Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Entscheidung vom 23.11.2021; Aktenzeichen 14 KLs 2/21) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 23. November 2021 dahin geändert, dass
a) der Angeklagte B. wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit unerlaubtem Erbringen von Zahlungsdiensten und mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt wird;
b) die Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen den Angeklagten B. in Höhe von 51.541,77 € und gegen den Angeklagten K. in Höhe von 1.439.454,28 € angeordnet wird.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen unerlaubten Erbringens von Zahlungsdiensten in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung sowie wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition verurteilt. Gegen den Angeklagten B. hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten, gegen den Angeklagten K. eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verhängt. Zudem hat das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet, und zwar gegen den Angeklagten B. in Höhe von 20.453.955 € und gegen den Angeklagten K. in Höhe von 154.206.028 €. Mit ihren Revisionen rügen die Beschwerdeführer die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Die Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Rz. 2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen betrieben die Angeklagten in Deutschland gemeinschaftlich sogenanntes Hawala-Banking (vgl. näher zu diesem Deliktsphänomen BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 - 3 StR 403/20, juris Rn. 3) und nahmen gegen Provisionszahlungen Geldtransfers zwischen Deutschland und der Türkei vor. Zahlstellen in Deutschland waren in erster Linie vom Angeklagten K. geführte Juweliergeschäfte, darüber hinaus Büroräumlichkeiten des Angeklagten B.. Die Angeklagten K. und B. bauten das Hawala-System auf, nahmen unter Beteiligung weiterer Personen Bargeldeinzahlungen entgegen und organisierten die Abwicklung der Geldtransfers. Während der Angeklagte K. an dem Transfer von Geldern in Höhe von insgesamt 154.206.028 € einschließlich Entgelte mitwirkte, war der Angeklagte B. an Geschäften im Umfang von 20.453.955 € inklusive erhobener Gebühren beteiligt. Der Angeklagte K. vereinnahmte für seine Tätigkeiten Provisionen in Höhe von 1.439.454,28 €, der Angeklagte B. in Höhe von 51.541,77 €.
Rz. 3
Der Angeklagte K. verwahrte im Schlafzimmer seines Wohnhauses eine halbautomatische Pistole. Der Angeklagte B. nahm teilweise eigenhändig Geldtransporte vor, indem er vereinnahmtes Bargeld gemeinsam mit einer weiteren Person zu einer Sammelstelle verbrachte. Zur Absicherung dieser Transporte führte er zwei halbautomatische Pistolen mit sich, die ihm die dritte Person jeweils für die Zeitdauer der einzelnen Geldtransporte überließ. Beide Angeklagten verfügten nicht über die erforderliche waffenrechtliche Erlaubnis.
II.
Rz. 4
1. Die Verfahrensrüge des Angeklagten K. dringt aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen nicht durch. Die vom Angeklagten B. erhobene Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Rz. 5
2. Die auf die Sachrügen hin gebotene umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten K. ergeben. Dagegen hält der den Angeklagten B. betreffende Schuldspruch der revisionsrechtlichen Kontrolle nicht in vollem Umfang stand. Insofern gilt:
Rz. 6
a) Das Landgericht hat auf der Basis insgesamt rechtsfehlerfrei getroffener Feststellungen die von den Angeklagten gemeinschaftlich betriebene Hawala-Banking-Struktur rechtlich zutreffend als kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 2 StGB gewürdigt (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2022 - 3 StR 403/20, juris Rn. 8 ff.; vom 2. Juni 2021 - 3 StR 61/21, BGHR StGB § 129 Abs. 2 Vereinigung 2 Rn. 7 ff.) und zudem das Handeln der Angeklagten frei von Rechtsfehlern jeweils als mitgliedschaftliche Beteiligung an dieser kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1 StGB gewertet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 - 3 StR 403/20, juris Rn. 17). Bei der kriminellen Vereinigung der Angeklagten handelte es sich um eine inländische, nicht um eine ausländische (s. zur Abgrenzung BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 - 3 StR 403/20, juris Rn. 19), so dass es einer Verfolgungsermächtigung des Bundesministeriums der Justiz gemäß § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB (s. hierzu BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 - 3 StR 403/20, juris Rn. 21) nicht bedurft hat. Denn die wesentlichen Strukturen der Vereinigung befanden sich in Deutschland; hier wurde zudem schwerpunktmäßig agiert (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juni 2021 - 3 StR 61/21, NJW 2021, 2979 Rn. 14; s. auch BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 - 3 StR 403/20, juris Rn. 20).
