Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 21.03.2017; Aktenzeichen 7 S 6817/16) |
AG Nürnberg (Entscheidung vom 12.08.2016; Aktenzeichen 30 C 2151/16) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Revision der Klägerin durch einstimmigen Beschluss gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Die Klägerin schloss mit den Rechtsvorgängern des Beklagten am 1. April 1966 einen Mietvertrag über eine Wohnung in Nürnberg. Unter § 29 „Sonstige Vereinbarungen”) ist maschinenschriftlich in den ansonsten vorgedruckten Vertragstext eingesetzt:
„Der Mieter erklärt sich bereit, einen Baukostenzuschuss in Höhe von DM 2.000,00 […] und eine Mietkaution in Höhe von DM 500,00 […] bei Vertragsabschluss zu zahlen. Beide Beträge sind unverzinslich […].”
Rz. 2
Nach Beendigung des Mietverhältnisses im Jahr 2015 verlangte die Klägerin unter anderem die Rückzahlung des Kautionsguthabens sowie – von ihr mit 670,02 EUR errechnete – Zinsen aus der Kaution.
Rz. 3
Die Klage ist in den Vorinstanzen im Hinblick auf die Verzinsung des Kautionsguthabens ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 4
1. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
Rz. 5
a) Der Rechtsstreit wirft keine klärungsbedürftige Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, es sei klärungsbedürftig, „ob Art. 229 § 3 Abs. 8 EGBGB eine Vereinbarung einer Unverzinslichkeit einer Mietkaution in einem Mietvertrag aus dem Jahr 1966 zulässt, beziehungsweise, ob dieser eine Differenzierung zwischen individualvertraglicher Vereinbarung und Allgemeinen Geschäftsbedingungen gebietet”. Dies vermag die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen.
Rz. 6
Die Wertungsmaßstäbe zur Beantwortung dieser Rechtsfrage, die dahingehend zu verstehen ist, ob der formularmäßige Ausschluss der Verzinsung eines Kautionsguthabens in einem im Jahr 1966 geschlossenen Wohnraummietvertrag der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen am Prüfungsmaßstab des seit dem 1. Januar 2003 gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB auch bei Altmietverträgen maßgeblichen § 307 BGB (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl., Art. 229 EGBGB § 5 Rn. 7; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 15. Aufl., Anhang EGBGB zur Einleitung § 241 BGB, Art. 229 § 5 EGBGB Rn. 10; siehe auch BAGE 113, 140, 147; 118, 22, 28) standhält, lassen sich ohne Weiteres dem Rechtsentscheid des Senats vom 8. Juli 1982 (VIII ARZ 3/82, BGHZ 84, 345 ff.), den das Berufungsgericht auch gesehen und zutreffend angewandt hat, sowie der gesetzlichen Regelung des Art. 229 § 3 Abs. 8 EGBGB und dem dazu ergangenen Urteil des Senats vom 11. März 2009 (VIII ZR 184/08, NJW 2009, 1673 Rn. 10) entnehmen, so dass es keiner weiteren Entscheidung des Revisionsgerichts bedarf.
Rz. 7
aa) Bei der Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligt, ist im Individualprozess grundsätzlich auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen (vgl. BGH, Urteile vom 25. Juni 2014 – VIII ZR 344/13, BGHZ 201, 363 Rn. 31; vom 13. November 2013 – I ZR 77/12, NJW 2014, 2180 Rn. 13; vom 30. März 2010 – XI ZR 200/09, BGHZ 185, 133 Rn. 30; vom 4. Februar 2009 – VIII ZR 66/08, NJW 2009, 1491 Rn. 15, [jeweils zu § 307 BGB]; vom 3. November 1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103, 117; vom 10. Juli 1990 – XI ZR 275/89, BGHZ 112, 115, 118, [jeweils zu § 9 AGBG]). Hiervon ausgehend hält ein formularmäßig vereinbarter Ausschluss der Verzinsung des Kautionsguthabens in einem im Jahr 1966 abgeschlossenen Wohnraummietvertrag einer Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stand.
