Leitsatz (amtlich)
Ermittelt das Gericht den Ausgleichswert einer laufenden kapitalgedeckten Versorgung anhand des noch vorhandenen Restkapitalwerts zeitnah zur Entscheidung über den Versorgungsausgleich oder vorausschauend auf den Zeitpunkt der mutmaßlichen Rechtskraft, so ist die interne Teilung des Anrechts nicht mit Bezug auf das Ehezeitende, sondern mit Bezug auf diesen Bewertungszeitpunkt auszusprechen (im Anschluss an Senatsbeschluss v. 1.8.2018 - XII ZB 159/18, NJW 2018, 3176).
Normenkette
VersAusglG § 10
Verfahrensgang
OLG Braunschweig (Beschluss vom 27.06.2018; Aktenzeichen 2 UF 66/18) |
AG Salzgitter (Entscheidung vom 09.04.2018; Aktenzeichen 33 F 241/17) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des 2. Senats für Familiensachen des OLG Braunschweig vom 27.6.2018 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das OLG zurückverwiesen.
Wert: 3.600 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Auf den am 21.9.2017 zugestellten Antrag hat das FamG die am 7.10.1994 geschlossene Ehe des Antragstellers (im Folgenden: Ehemann) und der Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Während der Ehezeit (1.10.1994 bis 31.8.2017; § 3 Abs. 1 VersAusglG) haben beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, darüber hinaus die Ehefrau ein betriebliches Anrecht bei der Beteiligten zu 2) und der Ehemann Anrechte aus verschiedenen Bausteinen der betrieblichen Versorgung bei der Volkswagen AG (Beteiligte zu 1), aus denen er bereits seit dem 1.6.2014 laufende Rente bezieht. Die Beteiligte zu 1) hat die bei ihr jeweils begründeten Rentenansprüche gemäß den ihrer letzten Handelsbilanz zugrunde gelegten Bewertungsgrundsätzen, jedoch mit dem auf das voraussichtliche Rechtskraftdatum (31.3.2018) prognostizierten Rechnungszins, jeweils in einen Kapitalwert umgerechnet. Für die "Grundversorgung" hat sie danach einen Ehezeitanteil als Kapitalwert von 76.260,02 EUR angegeben und - nach Abzug von 2.287,80 EUR Teilungskosten - einen Ausgleichswert von 36.986,11 EUR vorgeschlagen, für die "Beteiligungsrente I" einen ehezeitlichen Kapitalwert von 11.101,70 EUR und - nach Abzug von 333,05 EUR Teilungskosten - einen Ausgleichswert von 5.384,33 EUR, für die "Beteiligungsrente II" einen ehezeitlichen Kapitalwert von 7.800,35 EUR und - nach Abzug von 234,01 EUR Teilungskosten - einen Ausgleichswert von 3.783,17 EUR sowie für die "ATZ Ausgleichsrente" einen ehezeitlichen Kapitalwert von 10.831,89 EUR und - nach Abzug von 324,96 EUR Teilungskosten - einen Ausgleichswert von 5.253,47 EUR, bewertet jeweils auf den Stichtag 31.3.2018 als das voraussichtliche Rechtskraftdatum.
Rz. 2
Das FamG hat die Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung und das betriebliche Anrecht der Ehefrau wie vorgeschlagen intern geteilt. Die vom Ehemann bei der Beteiligten zu 1) erworbenen Anrechte hat es mit den vom Versorgungsträger vorgeschlagenen Ausgleichswerten, jedoch bezogen auf den 31.8.2017 als das Ehezeitende, intern geteilt.
Rz. 3
Gegen diese Entscheidung hat die Beteiligte zu 1) Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, die bei ihr bestehenden Anrechte mit den angegebenen Ausgleichswerten bezogen auf den Bewertungsstichtag am 31.3.2018 als dem voraussichtlichen Rechtskraftdatum zu teilen. Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen; hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1).
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.
Rz. 5
1. Das OLG hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Rz. 6
Maßgeblicher Zeitpunkt der Bewertung von Versorgungsanrechten sei das Ende der Ehezeit. Auf diesen Zeitpunkt sei ihre Teilung im Tenor zu beziehen. Eine Grundlage für eine davon abweichende Tenorierung ergebe sich auch bei laufendem Rentenbezug nicht.