Rz. 7
b) Gegen die tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten wegen unerlaubten Erbringens von Zahlungsdiensten gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 4, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ZAG ist gleichfalls nichts zu erinnern (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2022 - 3 StR 403/20, juris Rn. 22 ff.; vom 2. Juni 2021 - 3 StR 61/21, BGHR ZAG § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Finanztransfergeschäfte 1 Rn. 15 f.).
Rz. 8
c) Während das Landgericht die Verwahrung einer halbautomatischen Pistole durch den Angeklagten K. in seinen Wohnräumen rechtsfehlerfrei als - in Tatmehrheit zur Strafbarkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit unerlaubtem Erbringen von Zahlungsdiensten stehenden - unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG gewertet hat, weist die von der Strafkammer vorgenommene rechtliche Bewertung des vom Angeklagten B. verübten Waffendelikts durchgreifende Rechtsmängel in zweierlei Hinsicht auf:
Rz. 9
aa) Zum einen ist das Mitsichführen von zwei halbautomatischen Pistolen durch den Angeklagten B. bei Geldtransporten als unerlaubtes Führen und nicht als unerlaubter Besitz halbautomatischer Kurzwaffen zum Verschießen von Patronenmunition im Sinne des § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG zu werten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Juni 2015 - 5 StR 197/15, NStZ 2015, 529; vom 13. August 2009 - 3 StR 226/09, BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 2 Rn. 3). Da dieser Angeklagte die tatsächliche Gewalt über die Schusswaffen ausschließlich während von ihm durchgeführter Geldtransporte und damit nur außerhalb der eigenen Räumlichkeiten und des eigenen befriedeten Besitztums ausübte, tritt die Strafbarkeit wegen Besitzes hinter derjenigen wegen Führens der Schusswaffe zurück (BGH, Beschlüsse vom 15. Juni 2015 - 5 StR 197/15, NStZ 2015, 529; vom 13. August 2009 - 3 StR 226/09, BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 2 Rn. 3).
Rz. 10
bb) Zum anderen erweist sich die konkurrenzrechtliche Beurteilung der vom Angeklagten B. verwirklichten Straftatbestände als fehlerhaft. Der Angeklagte führte die Schusswaffen während und zur Absicherung einzelner Geldtransporte, wobei es sich nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe jeweils um die Verbringung im Rahmen des Hawala-Banking vereinnahmten Bargelds zu Sammelstellen handelte. Damit aber stellt das Führen der Schusswaffen eine Teilhandlung der Aktivitäten des Hawala-Banking dar. Unerheblich ist insofern, dass die Strafkammer das Führen der Schusswaffen keinen bestimmten einzelnen Hawala-Aktivitäten des Angeklagten hat zuordnen und nicht hat ausschließen können, dass die betreffenden Geldtransporte sich auf Geldtransfergeschäfte bezogen, die nicht konkret als bestimmte strafbare Einzelaktivitäten des Angeklagten festgestellt worden sind. Denn alle Hawala-Aktivitäten des Angeklagten im Tatzeitraum, auch solche, die nicht als individualisierte Geldtransfergeschäfte haben festgestellt werden können, unterfallen im Sinne einer tatbestandlichen Handlungseinheit der Strafbarkeit des Angeklagten wegen unerlaubten Erbringens von Zahlungsdiensten in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung. Deshalb steht die Strafbarkeit des Angeklagten B. wegen unerlaubten Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition in weiterer Tateinheit mit derjenigen wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit unerlaubtem Erbringen von Zahlungsdiensten.
