Normenkette
ZPO § 114 Abs. 1, § 236 Abs. 2
Verfahrensgang
KG Berlin (Entscheidung vom 08.08.2008; Aktenzeichen 26 U 122/08) |
LG Berlin (Entscheidung vom 29.05.2008; Aktenzeichen 33 O 59/07) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Rechtsbeschwerde gegen die Beschlüsse des 26. Zivilsenats des Kammergerichts vom 8. August 2008 und 17. September 2008 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt Pflichtteilsergänzung. Er hat den Beklagten als testamentarischen Erben im Wege der Stufenklage auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung über etwaige Zuwendungen in Anspruch genommen, die seitens des im Februar 1997 verstorbenen Erblassers an den Beklagten oder einen Dritten erfolgt sind, beantragt, erforderlichenfalls die Vollständigkeit und Richtigkeit der begehrten Auskunft an Eides statt zu versichern, und einen bis zur Auskunftserteilung zunächst unbestimmten Zahlungsantrag gestellt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Urteil ist den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 16. Juni 2008 zugestellt worden. Am 16. Juli 2008, dem Tag des Ablaufs der Berufungsfrist, hat der Kläger persönlich um 20.19 Uhr dem Landgericht einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe per Telefax übermittelt mit dem Zusatz "zur Vorlage beim Kammergericht". Das Original der Antragsschrift lag dem Landgericht am 17. Juli 2008 vor. Das Landgericht hat die Antragsschrift im Original und im Telefaxausdruck an das Kammergericht weitergeleitet.
Das Kammergericht hat mit Beschluss vom 8. August 2008, den Prozessbevollmächtigten zugestellt am 13. August 2008, den Antrag zurückgewiesen. Dem beabsichtigten Rechtsmittel fehle die Erfolgsaussicht, da es bereits unzulässig wäre. Zwar könne einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gewährt werden, wenn über ihren Prozesskostenhilfeantrag nicht vor Ablauf der Berufungs- bzw. Berufungsbegründungsfrist entschieden sei. Das setze indes voraus, dass der Prozesskostenhilfeantrag seinerseits innerhalb der Berufungsfrist ordnungsgemäß gestellt sei. Das sei hier nicht der Fall, weil der Antrag erst nach Ablauf der Berufungsfrist beim Kammergericht als Berufungsgericht eingegangen sei. Der Eingang beim erstinstanzlichen Gericht genüge zur Fristwahrung nicht, zumal der Kläger mit einer fristgerechten Weiterleitung an das Berufungsgericht nicht habe rechnen können, weil das Telefax erst nach Dienstschluss am 16. Juli 2008 an das Landgericht übermittelt worden sei. Unter gleichen Umständen wäre eine Berufung daher zu verwerfen.
Der Kläger persönlich hat daraufhin beim Kammergericht am 26. August 2008 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Aufhebung des Beschlusses vom 8. August 2008 beantragt. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass eine Berufung - anders als etwa eine Beschwerde -nur beim nächst höheren Gericht eingelegt werden könne. In den ihm von den Justizbehörden zur Verfügung gestellten Hinweisen zum Prozesskostenhilfeverfahren finde sich dazu nichts; auf die Vollständigkeit und Richtigkeit dieser Hinweise habe er sich jedoch verlassen dürfen, zumal ein Rechtsanwalt immer erst nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe beigeordnet werde.
Das Kammergericht hat am 17. September 2008, dem Kläger zugestellt am 1. Oktober 2008, den Antrag zurückgewiesen. Der Kläger hätte sich über die unterschiedlichen Verfahrensweisen bei der Beschwerde einerseits (§ 569 ZPO) und der Berufung andererseits (§ 519 ZPO) informieren müssen und habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass für beide Rechtsmittel dieselben Bestimmungen gälten. Seitens der Justizbehörden in Berlin werde auch nicht der Eindruck erweckt, die dort ansässigen Gerichte würden wechselseitig und fristwahrend Schriftsätze annehmen. Ein etwaiges Verschulden seiner erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten müsse sich der Kläger zurechnen lassen, weil deren Pflichten nach Beendigung einer Instanz auch die Beratung über die form- und fristgerechte Einlegung eines Rechtsmittels umfassten.
Mit Telefax vom 1. November 2008 (Samstag) hat der Kläger um 21.53 Uhr beim Bundesgerichtshof Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts beantragt zum Zwecke der Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen die beiden Beschlüsse des Kammergerichts. Beigefügt war der Entwurf einer - in der letzten Seite unvollständig übermittelten - Begründung der Rechtsbeschwerde; im Original lag der Schriftsatz dem Bundesgerichtshof am 6. November 2008 vor. Der zuständige Rechtspfleger hat den Kläger mit Verfügung vom 3. November 2008 (Montag) darauf hingewiesen, dass dem Antrag eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen nicht beigefügt sei. Am 21. November 2008 hat der Kläger per Telefax geantwortet, auf seinen PKH-Antrag in I. Instanz Bezug genommen, für die ihm Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei, und zudem einen PKH-Vordruck mit aktuellen Einträgen eingereicht; als Beleg hat er den Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes in Aussicht gestellt.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 Satz 1 ZPO).
1.
Gegen den Beschluss des Kammergerichts vom 8. August 2008 ist nach dem Gesetz die Rechtsbeschwerde nicht vorgesehen (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Sie ist vom Kammergericht auch nicht zugelassen worden (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO); diese Entscheidung über die Nichtzulassung ist ebenfalls nicht anfechtbar (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2008 - IX ZB 109/07 - WuM 2008, 113 Tz. 2). Ein entsprechendes Rechtsmittel wäre daher von vornherein nicht statthaft.
