Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 5) wird der Beschluss des 6. Senats für Familiensachen in Darmstadt des OLG Frankfurt vom 7.8.2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das OLG zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 1.350 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Das AG hat im Scheidungsverbundverfahren mit Beschluss vom 17.3.2014 die Ehe der 1952 geborenen Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) und des 1951 geborenen Antragsgegners (im Folgenden: Ehemann) geschieden und den Versorgungsausgleich für die Ehezeit vom 1.11.1975 bis zum 31.7.2012 geregelt. Dabei hat es neben dem Ausgleich von Anrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der privaten Altersvorsorge angeordnet, dass zu Lasten des betrieblichen Anrechts des Ehemanns bei der R. AG (Beteiligte zu 5) im Wege der internen Teilung zugunsten der Ehefrau ein auf den 31.7.2012 bezogenes Anrecht mit einem Ausgleichswert von 370.070,98 EUR begründet wird.
Rz. 2
Mit ihrer dagegen gerichteten Beschwerde hat die R. AG geltend gemacht, die Entscheidung des AG berücksichtige nicht, dass der Ehemann bereits seit dem 1.11.2011 aus dem ungekürzten betrieblichen Anrecht eine Altersrente beziehe und dadurch ein "Werteverzehr" eingetreten sei. Die R. AG hat im Beschwerdeverfahren eine aktualisierte Auskunft vorgelegt, mit der sie den Ausgleichswert zum 31.8.2014 nach Abzug von Teilungskosten mit 327.572,46 EUR beziffert hat. Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die R. AG mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 3
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
Rz. 4
1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2015, 754 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, dass der Rentenbezug des Ausgleichspflichtigen und der damit einhergehende "Verzehr" des Kapitalwerts der Versorgung keine Änderung der Verhältnisse i.S.v. § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG darstelle. Eine abweichende Sichtweise würde dazu führen, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte - sofern er keinen Unterhalt zahlen müsse - dazu animiert werde, das Verfahren über den Versorgungsausgleich möglichst lange herauszuschieben, um weiterhin die ungeschmälerte Versorgung zu beziehen. Hinzu komme, dass der Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung nicht zuverlässig vorhergesagt und der Werteverzehr durch das Gericht bei seiner Entscheidung deshalb nicht zutreffend berücksichtigt werden könne.
Rz. 5
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 6
a) Richtig ist dabei allerdings im Ausgangspunkt, dass der nachehezeitliche Rentenbezug keine auf die Ehezeit zurückwirkende tatsächliche Änderung i.S.v. § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG darstellt (vgl. BGH BGHZ 209, 32 = FamRZ 2016, 775 Rz. 28 ff.; v. 24.8.2016 - XII ZB 84/13, FamRZ 2016, 2000 Rz. 14 ff.). Wie der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung mehrfach ausgesprochen hat, rechtfertigt dies aber nicht die Schlussfolgerung, dass die laufenden Veränderungen der Bewertungsfaktoren einer betrieblichen Altersversorgung in der Leistungsphase beim Versorgungsausgleich nicht berücksichtigt werden dürften.
Rz. 7
aa) Ansonsten käme es zu einer übermäßigen Inanspruchnahme des Versorgungsträgers. Denn dieser muss aus dem erst noch auszugleichenden Ehezeitanteil bereits laufende Leistungen an den Ausgleichspflichtigen erbringen, die sich nach Durchführung des Versorgungsausgleichs als überproportional zu dem bei ihm nur anteilig verbleibenden Anrecht darstellen würden, während gesetzliche Erstattungs- oder Ausgleichsmechanismen außerhalb des § 30 VersAusglG nicht vorgesehen sind. Den Versorgungsträger mit solchen Mehrbelastungen zu belegen, wäre jedoch mit grundgesetzlichen Rechtsgarantien nicht vereinbar.
