Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 13.11.2002)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 13. November 2002

  1. im Schuldspruch im Fall 176 der Urteilsgründe dahin geändert, daß der Angeklagte der Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug schuldig ist,
  2. mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

    • in den Fällen 80 und 88 der Urteilsgründe,
    • im Strafausspruch in den Fällen 61, 102 bis 105 und 121 bis 138 der Urteilsgründe,
    • im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

 

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 177 Fällen, davon in acht Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, und wegen versuchten Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Im übrigen wurde er freigesprochen.

Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist es unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verurteilung wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung im Fall 176 der Urteilsgründe (Fall 209 der Anklage) hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, da die Annahme eines vollendeten Betruges von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht getragen wird.

Nach den Feststellungen begaben sich der Angeklagte B. und der gesondert verfolgte D. am 16. Oktober 1998 in den Media-Markt H., um dort zuvor vom Angeklagten M. bestimmte Waren im Wert von 2.310,75 DM zu erwerben. Zur Finanzierung des Kaufpreises schloß D. unter Vorlage eines vom Angeklagten M. gefälschten vorläufigen Personalausweises und einer gefälschten Verdienstbescheinigung einen Darlehensvertrag über 10.802,47 DM unter falschen Personalien ab. Zur Übergabe der Waren und zur Auszahlung der Darlehenssumme kam es jedoch nicht, weil sich D. verdächtig benahm und festgenommen wurde. Damit fehlt es an dem für die Vollendung des Betruges erforderlichen Eintritt eines Vermögensschadens, so daß sich der Angeklagte nur wegen (vollendeter) Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug strafbar gemacht hat.

Der Schuldspruch war danach wie geschehen zu ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Es ist auszuschließen, daß sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldspruch wirksamer hätte verteidigen können.

Von der insoweit erforderlichen Umstellung des Schuldspruchs bleibt der Strafausspruch unberührt. Der Senat kann ausschließen, daß das Landgericht trotz des veränderten Schuldgehalts eine geringe Einzelstrafe als ein Jahr verhängt hätte. Die Einzelstrafe wäre dem Strafrahmen des § 267 Abs. 3 StGB n.F. (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren) zu entnehmen gewesen, der dem des von der Strafkammer angewendeten § 263 Abs. 3 StGB n.F. entspricht. Die Annahme eines besonders schweren Falls der Urkundenfälschung wegen des gewerbsmäßigen Handelns des Angeklagten ist rechtsfehlerfrei. Die fehlende Vollendung des tateinheitlich begangenen Betruges hätte zu keiner niedrigeren Strafe geführt; auch im Fall 180 der Urteilsgründe, in dem der Angeklagte (nur) des versuchten Betruges schuldig gesprochen und das Vorliegen eines besonders schweren Falls nach § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB n.F. verneint worden ist, hat das Landgericht bei ungefähr gleicher Höhe des erstrebten Vermögensvorteils eine Einzelstrafe von einem Jahr festgesetzt.

2. Aufzuheben war der Schuldspruch in den Fällen 80 und 88 der Urteilsgründe (Fälle 91 und 99 der Anklage).

Nach den Urteilsfeststellungen bestellte der Angeklagte M. am 22. August 1998 zweimal unter dem Namen N. bei der Fa. T.-Versand Waren im Wert von jeweils 702 DM, die er nach der Lieferung planmäßig nicht bezahlte. Das Landgericht hat jede Bestellung als eigenständige Tat gewertet (Fälle 80 und 88 der Urteilsgründe). Im Hinblick auf die Übereinstimmung von Bestelldatum und Warenwert liegt es jedoch nahe, daß es sich wie in den Fällen 92 und 161, in denen das Landgericht den Angeklagten wegen Tatidentität freigesprochen hat, um dieselbe Tat handelt. Der Senat hebt daher den Schuldspruch auf, um dem Landgericht eine erneute Prüfung zu ermöglichen.

3. Das Landgericht hat in den Fällen 61, 102 bis 105 und 121 bis 138 der Urteilsgründe jeweils einen besonders schweren Fall des Betruges in Form gewerbsmäßigen Handelns (§ 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB n.F.) angenommen, obwohl die Tatzeiten vor dem Inkrafttreten des 6. Strafrechtsreformgesetzes am 1. April 1998 lagen. Mit der Frage, ob das neue Recht milder ist als das Tatzeitrecht, hat sich das Landgericht nicht auseinander gesetzt. Das neue Recht ist nicht allein wegen der geringeren Mindeststrafe milder (BGH wistra 2001, 303). Das Landgericht hätte zunächst erörtern müssen, ob nach früherem Recht überhaupt – nicht benannte – besonders schwere Fälle im Sinne des § 263 Abs. 3 StGB a.F. vorliegen. Die Erörterung war nicht entbehrlich, weil die Annahme eines besonders schweren Falls bei Anwendung des zur Tatzeit geltenden Rechts sich hier nicht von selbst versteht. Die Gewerbsmäßigkeit des Handelns allein reichte unter der Geltung des alten Rechts hierzu regelmäßig nicht aus, vielmehr war eine Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit vorzunehmen (BGHR StGB § 263 Abs. 3 Gesamtwürdigung 1 und 2; BGH, Beschl. vom 19. Juli 2001 – 3 StR 203/01, insoweit nicht abgedruckt in NStZ 2001, 650). Die Würdigung ist daher unvollständig und rechtsfehlerhaft. Die Einzelstrafen müssen deshalb erneut zugemessen werden.

4. Mit der Aufhebung der 23 Einzelstrafen entfällt die Grundlage für die Gesamtfreiheitsstrafe. Im Rahmen der erneuten Gesamtstrafenbildung wird der Tatrichter auch die erhebliche Verfahrensverzögerung zwischen der Urteilsverkündung am 13. November 2002 und dem Eingang der Akten beim Bundesgerichtshof am 24. März 2004 zu bedenken haben. Ob insoweit bereits eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt, welche hier vom Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen wäre (ständige Rechtsprechung, vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 8 und 10), kann deshalb dahingestellt bleiben.

 

Unterschriften

Rissing-van Saan, Detter, Bode, Otten, Roggenbuck

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2560206

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