Rz. 8
(1) Der formularmäßige Ausschluss der Kautionsverzinsung in einem Wohnraummietvertrag aus dem Jahr 1966 stellt keine unangemessene Benachteiligung des Mieters dar, weil der Vermieter zu dieser Zeit zu einer Verzinsung der Kaution (noch) nicht verpflichtet war. Aus den von der Revision angeführten Instanzurteilen (LG Frankfurt am Main, WuM 1986, 336; LG Nürnberg-Fürth, WuM 1988, 158; LG München I, WuM 1989, 236; LG Itzehoe, WuM 1989, 290; LG Hamburg, WuM 1996, 765 f.; siehe auch LG München I, WuM 1999, 515; LG Lübeck, ZMR 2011, 42 f.; LG Düsseldorf, Urteil vom 28. November 2012 – 23 S 34/12, juris Rn. 16 ff.) lässt sich nichts anderes herleiten, denn sie beziehen sich durchweg auf Mietverträge aus späteren Jahren.
Rz. 9
(2) Wie der Senat in dem vorbezeichneten Rechtsentscheid vom 8. Juli 1982 (VIII ARZ 3/82, aaO S. 350 f.) bereits ausgeführt hat, seien die erkennbaren Erwartungen des vertragschließenden Mieters hinsichtlich der Verzinsung der Kaution möglicherweise nicht zu allen Zeiten dieselben gewesen. Bis 1968 wurde, soweit ersichtlich, die Frage der Verzinslichkeit der Kaution weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung erörtert. Erst ab 1971 mehrten sich sodann nach und nach Stimmen, die dafür eintraten, den Vermieter zu einer Verzinsung zu verpflichten. In Anbetracht dessen hat der Senat einen im Jahr 1972 geschlossenen Mietvertrag, der keine ausdrückliche Regelung zur Verzinslichkeit der Barkaution enthielt, dahingehend ausgelegt, dass der Vermieter den Kautionsbetrag zu verzinsen hat (Senatsbeschluss [Rechtsentscheid] vom 8. Juli 1982 – VIII ARZ 3/82, aaO).
Rz. 10
Der Gesetzgeber hat die Verzinslichkeit der Mietkaution erst im Jahr 1980 angeordnet, und auch dies zunächst nur für den Teilbereich des sozialen Wohnungsbaus (§ 9 Abs. 5 WoBindG in der Fassung des Wohnungsbauänderungsgesetzes 1980 vom 20. Februar 1980, BGBl. I S. 159). Für nicht preisgebundenen Wohnraum wurde erstmals durch das Gesetz zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen vom 20. Dezember 1982 (BGBl. I S. 1912) eine Verzinsungspflicht für Mietkautionen in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt, die am 1. Januar 1983 in Kraft trat (§ 550b Abs. 2 BGB aF; siehe BT-Drucks. 9/2079, S. 10 f.).
Rz. 11
(3) Da ein Vermieter von Wohnraum im Jahr 1966 rechtlich nicht zur Verzinsung der Mietkaution verpflichtet war, ist ein formularmäßiger Ausschluss der Verzinsung entgegen der Ansicht der Revision in einer solchen Fallgestaltung nicht zu beanstanden.
Rz. 12
bb) Art. 229 § 5 EGBGB hat an diesen Gegebenheiten nichts geändert. Nach Satz 1 dieser Überleitungsvorschrift zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) sind auf Schuldverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind, das Bürgerliche Gesetzbuch und bestimmte andere Gesetze in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung anzuwenden, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Für Dauerschuldverhältnisse, wie Wohnraummietverträge, gilt dies mit der Maßgabe, dass anstelle der in Satz 1 bezeichneten Gesetze vom 1. Januar 2003 an nur das Bürgerliche Gesetzbuch in der dann geltenden Fassung anzuwenden ist (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB). Dem geht jedoch, wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist und was auch die Revision nicht in Zweifel zieht, die vom Gesetzgeber geschaffene spezielle Übergangsregel des Art. 229 § 3 Abs. 8 EGBGB vor (vgl. Senatsurteile vom 6. April 2005 – VIII ZR 155/04, NJW 2005, 1572 unter II 2 b; vom 7. Februar 2007 – VIII ZR 145/06, NZM 2007, 327 Rn. 14 [jeweils zu Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB]; Palandt/Ellenberger, aaO).