Rz. 8
Nach der Rechtsprechung des BVerfG schützt Art. 2 Abs. 1 GG einen privaten Versorgungsträger vor hoheitlichen Eingriffen in Verträge, die er abgeschlossen hat, und er gewährleistet ferner die Handlungsfreiheit des Versorgungsträgers im wirtschaftlichen Bereich. Einen unzulässigen Eingriff würde es darstellen, wenn einem privatrechtlichen Träger der zusätzlichen Altersversorgung die Verpflichtung auferlegt werden sollte, einem geschiedenen Versorgungsempfänger Leistungen in einem Umfang zu erbringen, auf die dieser nach dem Inhalt des abgegebenen Versorgungsversprechens keinen Anspruch hat. Um einen solchen Eingriff handelte es sich, wenn der Versorgungsträger zunächst für eine Übergangszeit die volle Rentenleistung erbringen und dennoch rückwirkend das ungekürzte Anrecht teilen müsste. Denn mit der planmäßigen Auszahlung der Rente an die ausgleichspflichtige Person ab Erreichen der vereinbarten Altersgrenze erfüllt der Versorgungsträger bereits einen Teil seiner vertraglichen Leistungszusage so, als sei und bleibe das bei ihm erworbene Anrecht ungeteilt. Eine zusätzlich auf das Ende der Ehezeit bezogene (höhere) Bewertung des Anrechts im Versorgungsausgleich würde zu einer wesentlichen Vermehrung der Zahlungsströme führen und die versicherungsmathematische Äquivalenz nach der Begründung des Leistungsversprechens stören. Den Trägern der ergänzenden Altersversorgung dürfen indessen über die durch den Versorgungsausgleich angeordnete, wertneutrale Halbteilung bestehender Anrechte hinaus keine zusätzlichen Leistungspflichten und Risiken aufgebürdet werden, durch die das versicherungsmathematische Gleichgewicht von Deckungsbeitrag und Leistungsanspruch einseitig zu Lasten des Versorgungsträgers verschoben würde. Zwar gibt es keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass einem privatrechtlich organisierten Versorgungsträger jede Belastung durch den Versorgungsausgleich erspart bleiben müsse; es fehlt aber an einer verfassungsrechtlich tragfähigen Legitimation dafür, einem privaten Versorgungsträger wegen der Scheidung eines Betriebsangehörigen weitergehende wirtschaftliche Belastungen zuzumuten, als dies mit der aufwandsneutralen Umsetzung des Versorgungsausgleichs verbunden ist (vgl. BGH BGHZ 209, 32 = FamRZ 2016, 775 Rz. 45 ff.; v. 24.8.2016 - XII ZB 84/13, FamRZ 2016, 2000 Rz. 18 ff.). Diese für kapitalgedeckte Versorgungen aufgestellten Grundsätze gelten in gleicher Weise für rückstellungsfinanzierte Anrechte aus Direktzusagen (vgl. BGH BGHZ 209, 32 = FamRZ 2016, 775 Rz. 67 f.). Denn die Beurteilung, dass der Versorgungsausgleich bei einer auf das Ende der Ehezeit bezogenen (höheren) Bewertung des Anrechts für den Versorgungsträger nicht kostenneutral durchgeführt werden kann, wenn dieser nach dem Ende der Ehezeit aus dem ungekürzten Anrecht vertragsgemäße Leistungen an die ausgleichspflichtige Person erbringt, hängt nicht mit der Finanzierungsform des Anrechts, sondern damit zusammen, dass der Wert des Anrechts als stichtagsbezogener versicherungsmathematischer Barwert angegeben ist (vgl. BGH v. 24.8.2016 - XII ZB 84/13, FamRZ 2016, 2000 Rz. 21).
Rz. 9
bb) Es ist auch nicht möglich, dem ausgleichsberechtigten Ehegatten aus dem reduziert verbliebenen Anrecht den auf das Ende der Ehezeit bemessenen vollen Ausgleichswert zu übertragen. Wenn ein solcher Ausgleich nicht zu Lasten des Versorgungsträgers ginge, hätte dies nämlich zur Folge, dass sich der zwischenzeitliche Rentenbezug aus dem noch ungekürzten Anrecht nach der Scheidung allein zu Lasten des ausgleichspflichtigen Ehegatten auswirkt, indem sein Anrecht nicht nur um den ehezeitlichen Ausgleichswert, sondern zusätzlich um den vollen Barwertverlust während des zwischenzeitlichen Rentenbezuges gekürzt würde. Der Halbteilungsgrundsatz gebietet aber nicht nur, dass die ausgleichsberechtigte Person die Hälfte des in der Ehezeit erworbenen Anrechts abzgl. der anteiligen Kosten der Teilung erhält, sondern ebenso, dass der ausgleichspflichtigen Person die Hälfte des von ihm erworbenen Anrechts abzgl. der anteiligen Teilungskosten verbleibt (BGH BGHZ 209, 32 = FamRZ 2016, 775 Rz. 51 f.; BT-Drucks. 16/10144, 126).
