Leitsatz (amtlich)
Zum Anwendungsbereich des § 703b Abs. 1 ZPO bei der Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel.
Normenkette
ZPO § 703b Abs. 1
Verfahrensgang
LG Regensburg (Beschluss vom 06.10.2020; Aktenzeichen 64 T 216/20) |
AG Regensburg (Beschluss vom 24.06.2020; Aktenzeichen 1 M 6566/19) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Gläubigers werden der Beschluss der 6. Zivilkammer des LG Regensburg vom 6.10.2020 sowie der Beschluss des AG - Vollstreckungsgericht - Regensburg vom 24.6.2020 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das AG - Vollstreckungsgericht - zurückverwiesen.
Das AG - Vollstreckungsgericht - darf den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht aus den Gründen der aufgehobenen Beschlüsse ablehnen.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Gläubiger begehrt den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund eines Vollstreckungsbescheids gegen die Schuldnerin als Rechtsnachfolgerin des Titelschuldners. Mit Schreiben vom 4.12.2019 hat der Gläubiger beim AG Regensburg - Vollstreckungsgericht - (im Folgenden: AG - Vollstreckungsgericht) den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund eines Vollstreckungsbescheids des AG Coburg - Zentrales Mahngericht - vom 29.6.2009 in Verbindung mit der Rechtsnachfolgeklausel vom 1.3.2017 beantragt.
Rz. 2
Diese Rechtsnachfolgeklausel, beruhend auf Erbfolge auf Schuldnerseite, ist bei Erteilung mit einem maschinell erzeugten Gerichtssiegel versehen und von dem Rechtspfleger unterschrieben worden; nachträglich ist auf dieser Rechtsnachfolgeklausel außerdem händisch ein weiteres Siegel angebracht worden.
Rz. 3
Mit vom 10.12.2019 datierender Verfügung ist der Gläubiger vom AG - Vollstreckungsgericht - auf verschiedene Hindernisse, die dem Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entgegenstehen, hingewiesen worden. Insbesondere heißt es in dieser Verfügung wie folgt:
"2. Die erteilte Vollstreckungsklausel entspricht nicht der Maßgabe des § 725 ZPO. Nach dem Beschluss des BGH vom 14.12.2016, V ZB 88/16, genügt ein drucktechnisch erzeugter Ausdruck des Gerichtssiegels nicht den strengen Anforderungen des § 725 ZPO. Demnach ist die Vollstreckungsklausel zu unterschreiben und mit einem Prägesiegel oder Farbdruckstempel zu versehen. Im vorliegenden Fall wurde das Siegel lediglich drucktechnisch angebracht. Nachdem die Erteilung der Vollstreckungsklausel (Unterschrift und Siegelung) einen einheitlichen Vorgang darstellt, und der Ersteller der Vollstreckungsklausel auch das Siegel anbringen muss, wird die Erteilung einer neuen Vollstreckungsklausel notwendig. Eine bloß nachträgliche Anbringung des Siegels reicht nicht aus. Es wird daher angeregt, vom Prozessgericht eine neue Vollstreckungsklausel erteilen zu lassen, welche den Anforderungen des § 725 ZPO genügt. ..."
Rz. 4
Nach Korrektur verschiedener Punkte hat der Gläubiger am 10.3.2020 erneut den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund des Vollstreckungsbescheids des AG Coburg vom 29.6.2009 in Verbindung mit der Rechtsnachfolgeklausel vom 1.3.2017 beim AG - Vollstreckungsgericht - beantragt.
Rz. 5
Hierzu ist der Gläubiger vom AG - Vollstreckungsgericht - mit vom 19.3.2020 datierender Verfügung insb. auf Folgendes hingewiesen worden:
"3. Die vorgelegt[e] Vollstreckungsklausel ist ungenügend: Das händische Dienstsiegel wurde nachträglich angebracht. Diese Nachsiegelung wird vom Vollstreckungsgericht Regensburg nicht akzeptiert. Die Vollstreckungsklausel muss mit Unterschrift und Siegel versehen werden. Dies stellt einen einheitlichen Vorgang dar. Es kann nicht 3 Jahre später erst ein wirksames Siegel angebracht werden. Das Mahngericht hat eine neue Klausel zu erteilen, welche erneut zugestellt werden muss."
