Entscheidungsstichwort (Thema)
unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Fulda vom 10. November 1998 dahin geändert, daß die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird.
Die weitergehende Revision wird verworfen. Die vom Angeklagten zu tragende Gebühr für die Revisionsverfahren wird um ein Drittel ermäßigt. Von den Kosten und den dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen des ersten Revisionsverfahrens trägt die Staatskasse ein Drittel, der Angeklagte zwei Drittel; die Kosten und die dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen des zweiten Revisionsverfahrens fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Durchgang wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat dieses Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben (2 StR 349/98) und die Sache insoweit an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Nunmehr wurde der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.
Seine Revision gegen diese Entscheidung führt zur Aussetzung der verhängten Strafe zur Bewährung; im übrigen ist sie im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
Der Senat schließt sich dem Generalbundesanwalt an, der in seiner Antragsschrift vom 7. April 1999 zur Frage der Strafaussetzung zur Bewährung ausgeführt hat:
„Die Strafkammer hat dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose gestellt (UA S. 5/6), gleichwohl das Vorliegen besonderer Umstände i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB mit der Begründung verneint, der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat stehe der Strafaussetzung entgegen, weil es sich bei Heroin und Kokain um zwei der gefährlichsten Drogen handele (UA S. 6). Aus dem gleichen Grunde gebiete auch die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Freiheitsstrafe, § 56 Abs. 3 StGB (UA S. 7).
Diese Begründung ist bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil die Voraussetzungen einer Strafaussetzung gemäß § 56 Abs. 2 und Abs. 3 StGB vermengt werden. Denn in beiden Fällen stellt die Kammer ausschließlich auf die Gefährlichkeit der Drogen ab. Die Begründung läuft zudem darauf hinaus, eine bestimmte Deliktsgruppe, den Handel mit Heroin und Kokain, generell aus dem Anwendungsbereich des § 56 StGB herauszunehmen; das ist unzulässig (BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 2; Tröndle StGB 48. Aufl. § 56 Rdn. 8 b m.w.N.).
Die Kammer hat Milderungsgründe von erheblichem Gewicht festgestellt (UA S. 6). Wenn sie gleichwohl meint, die Milderungsgründe stellten im Hinblick auf den Unrechts- und Schuldgehalt keine besonderen Umstände i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB dar, so geht sie von einem zu engen Anwendungsbereich der Vorschrift aus. Denn bereits ein Zusammentreffen durchschnittlicher und einfacher Milderungsgründe kann die Bedeutung besonderer Umstände i.S. von § 56 Abs. 2 StGB haben (BGHR StGB § 56 Abs. 2 Gesamtwürdigung, unzureichende 1, 2, 4; Tröndle § 56 Rdn. 9 d m.w.N.). Das gilt erst recht, wenn der Angeklagte bereits mehr als neun Monate in Untersuchungshaft verbracht hat (vgl. BGH StV 1990, 304; BGH StV 1993, 302). Im Hinblick auf Vielzahl und Gewicht der für den Angeklagten sprechenden Milderungsgründe liegen die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 StGB zweifelsfrei vor. Es kann ausgeschlossen werden, daß in einer dritten Hauptverhandlung noch ergänzende Feststellungen getroffen werden könnten.
Auch die Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 StGB liegen ersichtlich nicht vor. Denn der Angeklagte befand sich in dieser Sache bereits mehr als neun Monate in Untersuchungshaft. Die Annahme, eine Aussetzung der nach Anrechnung verbleibenden Reststrafe könne auf das Unverständnis der Bevölkerung stoßen und deren Rechtstreue ernstlich beeinträchtigen, liegt infolgedessen fern (vgl. BGH StV 1991, 157). Schließlich läßt der Hinweis, es gelte zu bedenken, daß nunmehr eine Aussetzung des Strafrestes gemäß § 57 Abs. 2 StGB in Betracht komme (UA S. 6), besorgen, daß die Strafaussetzung aus sachfremden Erwägungen versagt wurde.
Der Senat kann daher die allein noch in Betracht kommende Sachentscheidung selbst treffen. Lediglich die Entscheidungen nach § 56 a bis 56 d StGB und die Belehrung des Angeklagten nach § 268 a Abs. 3 StPO bleiben dem Tatgericht überlassen (vgl. BGHR StGB § 56 Abs. 2 Gesamtwürdigung, unzureichende 5).”
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO. Der Angeklagte hat zwar mit der zweiten Revision das (nur noch den Rechtsfolgenausspruch betreffende) Urteil insgesamt angefochten, im wesentlichen erstrebte er aber die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung. Dieses Ziel hat er erreicht. Es erscheint daher billig, der Staatskasse die gesamten Kosten und Auslagen des zweiten Revisionsverfahrens aufzuerlegen (BGH, Beschl. v. 15. April 1997 - 4 StR 126/97). Im ersten Revisionsverfahren richtete sich seine Revision ohne Erfolg auch gegen den Schuldspruch, so daß insoweit eine für den Angeklagten ungünstigere Kostenentscheidung geboten war.
Unterschriften
Niemöller, Theune, Bode, Otten, Rothfuß
Fundstellen
Haufe-Index 540282 |
NStZ-RR 1999, 281 |
BewHi 2000, 233 |
StV 1999, 645 |