2.
Gegen den ihm Wiedereinsetzung versagenden Beschluss vom 17. September 2008 steht dem Kläger die Rechtsbeschwerde kraft Gesetzes offen (§ 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO); sie ist indes gemäß § 574 Abs. 2 ZPO nur zulässig, wenn einer der dort genannten Gründe gegeben ist. Das ist hier nicht erkennbar. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Eingreifen des Rechtsbeschwerdegerichts. Die Entscheidung des Kammergerichts erweist sich schon deshalb als zutreffend, weil der selbst nicht postulationsfähige Kläger nach der ablehnenden Entscheidung über die von ihm beantragte Prozesskostenhilfe die von ihm versäumte Prozesshandlung - die Einlegung der Berufung - nicht durch seine Prozessbevollmächtigten nachgeholt hat (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO; vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juli 2007 - IX ZB 86/07 - MDR 2008, 99 Tz. 10 m.w.N.).
3.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat aber auch aus anderen Gründen keinen Erfolg.
a)
Unterbleibt die rechtzeitige Vornahme einer fristwahrenden Handlung, wie hier die Einlegung der Rechtsbeschwerde binnen der Frist des § 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO, ist die Frist nur dann unverschuldet versäumt und der Partei auf ihren Antrag oder von Amts wegen Wiedereinsetzung in die versäumte Frist (§§ 233 ff. ZPO) zu gewähren, wenn sie bis zu deren Ablauf einen den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingereicht und alles in ihren Kräften Stehende getan hat, damit über den Antrag ohne Verzögerung sachlich entschieden werden kann (Senatsbeschlüssevom 5. Dezember 2007 - IV ZA 17/07 - Tz. 3;vom 24. Oktober 2007 - IV ZA 9/07 - Tz. 3, jeweils unter [...] abrufbar m.w.N.). Das ist durch den Kläger hier nicht geschehen, was in Bezug auf die angestrebte Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Kammergerichts vom 8. August 2008 offensichtlich, aber auch für den Beschluss vom 17. September 2008 zu bejahen ist.
Denn dies setzt voraus, dass die Partei innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht nur den Antrag stellt, sondern auch alle für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen beibringt. Da die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für jeden Rechtszug gesondert erfolgt (§ 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO), sind die Erklärungen auch im höheren Rechtszug - gegebenenfalls erneut - beizufügen (Senatsbeschlüsse vom 5. Dezember 2007 und 24. Oktober 2007 aaO; BGHZ 148, 66, 69) , was der Kläger versäumt hat.
In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob die in erster Instanz vorgelegte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtfertigen konnte oder ob in der Zwischenzeit in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers erhebliche Änderungen eingetreten sind. Zur Darlegung der Voraussetzungen des § 114 ZPO kann es zwar ausreichen, auf bereits zu den Akten gereichte Vordrucke Bezug zu nehmen, wenn Veränderungen seitdem nicht eingetreten sind und hierauf unmissverständlich hingewiesen wird (Senatsbeschlüsse vom 5. Dezember 2007 und 24. Oktober 2007 aaO jeweils Tz. 4). Das ist dem beim Bundesgerichtshof per Telefax eingegangenen ersten Schriftsatz des Klägers jedoch nicht zu entnehmen.
b)
Ein Hinweis auf die Unvollständigkeit seines Prozesskostenhilfegesuches konnte dem Kläger nicht mehr rechtzeitig erteilt werden. Das folgt schon daraus, dass der Prozesskostenhilfeantrag am Samstag, dem 1. November 2008, in den Abendstunden und damit außerhalb der üblichen Dienstzeiten beim Bundesgerichtshof eingegangen ist. Er lag dem zuständigen Rechtspfleger erst am 3. November 2008, dem nächstfolgenden Werktag und zugleich dem Tag des Fristablaufs, zur Bearbeitung vor. Ausweislich des vom Rechtspfleger gefertigten Aktenvermerkes waren weder eine E-Mail-Adresse noch eine Telefonnummer zu ermitteln, unter der der Kläger zu erreichen gewesen wäre; das von ihm übermittelte Telefax weist die Faxnummer des absendenden Gerätes nicht aus, so dass auch dieser Kommunikationsweg nicht zur Verfügung stand. Der Rechtspfleger hat den Kläger daher noch am gleichen Tage durch ein entsprechendes Schreiben darauf hingewiesen, dass sein Prozesskostenhilfeantrag unvollständig war, soweit es um die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf einem gemäß § 117 Abs. 4 ZPO vorgeschriebenen Vordruck ging. Der Kläger hat darauf nach mehr als zwei Wochen mit einem am 21. November 2008 an den Bundesgerichtshof per Telefax übersandten Schreiben geantwortet. Schon deshalb war eine abschließende Prüfung des Prozesskostenhilfeantrages binnen noch offener Rechtsmittelfrist nicht mehr möglich; überdies zeigt die verspätete Antwort des Klägers, dass er auch sonst nicht alles in seinen Kräften Stehende getan hat, damit über seinen Antrag ohne Verzögerung sachlich entschieden werden konnte.
c)
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) gegen die versäumte Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde kommt nach alledem nicht in Betracht. Der Kläger war aus den genannten Gründen auch nicht ohne Verschulden verhindert, die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde einzuhalten. Ein etwaiges Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten wäre ihm, wie das Kammergericht zutreffend erkannt hat, nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen (Senatsbeschlüsse vom 5. Dezember 2007 aaO Tz. 6 und 24. Oktober 2007 aaO Tz. 8).
Fundstellen