Rz. 6
Der Gläubiger hat sodann das AG Coburg um Erteilung einer neuen Rechtsnachfolgeklausel ersucht. Mit Schreiben vom 27.4.2020 ist der Gläubiger vom AG Coburg darauf hingewiesen worden, dass dem Antrag auf Erteilung einer neuen Rechtsnachfolgeklausel nicht entsprochen werden könne, da für einen derartigen Antrag keine Rechtsgrundlage existiere. Die erteilte qualifizierte Rechtsnachfolgeklausel sei inhaltlich nicht zu beanstanden. Es erscheine bereits fraglich, ob § 703b Abs. 1 ZPO auf die am 1.3.2017 erteilte Rechtsnachfolgeklausel - ggf. analog - Anwendung finde, so dass es der Anbringung eines Prägesiegels möglicherweise schon deshalb nicht bedürfe. Spätestens mit der Anbringung des Prägesiegels dürften nun allerdings die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen.
Rz. 7
Am 23.4.2020 hat der Gläubiger erneut den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund des Vollstreckungsbescheids des AG Coburg vom 29.6.2009 in Verbindung mit der am 1.3.2017 erteilten Rechtsnachfolgeklausel beim AG - Vollstreckungsgericht - beantragt.
Rz. 8
Mit Beschluss des AG - Vollstreckungsgericht - vom 24.6.2020 ist der Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in vollem Umfang zurückgewiesen worden.
Rz. 9
Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen diesen Beschluss hat das Beschwerdegericht mit Beschluss vom 6.10.2020 zurückgewiesen.
Rz. 10
Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Gläubiger weiterhin den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.
II.
Rz. 11
Die Rechtsmittel des Gläubigers führen zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und zur Zurückverweisung der Sache an das AG - Vollstreckungsgericht -.
Rz. 12
1. Das Beschwerdegericht hat - soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung - ausgeführt, der Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sei zu Recht durch Beschluss des AG - Vollstreckungsgericht - vom 24.6.2020 zurückgewiesen worden. Ausgehend von der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 14.12.2016 - V ZB 88/16) sei das maschinell erstellte Siegel auf die Rechtsnachfolgeklausel des AG Coburg vom 1.3.2017 nicht anwendbar. Eine direkte Anwendung des § 703b ZPO auf die qualifizierte Rechtsnachfolgeklausel vom 1.3.2017 scheide im vorliegenden Fall aus. Diese Rechtsnachfolgeklausel sei nicht maschinell erteilt worden. Aufgrund der eindeutigen Formulierung und der Unterschrift handele es sich um eine Klausel gem. § 725 ZPO, welche gerade nicht maschinell erstellt worden sei. Auch eine analoge Anwendung des § 703b ZPO scheide mangels planwidriger Regelungslücke aus. Bei Erteilung der qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel habe der zuständige Rechtspfleger des AG Coburg explizit nicht die maschinelle Bearbeitung gewählt. Die qualifizierte Rechtsnachfolgeklausel sei unterschrieben und ursprünglich mit einem maschinell erzeugten Siegel versehen worden.
Rz. 13
Das Beschwerdegericht gehe nicht von einer grundsätzlichen Unheilbarkeit der qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel vom 1.3.2017 aus. Das AG - Vollstreckungsgericht - habe zu Recht den Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund der vorliegenden qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel des AG Coburg vom 1.3.2017, welche ursprünglich mit einem maschinellen Siegel versehen gewesen sei und worauf ein Prägesiegel links davon angebracht worden sei, abgelehnt.
Rz. 14
Dem AG - Vollstreckungsgericht - sei beizupflichten, dass in keiner Weise ersichtlich sei, wann das Prägesiegel auf der qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel angebracht worden sei und vor allem von wem. Im vorliegenden Fall sei aufgrund des Verfahrensgangs für das Beschwerdegericht aufgrund der Aktenlage und der eingereichten Vollstreckungsunterlagen in Kombination mit der Aktenlage ersichtlich, dass das Prägesiegel offensichtlich im Jahr 2020, d.h. drei Jahre nach Erteilung der ursprünglichen qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel, angebracht worden sei. Jedoch sei nicht ersichtlich, von wem und wann es genau angebracht worden sei. Eine derartige qualifizierte Rechtsnachfolgeklausel könne nicht als Grundlage zur Zwangsvollstreckung dienen.
Rz. 15
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 16
Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann der Erlass des vom Gläubiger beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht abgelehnt werden.