Rz. 7
Die laufende Veränderung der Bewertungsfaktoren in der Leistungsphase stelle nämlich keine auf den Ehezeitanteil rückwirkende Veränderung dar, weshalb es auch bei laufendem Rentenbezug grundsätzlich bei der Bewertung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG mit dem Ende der Ehezeit als maßgeblichem Bewertungszeitpunkt verbleibe. Folgerichtig könne auch in die Tenorierung nur das Ehezeitende als Bezugspunkt aufgenommen werden. Es bedeute auch keinen Widerspruch, wenn bei der Berechnung des Ausgleichswerts berücksichtigt werde, dass der Versorgungsträger einen mit Zeitablauf geringer werdenden Betrag zur Abdeckung der noch offenen Leistungsverpflichtung vorhalte, und andererseits sichergestellt werde, dass ab dem Zeitpunkt, auf den die Teilung bezogen werde, für das neu begründete Anrecht des Ausgleichsberechtigten und das Restanrecht des Ausgleichspflichtigen die gleichen Bewertungsgrundsätze zugrunde gelegt würden. Denn es sei Aufgabe des Versorgungsträgers sicherzustellen, dass in die Berechnung für den Zeitraum, der zwischen dem Ende der Ehezeit und der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich liege, nicht Aspekte, die sich auf die Wertentwicklung auswirkten, doppelt berücksichtigt würden. Es sei nicht erkennbar, weshalb bei einer Tenorierung bezogen auf das Ehezeitende eine für den Versorgungsträger kostenneutrale Teilung des Anrechts nicht mehr gewährleistet sei. Eine doppelte Berücksichtigung von Wertentwicklungsfaktoren sei an keiner Stelle vorgesehen und ein Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz nicht erkennbar.
Rz. 8
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 9
Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat (Senat, Beschl. v. 1.8.2018 - XII ZB 159/18, NJW 2018, 3176 Rz. 17 ff.), ist ein auf das voraussichtliche Rechtskraftdatum ermitteltes Deckungskapital im Rahmen der internen Teilung nicht bezogen auf das Ehezeitende, sondern auf den zugrunde liegenden Bewertungsstichtag zu teilen.
Rz. 10
a) Nach der Senatsrechtsprechung zur Teilung von kapitalgedeckten Anrechten kann dem ausgleichsberechtigten Ehegatten nicht mehr der auf das Ende der Ehezeit bemessene volle Ausgleichswert übertragen werden, wenn aus dem Anrecht bereits eine laufende Rente bezogen wird und der noch bestehende Barwert unter den Barwert des Anrechts bei Eintritt in die Leistungsphase gesunken ist (Senatsbeschluss BGHZ 209, 32 = FamRZ 2016, 775 Rz. 42 ff.).
Rz. 11
Um denjenigen Friktionen Rechnung tragen zu können, die sich bei der Teilung einer laufenden Versorgung aus der eingetretenen oder noch zu erwartenden Barwertminderung des zu teilenden Anrechts in dem Zeitraum zwischen dem Eintritt des Versorgungsfalls und der Rechtskraft der Entscheidung ergeben, hat es der Senat im Ausgangspunkt sowohl für die interne Teilung (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 209, 32 = FamRZ 2016, 775 Rz. 55) als auch für die externe Teilung (vgl. Senatsbeschluss v. 24.8.2016 - XII ZB 84/13, FamRZ 2016, 2000 Rz. 22) gebilligt, den Ausgleichswert anhand des noch vorhandenen Restkapitalwerts zeitnah zur Entscheidung über den Versorgungsausgleich oder vorausschauend auf den Zeitpunkt der mutmaßlichen Rechtskraft zu ermitteln.