Rz. 11
d) Der Senat ändert den Schuldspruch betreffend den Angeklagten B. daher wie aus der Beschlussformel ersichtlich (§ 354 Abs. 1 StPO analog). § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der in Bezug auf das Tatgeschehen geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 12
3. Die gegen den Angeklagten B. verhängte Gesamtfreiheitsstrafe hat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO als Einzelstrafe Bestand. Denn durch die abweichende konkurrenzrechtliche Bewertung des Tathandelns des Angeklagten werden der Unrechts- und Schuldgehalt nicht berührt. Es ist deshalb auszuschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses eine geringere Einzelstrafe als die verhängte Gesamtstrafe festgesetzt hätte.
Rz. 13
4. Die Einziehungsentscheidungen halten der materiellrechtlichen Nachprüfung gleichfalls nicht in vollem Umfang stand.
Rz. 14
a) Das Landgericht hat sämtliche von den Angeklagten vereinnahmten Gelder, mithin nicht nur die für ihre Tätigkeiten erhaltenen Provisionen, sondern auch die zu transferierenden Kundengelder, als Taterträge im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB gewertet. Es hat daher - weil das eingezahlte Bargeld nicht gegenständlich sichergestellt werden konnte - gegen die Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c Satz 1 StGB in voller Höhe der jeweils erlangten Beträge angeordnet.
Rz. 15
b) Dies erweist sich als rechtsfehlerhaft. Denn im Rahmen von Hawala-Banking erlangte Taterträge (§ 73 Abs. 1 StGB) sind allein die Provisionen (Entgelte), nicht aber die Kundengelder, die Gegenstand der Transfergeschäfte und summenmäßig an die von den Einzahlern bestimmten Empfänger auszuzahlen sind. Die Kundengelder sind vielmehr Tatmittel im Sinne des § 74 Abs. 1 Alternative 2 StGB beziehungsweise Tatobjekte im Sinne des § 74 Abs. 2 StGB (hierzu unten aa)). Als solche unterliegen sie, jedenfalls sofern eine Strafbarkeit nach § 129 Abs. 1 StGB gegeben ist, der Ermessenseinziehung, wenn sie gegenständlich sichergestellt werden konnten. Dagegen scheidet eine Wertersatzeinziehung hinsichtlich der Kundengelder aus, sofern diese bestimmungsgemäß transferiert wurden, weil hierin keine die Einziehung verhindernde Vereitelungshandlung im Sinne des § 74c Abs. 1 StGB liegt (hierzu unten bb)).
Rz. 16
aa) Die Kundengelder des Hawala-Banking sind - jenseits des Provisionsanteils - keine Taterträge im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB, sondern der Einziehung nach § 74 StGB unterfallende Gegenstände. Denn die am Hawala-Banking Mitwirkenden verwenden das Geld, um den Zahlungsdienst zu erbringen; ihre tatbestandlichen Tätigkeiten beziehen sich auf dieses (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 - 3 StR 403/20, juris Rn. 36; so auch Bittmann, NZWiSt 2022, 188, 190 f.; Bittmann, NZWiSt 2021, 133, 140; Eggers/van Cleve, NZWiSt 2020, 426 ff.; aA Schäfer/Omlor/Mimberg/Weiß, ZAG, § 63 Rn. 111). Zwar wäre es rein begrifflich möglich, die Gelder als durch die Straftaten der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1 StGB und des unerlaubten Erbringens von Zahlungsdiensten gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 4 ZAG erlangte Vermögenswerte einzuordnen. Doch scheidet eine solche ausschließlich auf den Erlangungsakt der Gelder bezogene und nicht das strafrechtlich relevante Gesamtgeschehen in den Blick nehmende Beurteilung hier angesichts der Struktur der verwirklichten Straftatbestände, durch welche sämtliche Aktivitäten des Hawala-Banking als tatbestandliche Handlungseinheit erfasst werden, aus. Der Einordnung der Gelder als Tatmittel beziehungsweise Tatobjekte nach § 74 StGB kommt der Vorrang zu; deren Qualifikation zugleich als Taterträge nach § 73 Abs. 1 Alternative 1 StGB ist nicht möglich (vgl. näher hierzu in Bezug auf eine Strafbarkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a StGB durch Geldsammlungen für diese und die dort gleichgelagerte Fragestellung BGH, Urteil vom 15. Juni 2022 - 3 StR 295/21, NJW 2022, 3092 Rn. 8 ff.; s. auch BGH, Urteil vom 20. Juli 2022 - 3 StR 390/21, NJW 2022, 2701 Rn. 17; Bittmann, NZWiSt 2022, 188, 190 f.; Bittmann, NZWiSt 2021, 133, 135; Eggers/van Cleve, NZWiSt 2020, 426, 428 sowie zum Verfall von unter Verstoß gegen das ZAG erlangten Geldbeträgen nach der früheren Rechtslage BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 - 1 StR 368/14, BGHR StGB § 73 Erlangtes 18 Rn. 26 ff.).
