Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 18.03.2015) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 18. März 2015, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
- im Strafausspruch und
- soweit eine Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen und versuchter Erpressung unter Einbeziehung von zwei früheren Urteilen zur Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Mit der Sachbeschwerde hat das Rechtsmittel den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht.
Rz. 3
2. Der Ausspruch über die Rechtsfolgen kann hingegen keinen Bestand haben. Das Landgericht hat die Prüfung der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB unterlassen, obwohl sich diese nach den Urteilsfeststellungen zum Konsum des Angeklagten von illegalen Drogen und dessen Auswirkungen aufgedrängt hat. Dies führt hier auch zur Aufhebung der gegen den Angeklagten verhängten Jugendstrafe.
Rz. 4
a) Das Landgericht hat festgestellt, dass der zu den Tatzeiten noch nicht ganz 20 Jahre alte Angeklagte im Alter von 14 Jahren begonnen hatte, illegale Betäubungsmittel, ab dem Alter von 16 Jahren regelmäßig Cannabis, zu konsumieren, und zwar mindestens zwei Gramm täglich, an den Wochenenden auch mehr. Im Alter von 16 bzw. 17 Jahren probierte er Amphetamine aus, konsumierte diese aber nicht regelmäßig. Hingegen nahm er Cannabis bis zur Hauptverhandlung zu sich. Weiterhin ergibt sich aus den Urteilsfeststellungen, dass beim Angeklagten wegen der Kosten dieses Betäubungsmittelkonsums „chronischer Geldmangel” herrschte und er die Erpressungstaten beging, um an Geld zu kommen, das er auch für die Beschaffung von Drogen verwenden wollte.
Rz. 5
b) Danach liegt es nahe, dass bei dem Angeklagten ein Hang im Sinne von § 64 StGB vorliegt, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen und die von ihm begangenen Taten auf diesen zurückgehen. Daher hätte das Landgericht prüfen und entscheiden müssen, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sind, zumal den Gründen des angefochtenen Urteils insgesamt nicht zu entnehmen ist, dass die weiteren Voraussetzungen dieser Unterbringung nicht erfüllt sind. Der Umstand, dass der Angeklagte nach Durchführung einer längeren Drogentherapie wieder Betäubungsmittel konsumierte und somit rückfällig geworden ist, steht der Annahme einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht der Maßregel im Sinne von § 64 StGB jedenfalls nicht von vornherein und ohne weiteres entgegen.
Rz. 6
Die Nachholung der Unterbringungsanordnung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil allein der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Der Umstand, dass die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt den Angeklagten nicht beschwert, hindert das Revisionsgericht nicht, auf eine zulässig erhobene – und die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht ausdrücklich vom Angriff ausnehmende (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362) – Revision des Angeklagten das Urteil insoweit aufzuheben, wenn eine Prüfung der Maßregel unterblieben ist, obwohl die tatrichterlichen Feststellungen dazu gedrängt haben (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 7. Januar 2009 – 3 StR 458/08, BGHR StGB § 64 Ablehnung 11 mwN). Zur Prüfung der Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB bedarf es der Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 StPO).
Rz. 7
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler lässt hier den Strafausspruch nicht unberührt. Der Senat kann unter den gegebenen Umständen nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in Anwendung von § 5 Abs. 3 JGG davon abgesehen hätte, gegen den Angeklagten eine Jugendstrafe zu verhängen.
Rz. 8
Der neue Tatrichter wird daher über den Strafausspruch und die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nochmals zu befinden haben.
Unterschriften
Becker, Pfister, Hubert, Mayer, Gericke
Fundstellen