Rz. 10
Allein der bestimmungsmäßige Bezug der Rentenleistung rechtfertigt es nicht, der ausgleichspflichtigen Person einen geringeren Anteil an dem im Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung noch vorhandenen restlichen Barwert zuzuweisen, als ihn die ausgleichsberechtigte Person erhielte. Vielmehr ist die zwischen Ehezeitende und Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich eingetretene oder noch zu erwartende Minderung des Deckungskapitals des zu teilenden Anrechts grundsätzlich im Wege eines gleichmäßigen Abzugs auf beide Ehegatten zu verteilen. Um dies zu bewirken, hat es der Senat im Ausgangspunkt gebilligt, den Ausgleichswert anhand des noch vorhandenen restlichen Deckungskapitals zeitnah zur Entscheidung über den Versorgungsausgleich oder vorausschauend auf den Zeitpunkt der mutmaßlichen Rechtskraft zu ermitteln (BGH BGHZ 209, 32 = FamRZ 2016, 775 Rz. 55; v. 24.8.2016 - XII ZB 84/13, FamRZ 2016, 2000 Rz. 22).
Rz. 11
b) Das Beschwerdegericht wird daher nach der Zurückverweisung der Sache aktuelle Auskünfte zum restlichen Barwert der Versorgungsverpflichtung zu einem Bewertungszeitpunkt einzuholen haben, der zeitnah zu seiner (erneuten) Beschlussfassung liegt.
Rz. 12
Liegt der zum entscheidungsnahen Zeitpunkt aktualisierte Barwert unter dem Barwert zum Ehezeitende, kann freilich nur noch die Hälfte des in seinem Barwert geminderten Ehezeitanteils auf die Ehefrau übertragen werden. Das wird dem Halbteilungsgrundsatz gerecht, wenn sich die vom Ehemann aus dem noch ungeteilten Anrecht bei der R. AG bezogenen Leistungen im Rahmen einer Unterhaltsberechnung zugunsten der Ehefrau ausgewirkt haben. Hat die Ehefrau demgegenüber seit dem Ende der Ehezeit von den (ungekürzten) Versorgungsleistungen in unterhaltsrechtlicher Hinsicht nicht profitiert, kann der Halbteilungsgrundsatz durch den Ausgleich des im Entscheidungszeitpunkt noch vorhandenen Barwerts nicht vollständig erfüllt werden. In diesem Fall sind die gesetzlich eröffneten Korrekturmöglichkeiten zu prüfen. Insbesondere kann der Halbteilungsgedanke dann dadurch verwirklicht werden, dass die Gegenanrechte der Ehefrau bei der DRV Bund, die in umgekehrter Richtung auszugleichen wären, ganz oder teilweise gem. § 27 VersAusglG vom Versorgungsausgleich ausgenommen werden, soweit die gesamten Umstände des Einzelfalls dies rechtfertigen (BGH BGHZ 209, 32 = FamRZ 2016, 775 Rz. 58 f.; v. 24.8.2016 - XII ZB 84/13, FamRZ 2016, 2000 Rz. 26). Hierzu hat das Beschwerdegericht - aus seiner Sicht folgerichtig - bislang noch keine Feststellungen getroffen.
Rz. 13
3. Die Zurückverweisung gibt dem Beschwerdegericht zugleich Gelegenheit, die Angemessenheit der Teilungskosten zu überprüfen (vgl. BGH v. 18.3.2015 - XII ZB 74/12, FamRZ 2015, 913 Rz. 11 ff. und vom 25.3.2015 - XII ZB 156/12, FamRZ 2015, 916 Rz. 8 ff.). Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Fundstellen
Haufe-Index 11121530 |
FamRZ 2017, 1748 |
FuR 2017, 623 |