Rz. 17
Hawala-Kundengelder sind, soweit es die Strafbarkeit nach § 63 Abs. 1 Nr. 4, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ZAG anbelangt, jedenfalls dann, wenn sich der Umgang der Hawaladare mit ihnen darauf beschränkt, sie (summenmäßig) zu den von den Einzahlern bestimmten Empfängern zu transferieren und an diese auszuzahlen, Tatobjekte im Sinne des § 74 Abs. 2 StGB (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 - 3 StR 403/20, juris Rn. 38; so auch Bittmann, NZWiSt 2021, 133, 142; Eggers/van Cleve, NZWiSt 2020, 426 ff.; s. ferner BGH, Urteil vom 20. Juli 2022 - 3 StR 390/21, NJW 2022, 2701 Rn. 11 ff.). In Bezug auf die (tateinheitliche) Strafbarkeit nach § 129 Abs. 1 Satz 1 StGB sind die Hawala-Kundengelder Tatmittel im Sinne des § 74 Abs. 1 Alternative 2 StGB (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 - 3 StR 403/20, juris Rn. 39; s. auch BGH, Urteil vom 15. Juni 2022 - 3 StR 295/21, NJW 2022, 3092 Rn. 10, 13 ff., 20; Beschluss vom 9. März 2021 - 3 StR 197/20, BGHR StGB § 74b Abs. 1 Gefahr 1).
Rz. 18
Soweit sichergestellte Kundengelder in Bezug auf die Strafbarkeit nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 ZAG als Tatobjekt im Sinne des § 74 Abs. 2 StGB einzuordnen ist, scheidet ihre Einziehung aus. Denn insofern fehlt es an der nach § 74 Abs. 2 StGB erforderlichen sondergesetzlichen Ermächtigung (vgl. Bittmann, NZWiSt 2021, 133, 142; Eggers/van Cleve, NZWiSt 2020, 426 ff.).
Rz. 19
Jedoch unterliegen sichergestellte Kundengelder der Einziehung als Tatmittel im Sinne des § 74 Abs. 1 Alternative 2 StGB in Bezug auf eine Strafbarkeit nach § 129 Abs. 1 Satz 1 StGB. Je nach konkreter Ausgestaltung der Geldtransfergeschäfte ist es zudem nicht ausgeschlossen, dass Kundengelder im Einzelfall auch in Bezug auf eine Strafbarkeit nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 ZAG nicht bloß Tatobjekte, sondern (zugleich) Tatmittel im Sinne des § 74 Abs. 1 Alternative 2 StGB sind. Tatmittel dürfen ohne zusätzlich erforderliche spezialgesetzliche Ermächtigung nach § 74 Abs. 1 StGB eingezogen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 - 3 StR 403/20, juris Rn. 40).
Rz. 20
Vorliegend sind jedoch keine Kundengelder sichergestellt worden, weshalb allenfalls eine Wertersatzeinziehung nach § 74c Abs. 1 StGB in Betracht zu ziehen gewesen ist.