Rz. 12
Der Senat hat hierbei nicht verkannt, dass darin eine inhaltliche Abweichung von der - nach § 5 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG gebotenen - Bewertung des Anrechts zum Stichtag des Ehezeitendes liegt. Er hat das Hinausschieben des Bewertungszeitpunkts bei laufendem Rentenbezug aus einer kapitalgedeckten Versorgung aber als unvermeidlich angesehen, weil der Versorgungsausgleich entfallen muss, soweit ein bei Ende der Ehezeit bestehendes Anrecht später entfallen ist (Senatsbeschluss BGHZ 209, 32 = FamRZ 2016, 775 Rz. 56).
Rz. 13
b) Aus dem Hinausschieben des Bewertungszeitpunkts folgt zwangsläufig auch ein Hinausschieben des Wirkungszeitpunkts für die Umsetzung der internen Teilung. Der reduzierte Ausgleichswert bildet die Teilung nämlich nur dann sachgerecht ab, wenn er mit zeitgleicher Wirkung in ein zugunsten des Ausgleichsberechtigten neu zu begründendes Anrecht sowie in die dementsprechende Kürzung des beim Ausgleichspflichtigen verbleibenden Anrechts umgesetzt wird. Andernfalls würde die bei der Berechnung des Ausgleichswerts bereits berücksichtigte Wertentwicklung des Anrechts zwischen Ehezeitende und hinausgeschobenem Bewertungszeitpunkt durch eine zweite Dynamik nach Vollzug der (auf das Ehezeitende bezogenen) Umsetzung der Entscheidung überlagert (Senat, Beschl. v. 1.8.2018 - XII ZB 159/18, NJW 2018, 3176 Rz. 21).
Rz. 14
Diesem Wirkzusammenhang ist bei der Tenorierung dadurch Rechnung zu tragen, dass die interne Teilung des Anrechts mit Bezug auf das Datum der zugrunde liegenden Wertbemessung ausgesprochen wird (Senat, Beschl. v. 1.8.2018 - XII ZB 159/18, NJW 2018, 3176 Rz. 22).
Rz. 15
c) Sowohl hinsichtlich des Bewertungszeitpunkts als auch des Bezugsstichtags sind Abweichungen vom gesetzlichen Stichtagsprinzip des § 5 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG allerdings nur insoweit veranlasst, als sie unabdingbar erforderlich sind, um die Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs für den Versorgungsträger sicherzustellen. Daher beurteilt sich insb. die Frage, ob der Ausgleichswert die Wertgrenze für eine einseitig auf Verlangen des Versorgungsträgers durchzuführende externe Teilung (vgl. §§ 14 Abs. 2 Nr. 2, 17 VersAusglG) überschreitet, nach der Bewertung des Anrechts zum Ende der Ehezeit (Senat, Beschl. v. 24.8.2016 - XII ZB 84/13, FamRZ 2016, 2000 Rz. 36). Dies für sich genommen erfordert indessen im vorliegenden Fall nicht die Bezugnahme auf das Ehezeitende als Bezugszeitpunkt in der Beschlussformel. Soweit der Senat in solchen Fällen einen Bezug auf das Ende der Ehezeit in der Beschlussformel gebilligt hat (Senat, Beschl. v. 19.7.2017 - XII ZB 201/17, FamRZ 2017, 1655 Rz. 16), gilt dies jedenfalls im Rahmen der internen Teilung nicht (Senat, Beschl. v. 1.8.2018 - XII ZB 159/18, NJW 2018, 3176 Rz. 24).
Rz. 16
3. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da die Ausgleichswerte für das neu in Aussicht zu nehmende Beschluss- oder Rechtskraftdatum neu zu berechnen sind und der Senat die dazu erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann.
Rz. 17
Bei seiner erneuten Befassung wird das OLG außerdem die vom Versorgungsträger geltend gemachten Teilungskosten anhand der hierzu ergangenen Senatsrechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss v. 18.3.2015 - XII ZB 74/12, FamRZ 2015, 913 Rz. 14 f.) zu überprüfen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 12475650 |
FamRZ 2019, 190 |
NJW-RR 2019, 387 |
BetrAV 2019, 188 |
ZAP 2019, 15 |
JZ 2019, 101 |
JZ 2019, 107 |
MDR 2019, 165 |
FF 2019, 39 |
FamRB 2019, 53 |
FamRB 2019, 7 |
NZFam 2019, 87 |