Entscheidungsstichwort (Thema)
schwere räuberische Erpressung
Tenor
Auf die Revisionen der Angeklagten L, I, S und B wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 22. Februar 1999 nach § 349 Abs. 4 StPO in den Strafaussprüchen gegen diese Angeklagten aufgehoben.
Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten L und B unter anderem wegen schwerer räuberischer Erpressung und den Angeklagten I unter anderem wegen Raubes zu Jugend- bzw. Freiheitsstrafen zwischen zwei Jahren zehn Monaten und drei Jahren sowie den Angeklagten S unter anderem wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten sind zum Schuldspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, führen jedoch zur Aufhebung der Strafaussprüche.
1. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht zutreffend bedacht, daß nahezu alle Taten bereits zwischen März 1995 und Januar 1996 begangen worden sind und ein langer zeitlicher Abstand zwischen Tat und Urteil, der teilweise schon auf Verzögerungen im Ermittlungsverfahren beruhte, zu einem wesentlichen Strafmilderungsgesichtspunkt führen kann.
2. Die Akten wurden dem Bundesgerichtshof aber erst zwei Jahre und elf Monate nach Urteilserlaß vorgelegt. Das Verfahren ist damit seit der Verkündung des angefochtenen Urteils in ganz ungewöhnlichem Maße unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK weiter verzögert worden (vgl. auch BGHSt 35, 137; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 8; BGH StV 1994, 653). Diesen Umstand muß der Senat auf die zulässige Revision eines Angeklagten von Amts wegen berücksichtigen (§ 354a StPO entsprechend). Der Angeklagte selbst kann ihn nicht rügen, weil er sich erst nach dem Ablauf der Frist zur Begründung des Rechtsmittels verwirklicht hat. Der seit der Verkündung des angefochtenen Urteils verstrichene Zeitraum ist hier unangemessen lang. Der Senat braucht nicht zu untersuchen, auf welchen Gründen die Verzögerung im einzelnen beruht; es genügt die Feststellung, daß diese Gründe im Bereich der Justiz liegen und die Ermittlungen des Senats keine Umstände ergeben haben, welche der Verzögerung ihre Bedeutung nehmen.
Bei dem vorliegenden Aufhebungsgrund können die Feststellungen insgesamt bestehen bleiben. Der neue Tatrichter hat die Strafen auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen, die er lediglich durch neue widerspruchsfreie ergänzen kann, neu festzusetzen.
Bei der Strafzumessung wird vorsorglich auf die Bedenken und Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts bei langer Verfahrensdauer Bedacht zu nehmen sein. Insoweit wird auf den Beschluß der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. März 1997 (NStZ 1997, 591) und auf die Entscheidung des Senats vom 29. April 1997 (BGHR StGB § 46 II Verfahrensverzögerung 11 = NStZ 1997, 451 m.w.N., auch zur Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts) verwiesen.
3. Hinsichtlich des Angeklagten B wird auf die berechtigten Bedenken des Generalbundesanwalts zu § 31 JGG hingewiesen.
Unterschriften
Harms, Basdorf, Gerhardt, Brause, Schaal
Fundstellen
Haufe-Index 707612 |
NStZ-RR 2002, 166 |