Rz. 21
bb) Da die Kundengelder des Hawala-Banking ausschließlich den §§ 74 ff. StGB unterfallen, scheidet eine Wertersatzeinziehung indes aus, sofern der Täter - wie hier - die Kundengelder bestimmungsgemäß im Rahmen des Hawala-Banking transferierte, und zwar auch dann, wenn er zeitweilig Eigentum an dem Bargeld erlangt haben sollte (vgl. § 74 Abs. 3 StGB). Denn eine solche Weitergabe als Teil des von § 129 Abs. 1 Satz 1 StGB (und § 63 Abs. 1 Nr. 4 ZAG) erfassten strafbaren Handelns ist keine Vereitelung der Einziehung im Sinne des § 74c Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 - 3 StR 403/20, juris Rn. 37; s. auch Urteil vom 15. Juni 2022 - 3 StR 295/21, NJW 2022, 3092 Rn. 25 ff.; Beschluss vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20, juris Rn. 29 ff.; Urteil vom 29. Juli 2021 - 3 StR 156/20, BGHR AWG § 18 Abs. 1 Nr. 1 Bereitstellungsverbot 3 Rn. 30 f.). Insofern gilt:
Rz. 22
Tatmittel beziehungsweise Tatobjekt wird ein Gegenstand erst durch die Tatbegehung. Die Einziehung eines Gegenstandes als Tatmittel nach § 74 Abs. 1 StGB oder Tatobjekt nach § 74 Abs. 2 StGB kommt daher erst mit der Begehung der Straftat in Betracht, bei der der Gegenstand gebraucht wurde beziehungsweise die sich auf ihn bezog. Erst die Tat macht den betreffenden Gegenstand zum Einziehungsgegenstand. Voraussetzung für eine Anordnung nach § 74c Abs. 1 StGB ist deshalb, dass durch eine Straftat eine Einziehungslage entstanden ist und der Täter oder Teilnehmer zeitlich nachfolgend, also nach der Tatbegehung und der hieraus resultierenden Entstehung der staatlichen Einziehungsbefugnis, die Einziehung des betreffenden Tatmittels oder Tatobjekts unmöglich gemacht hat, indem er dieses veräußert oder verbraucht beziehungsweise dessen Einziehung auf andere Weise vereitelt hat. Die Tatbegehung selbst ist somit keine Vereitelungshandlung im Sinne des § 74c Abs. 1 StGB. Die Einziehung des Wertes von Tatmitteln und Tatobjekten erfasst daher nur solche Fälle, in denen der Täter oder Teilnehmer durch andere als die im konkreten Fall die Einziehung begründenden Tathandlungen die Einziehung eines Tatmittels oder Tatobjektes vereitelt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 2022 - 3 StR 295/21, NJW 2022, 3092 Rn. 26; Beschluss vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20, juris Rn. 29 ff.; Urteil vom 29. Juli 2021 - 3 StR 156/20, BGHR AWG § 18 Abs. 1 Nr. 1 Bereitstellungsverbot 3 Rn. 30 f.). In Fällen wie dem vorliegenden, in denen im Rahmen von Hawala-Banking Kundengelder transferiert und an Empfänger ausgezahlt werden, wird indes zugleich mit der Tatbegehung und durch diese eine spätere Einziehung der Gelder als Tatmittel beziehungsweise Tatobjekte nach § 74 Abs. 1 und 2 StGB unmöglich gemacht.
Rz. 23
c) Der - zwingenden - Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB unterliegen mithin vorliegend allein die von den Angeklagten vereinnahmten Provisionen, deren Höhe die Strafkammer rechtsfehlerfrei mit 1.439.454,28 € beziehungsweise 51.541,77 € bestimmt hat. Der Senat ändert daher die Einziehungsentscheidung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Beschlussformel ersichtlich; § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen. Für die Anordnung einer gesamtschuldnerischen Haftung der Angeklagten K. und B. ist kein Raum.
III.
Rz. 24
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO. Der geringfügige Erfolg der Rechtsmittel lässt es nicht unbillig erscheinen, die Beschwerdeführer mit deren gesamten Kosten zu belasten.
Schäfer |
|
Berg |
|
Erbguth |
|
Kreicker |
|
Voigt |
|
Fundstellen
Haufe-Index 15642141 |
NStZ-RR 2023, 179 |
GWR 2023, 263 |
StV 2023, 736 |