Rz. 17
a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht geprüft, ob eine Rechtsnachfolgeklausel vorliegt. Es unterliegt der Nachprüfung seitens des Vollstreckungsorgans, ob eine Vollstreckungsklausel erteilt wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 1.2.2017 - VII ZB 22/16 Rz. 15 NJW-RR 2017, 510).
Rz. 18
b) Der rechtlichen Nachprüfung hält die Begründung des Beschwerdegerichts indes nicht stand, mit der es die Rechtsnachfolgeklausel für nicht wirksam erteilt erachtet hat.
Rz. 19
Nach § 703b Abs. 1 ZPO werden im Mahnverfahren bei maschineller Bearbeitung Beschlüsse, Verfügungen, Ausfertigungen und Vollstreckungsklauseln mit dem Gerichtssiegel versehen; einer Unterschrift bedarf es nicht. Diese Vorschrift enthält Sonderregelungen für die maschinelle Bearbeitung. Maschinelle Bearbeitung bedeutet grundsätzlich die Bearbeitung durch automatische Datenverarbeitungsanlagen (vgl. BT-Drucks. 7/2729, 96, 104). Ausreichend kann sein, wenn eine teilweise maschinelle Bearbeitung stattfindet (vgl. in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 703b Rz. 1; vgl. ferner , ZPO, 13. Aufl., § 703b Rz. 2). Durch Gesetz vom 5.12.2012 (BGBl. I 2012, 2418), das insoweit am 1.1.2013 in Kraft getreten ist (Art. 21 Satz 2 des Gesetzes vom 5.12.2012), sind in § 703b Abs. 1 ZPO die Vollstreckungsklauseln aufgenommen worden, um derartige Klauseln, soweit Vollstreckungsbescheide ihrer bedürfen (vgl. § 796 Abs. 1 ZPO), im maschinellen Verfahren zu ermöglichen (vgl. BT-Drucks. 17/10490, 31 in Verbindung mit BR-Drucks. 308/12 (B), S. 4; , ZPO, 4. Aufl., § 703b Rz. 2). Danach wird im Anwendungsbereich des § 703b Abs. 1 ZPO bei Rechtsnachfolgeklauseln auf eine Unterschrift verzichtet (vgl. , ZPO, 18. Aufl., § 703b Rz. 2).
Rz. 20
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze genügt die Rechtsnachfolgeklausel vom 1.3.2017 den Anforderungen des § 703b Abs. 1 ZPO. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist eröffnet, weil die Klausel nach den vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen mit einem maschinell erzeugten Gerichtssiegel versehen ist, das einen teilweise automatisierten, für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 703b Abs. 1 ZPO genügenden Verfahrensablauf bei dem Mahngericht belegt. Der Umstand, dass die Prüfung des Eintritts der Rechtsnachfolge selbst nicht maschinell erfolgt (vgl. BR-Drucks. 308/12 (B), S. 4), steht der Anwendung von § 703b Abs. 1 ZPO nicht entgegen (vgl. BT-Drucks. 17/10490, 31 in Verbindung mit BR-Drucks. 308/12 (B), S. 4). Entsprechendes gilt für die Unterschrift, mit der der Rechtspfleger im Streitfall die Rechtsnachfolgeklausel versehen hat; es handelt sich bei dieser Unterschrift um einen für Zwecke des § 703b Abs. 1 ZPO unschädlichen, nicht notwendigen Zusatz. Für die nachträgliche Anbringung des händisch angebrachten weiteren Siegels gilt Entsprechendes.
Rz. 21
3. Nach alledem kann der angefochtene Beschluss des Beschwerdegerichts nicht bestehen bleiben. Er ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da diese nach dem festgestellten Sachverhältnis nicht zur Endentscheidung reif ist.
Rz. 22
Der Senat macht entsprechend § 572 Abs. 3 ZPO von der Möglichkeit Gebrauch, zugleich auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers den erstinstanzlichen Beschluss des AG - Vollstreckungsgericht - aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das AG - Vollstreckungsgericht - zurückzuverweisen, das über den Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen zu entscheiden haben wird.
Fundstellen
Haufe-Index 14812306 |
NJW 2021, 10 |
BauR 2022, 146 |
NJW-RR 2021, 1504 |
JurBüro 2021, 661 |
WM 2022, 546 |
ZfIR 2021, 554 |
DZWir 2022, 122 |
MDR 2021, 1414 |
MDR 2021, 1450 |
Rpfleger 2021, 2 |
Rpfleger 2022, 42 |
VE 2021, 201 |
ZVI 2021, 421 |