Entscheidungsstichwort (Thema)
Falschbeurkundung im Amt
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 19. Juli 1999 wird mit der Maßgabe verworfen, daß in den Fällen II.C.2. bis 4. der Urteilsgründe die Verurteilung wegen Falschbeurkundung im Amt entfällt.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Landgericht Mannheim hat den Angeklagten, einen Rechtsanwalt und vormaligen Notar, wegen Falschbeurkundung im Amt in 27 Fällen, begangen in den Fällen II.C.1., 3. und 4. der Urteilsgründe in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue und in den Fällen II.C.2. und 7. in Tateinheit mit Beihilfe zum Betrug, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge lediglich in den Fällen II.C.2. bis 4. der Urteilsgründe zum Wegfall der Verurteilung wegen Falschbeurkundung im Amt (§ 348 Abs. 1 StGB). Die erhobenen Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg. Der Erörterung bedarf nur das Folgende:
1. Die Verfahrensrüge, das Landgericht habe gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen, entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Revision bringt vor, dem Angeklagten sei anläßlich eines Haftprüfungstermins „von der Kammer … in Aussicht gestellt” worden, er „werde bei einem Geständnis zu einer bewährungsfähigen Freiheitsstrafe und daneben zu einer nicht unerheblichen Geldstrafe verurteilt”. Trotz entsprechender Angaben des Angeklagten habe das Landgericht diese Ankündigung ohne vorherigen Hinweis nicht eingehalten.
Allein anhand dieses Vortrags kann der Senat nicht prüfen, ob das Landgericht den geltend gemachten Verfahrensverstoß begangen, insbesondere einen gebotenen Hinweis an den Angeklagten unterlassen hat. Dafür wäre jedenfalls die Mitteilung erforderlich gewesen, auf welche Vorwürfe sich die im Rahmen des Haftprüfungstermins in Aussicht gestellte Strafe bezog und ob – gegebenenfalls inwiefern – diese sich von den verurteilten Taten unterschieden. Keiner Entscheidung bedarf daher, ob die Ankündigung der Berufsrichter anläßlich der Haftprüfung überhaupt geeignet wäre, eine Vertrauenslage beim Angeklagten zu begründen (vgl. BGHSt 43, 195, 210).
2. Der Schuldspruch ist nur insofern zu beanstanden, als die vom Landgericht getroffenen Feststellungen in den Fällen II.C.2. bis 4. die Verurteilung wegen Falschbeurkundung im Amt nicht zu tragen vermögen. Danach erwarben von September 1993 bis August 1994 die wegen dieses Vorgehens bereits rechtskräftig verurteilten B., T. und Br. konkursreife Unternehmen (Einzelfirmen und Gesellschaften mit beschränkter Haftung), entzogen diesen noch vorhandene Vermögenswerte zu ihren Gunsten. Anschließend veräußerten sie diese Unternehmen vor allem an junge, geschäftlich unerfahrene und mittellose Personen mit meist schwer auffindbaren oder fiktiven Anschriften. An diesen Geschäften wirkte der Angeklagte in Kenntnis dieser Hintergründe in seiner Funktion als Notar wie folgt mit:
a) In den Fällen II.C.1. sowie 11. bis 27. der Urteilsgründe beurkundete er eigene, im Rahmen des Beurkundungsvorgangs gemachte amtliche Wahrnehmungen (§ 418 ZPO) der Wahrheit zuwider. Es handelte sich jeweils um Angaben, auf die sich der öffentliche Glaube der Urkunde, d.h. die „volle Beweiswirkung für und gegen jedermann”, erstreckt. Dazu gehören vor allem solche, die nach dem Gesetz zwingend anzugeben sind (BGHSt 44, 186, 188). Dies ist u.a. der Fall beim Wohnort einer am zu beurkundenden Geschäft beteiligten natürlichen Person (§§ 6 Abs. 2, 9 Abs. 1 Nr. 1 BeurkG, 25 Abs. 1 DONot; Fälle II.C.11. bis 18.), bei deren Namen (vgl. Weingärtner/Schöttler DONot 7. Aufl. Rdn. 388; Fälle II.C.19. bis 27.) sowie bei der Vorlage einer Vollmachtsurkunde für einen Beteiligten durch einen Erschienenen (Keidel/Winkler BeurkG 14. Aufl. § 12 Rdn. 1, 16; Huhn/von Schuckmann BeurkG 3. Aufl. § 12 Rdn. 3; Fall II.C.1.).
b) In allen Fällen beurkundete der Angeklagte Erklärungen der Beteiligten (§§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BeurkG, 415 ZPO). Insofern bezieht sich die erhöhte Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde nur auf die Abgabe der beurkundeten Erklärung selbst, nicht aber auf deren inhaltliche Richtigkeit (BGHR StGB § 348 Abs. 1 Notar 1). Entscheidend für die Strafbarkeit nach § 348 StGB ist somit allein, ob eine Erklärung beurkundet wird, die tatsächlich nicht erfolgt ist; auf deren Wahrheitsgehalt kommt es nicht an.
