beschl. v. 11.2.2003 - VIII ZB 56/02, BGHReport 2003, 638 = MDR 2003, 645 [646]; Urt. v. 19.10.1992 - II ZR 171/91, MDR 1993, 269 = NJW 1993, 600 f. zu § 524 Abs. 1 a.F. ZPO). Angesichts dieses absoluten Rechtsbeschwerdegrundes ist es unerheblich, ob sich der angefochtene Beschluss aus anderen Gründen in der Sache als richtig darstellen würde (vgl. § 577 Abs. 3 ZPO); denn unabhängig davon ist gem. § 577 Abs. 4 ZPO der verfahrensfehlerhaft ergangene Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das zuständige Senatskollegium zurückzuverweisen (BGH, Beschl. v. 11.2.2003 - VIII ZB 56/02, BGHReport 2003, 638 = MDR 2003, 645 [646], m. w. N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1099289 |
BGHZ 2004, 320 |
NJW 2004, 856 |
BGHR 2004, 414 |
FamRZ 2004, 531 |
WM 2004, 348 |
MDR 2004, 530 |
RVGreport 2004, 240 |
KammerForum 2004, 234 |
ProzRB 2004, 113 |