Verfahrensgang
AG Rastatt (Urteil vom 28.08.2003) |
Tenor
Die Vollstreckung der Restjugendstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Rastatt vom 28. August 2003 obliegt dem
Jugendrichter beim Amtsgericht Adelsheim. |
Gründe
1. Das Amtsgericht Rastatt hat den Verurteilten durch Urteil vom 28. August 2003 unter Einbeziehung eines Urteils des Amtsgerichts Gengenbach vom 21. März 2002 zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt und die Entscheidung über die Vollstreckung der Jugendstrafe für sechs Monate zurückgestellt. Aufgrund eines Sicherungshaftbefehls wurde er am 25. Februar 2004 festgenommen. Durch Beschluß vom 7. April 2004 wurde die Strafaussetzung zur Bewährung versagt und die Vollstreckung der Jugendstrafe angeordnet. Am gleichen Tag wurde er zur Verbüßung der Restjugendstrafe dem Jugendstrafvollzug der Justizvollzugsanstalt Adelsheim zugeführt. Der Jugendrichter beim Amtsgericht Adelsheim als Vollstreckungsleiter ordnete mit Beschluß vom 14. Mai 2004 gemäß § 92 Abs. 2 und Abs. 3 JGG die Ausnahme vom Jugendstrafvollzug an. Nach Aufnahme des Verurteilten im Erwachsenenvollzug in der Justizvollzugsanstalt Rottenburg gab der Jugendrichter bei dem Amtsgericht Adelsheim die Vollstreckung gemäß § 85 Abs. 5 JGG an den Jugendrichter des Amtsgerichts Rottenburg ab, der dortige Jugendrichter übernahm mit Beschluß vom 9. Juni 2004 die Vollstreckung. Am 12. Oktober 2004 wurde der Verurteilte, nachdem gemäß § 456 a StPO von weiterer Vollstreckung gegen ihn abgesehen worden war, nach Bosnien-Herzegowina abgeschoben. Mit Beschluß vom 12. Januar 2005 gab der Jugendrichter des Amtsgerichts Rottenburg die weitere Vollstreckung an den Jugendrichter bei dem Amtsgericht Adelsheim zurück. Dieser lehnte die Rücknahme ab. Daraufhin legte der Jugendrichter des Amtsgerichts Rottenburg die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vor.
2. Der Bundesgerichtshof ist als gemeinsames oberes Gericht nach § 14 StPO, § 2 JGG zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen, weil die Amtsgerichte Rottenburg und Adelsheim im Zuständigkeitsbereich unterschiedlicher Oberlandesgerichte liegen (OLG Stuttgart und OLG Karlsruhe).
3. Der Jugendrichter beim Amtsgericht Adelsheim als Vollstreckungsleiter nach § 85 Abs. 2 JGG ist verpflichtet, die Vollstreckungsleitung zurückzunehmen.
a) Wie der Senat bereits in seiner zur Veröffentlichung bestimmten Entscheidung vom 23. März 2005 – 2 ARs 85/05 – ausgeführt hat, bleibt der Vollstreckungsleiter nach § 85 Abs. 2 JGG trotz einer Übertragung der Vollstreckung gemäß § 85 Abs. 5 JGG „Herr des Verfahrens”, denn die Abgabe nach § 85 Abs. 5 JGG ist nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung stets widerruflich. Daraus folgt, daß der Vollstreckungsleiter gemäß § 85 Abs. 2 JGG das Recht, aber auch die Pflicht behält, bei Änderung der Verhältnisse seine Entscheidung nachzuprüfen und, wenn erforderlich, die Übertragung rückgängig zu machen und ein anderes Gericht mit den weiteren Aufgaben zu betrauen (vgl. BGHSt 24, 332, 335; 28, 351, 353; OLG Düsseldorf JMBl. NW 1989, 274, 275; Sonnen in Diemer/Schoreit/Sonnen, JGG 4. Aufl. § 85 Rdn. 11). Die Verpflichtung des Vollstreckungsleiters nach § 85 Abs. 2 JGG, bei einer Änderung der Umstände tätig zu werden, ist auch deshalb sachgerecht, weil der gemäß § 85 Abs. 5 JGG mit der Vollstreckungsleitung beauftragte Jugendrichter die Sache nicht weitergeben darf (vgl. BGHSt 24, 332, 335; 27, 329, 331; BGH NStZ 1983, 139; NStZ-RR 2003, 29; Brunner/Dölling, JGG 11. Aufl. § 85 Rdn. 18; Sonnen in Diemer/Schoreit/Sonnen aaO Rdn. 11; Eisenberg, JGG 10. Aufl. § 85 Rdn.13; Ostendorf, JGG 6. Aufl. § 85 Rdn. 13).
b) Für eine Verpflichtung des Jugendrichters beim Amtsgericht Adelsheim, die Vollstreckungsleitung zurückzunehmen, sprechen hier zudem praktische Gesichtspunkte. Der Grund für die Übertragung der Vollstreckungsleitung an das Amtsgericht Rottenburg ist mit der Abschiebung des Verurteilten nach Bosnien-Herzegowina entfallen. Während seiner Abwesenheit besteht kein Grund für eine Abgabe der Vollstreckung durch den nach § 85 Abs. 2 JGG zuständigen Vollstreckungsleiter (vgl. OLG Hamm MDR 1983, 602). Entscheidungen des Vollstreckungsleiters werden erst dann wieder notwendig, wenn der Verurteilte erneut in der Bundesrepublik Deutschland verhaftet werden sollte. Derzeit ist nicht abzusehen, in welcher Justizvollzugsanstalt die Restjugendstrafe in diesem Fall verbüßt werden würde. Bei einer Aufnahme des Verurteilten in eine andere Justizvollzugsanstalt könnte der Jugendrichter beim Amtsgericht Rottenburg die Vollstreckungsleitung nicht an den dann örtlich zuständigen Jugendrichter übertragen. Auch zu einer Übertragung der Vollstreckung auf die Staatsanwaltschaft nach § 85 Abs. 6 JGG ist er nicht befugt, sondern nur der Jugendrichter beim Amtsgericht Adelsheim als Vollstreckungsleiter nach § 85 Abs. 2 JGG. Angesichts dessen erscheint es sachgerecht, daß der Jugendrichter beim Amtsgericht Adelsheim schon jetzt die Vollstreckungsleitung wieder übernimmt.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Detter, Bode, Otten, Roggenbuck
Fundstellen