Der Senat entnimmt den mitgeteilten Gesamtumständen der Geschäftsabwicklung in den Fällen II.C.5. bis 27. der Urteilsgründe, daß vom Angeklagten beurkundete Erklärungen nicht abgegeben wurden, auch wenn das Urteil dies an keiner Stelle ausdrücklich feststellt. Entscheidend ist in diesen Fällen die Feststellung, daß der Weiterverkauf der Unternehmen einerseits an tschechische Erwerber, denen es „offensichtlich an den für das Verständnis des Vorgangs erforderlichen Deutschkenntnissen fehlte”, ohne daß jedoch der „Wortlaut der Urkunde im einzelnen ins Tschechische übersetzt” wurde (Fälle II.C.5. bis 18.), und andererseits an einen von T. offensichtlich als „Strohmann” gewonnenen, unter Verwendung des Personaldokuments eines nicht anwesenden türkischen Staatsangehörigen (UA S. 9, 32) auftretenden Käufers (Fälle II.C.19. bis 27.) erfolgte, so daß eine Abgabe der als solche beurkundeten Erklärungen durch die „Erwerber” ausscheidet.
In den übrigen Fällen (II.C.1. bis 4.) lassen sich vergleichbare Umstände den Urteilsgründen nicht entnehmen. Allein der Umstand, daß der Kaufpreis für die Übernahme der Unternehmen „auf Veranlassung des Angeklagten” in Höhe von wenigstens 5.000 DM beurkundet wurde, genügt insofern nicht. Soweit die Verurteilung hier auch wegen Falschbeurkundung im Amt erfolgte (Fälle II.C.2. bis 4.), mußte sie insoweit entfallen. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert.
3. Dies nötigt jedoch nicht zur Aufhebung der vom Landgericht in diesen drei genannten Fällen verhängten Einzelstrafen. Gleiches gilt für den Fall II.C.1., in dem der Schuldspruch gemäß § 348 Abs. 1 StGB allein in der Falschbeurkundung des Vorliegens einer Vollmachtsurkunde besteht. Denn in diesen Fällen ergibt sich der Unrechtsgehalt des Vorgehens des Angeklagten hauptsächlich aus der Unterstützung der Dritte schädigenden Haupttaten (§§ 263, 266 StGB) von B. und seinen Mittätern. Dies hat auch das Landgericht bei seiner Strafzumessung als erheblich angesehen und dementsprechend das Gewicht der verursachten Schäden betont. Im übrigen beschwert es den Angeklagten nicht, daß das Landgericht zwar weitere unzutreffende Beurkundungen feststellt (so etwa in den Fällen II.C.19. bis 27. die falsche Anschrift des Erwerbers), diese dem Angeklagten aber schon bei seiner rechtlichen Würdigung nicht zur Last gelegt hat.
b) Ebensowenig ist im Ergebnis zu beanstanden, daß das Landgericht bei der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe zu Lasten des Angeklagten dessen „erhebliche persönliche Bereicherung” gewertet und dabei auch den „Tatgewinn” berücksichtigt hat, den der insoweit ebenfalls geständige Angeklagte aus einer Vielzahl gleichgelagerter, aber gemäß § 154 Abs. 1 StPO bereits im Ermittlungsverfahren eingestellter Taten erzielt hat (vgl. BGHSt 30, 165). Das Landgericht hat hinsichtlich dieses Gewinns ausreichende Feststellungen getroffen und den Angeklagten auf deren mögliche Verwertbarkeit hingewiesen. Der Senat weist allerdings darauf hin, daß die Anwendung von der Prozeßökonomie dienenden Vorschriften nicht Anlaß sein darf, die Erhebung einer prozeßordnungsgemäßen Anklage in Teilen zu umgehen und so deren Informations- und Begrenzungsfunktion leerlaufen zu lassen (vgl. BGHSt 44, 153), die zudem eine rechtzeitige sachgerechte Verteidigung erst ermöglicht.
4. Die weitere Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt (§ 349 Abs. 2 StPO).
Unterschriften
Maul, Granderath, Boetticher, Schomburg, Schluckebier
Fundstellen
Haufe-Index 556630 |
wistra 2000, 266 |