Rz. 13
cc) Auch die Auslegung des Art. 229 § 3 Abs. 8 EGBGB gebietet, wie durch das Urteil des Senats vom 11. März 2009 (VIII ZR 184/08, aaO) geklärt ist, im vorliegenden Fall nicht die Zulassung der Revision.
Rz. 14
Zwar erlegt § 551 Abs. 3 Satz 1 BGB (in der Fassung des Gesetzes zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts [Mietrechtsreformgesetz] vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1149) dem Vermieter die Pflicht auf, die Kaution des Mieters verzinslich anzulegen, und stehen die Zinsen aus der Kaution gemäß § 551 Abs. 3 Satz 3 BGB dem Mieter zu; eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist gemäß § 551 Abs. 4 BGB unwirksam. Diese Regelungen kommen hier aber nicht zur Geltung.
Rz. 15
Obgleich § 551 BGB mit Wirkung seit dem 1. September 2001 grundsätzlich auch auf zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende Mietverhältnisse anzuwenden ist (Senatsurteil vom 30. Juni 2004 – VIII ZR 243/03, NJW 2004, 3045 unter II 1 a), gilt dies nach der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 3 Abs. 8 EGBGB nicht, wenn die Verzinsung der Kaution vor dem 1. Januar 1983 durch Vertrag ausgeschlossen worden ist. Damit bleiben – wie der Senat in dem vorbezeichneten Urteil vom 11. März 2009 (VIII ZR 184/08, aaO) bereits ausgesprochen hat und auch die Revision nicht verkennt – Vereinbarungen, durch die eine Verzinsungspflicht vor diesem Zeitpunkt wirksam ausgeschlossen worden ist, wirksam (so BT-Drucks. 14/4553, S. 77).
Rz. 16
Der vorliegende Fall weist keinen weitergehenden Klärungsbedarf auf. Art. 229 § 3 Abs. 8 EGBGB bestätigt, dass der Gesetzgeber von der Möglichkeit eines wirksam vereinbarten Ausschlusses der Verzinsung ausging. Dabei lassen – wie es auch das Berufungsgericht gesehen hat – weder der Gesetzeswortlaut der Vorschrift „durch Vertrag ausgeschlossen”), der nicht auf Individualabreden beschränkt ist, sondern – anders als der nachträglich eingefügte Art. 229 § 3 Abs. 10 Satz 2 EGBGB (vgl. BT-Drucks. 15/4134) – vorformulierte Vertragsbestimmungen einbezieht, noch die anhand der Gesetzesmaterialien belegte Zielsetzung des Gesetzgebers, wonach ein vor Einführung der Verzinsungspflicht wirksam vereinbarter vertraglicher Ausschluss der Kautionsverzinsung Bestand haben sollte (vgl. BT-Drucks. 14/4553, aaO), Raum für die Annahme, dass eine zur Zeit des Vertragsschlusses wirksame formularmäßige Vereinbarung nunmehr als unwirksam zu behandeln wäre.
Rz. 17
b) In Anbetracht dessen besteht entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch kein Anlass für eine Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO), denn der vorliegende Fall bietet keine Veranlassung zur Entwicklung weiterer höchstrichterlicher Leitsätze. Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) ist ebenfalls nicht gegeben, denn das Berufungsgericht setzt sich zu den oben aufgezeigten Grundsätzen nicht in Widerspruch.
Rz. 18
2. Die Revision hat nach dem vorstehend Ausgeführten auch keine Aussicht auf Erfolg. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von Zinsen auf den von ihr geleisteten Kautionsbetrag nach dem Inhalt der getroffenen Kautionsabrede nicht zu.
Rz. 19
Zwar ist – mangels näherer Feststellungen des Berufungsgerichts – revisionsrechtlich zugunsten der Klägerin davon auszugehen, dass es sich bei § 29 des Mietvertrages vom 1. April 1966 um eine von den Rechtsvorgängern des Beklagten verwendete Allgemeine Geschäftsbedingung handelt. Gleichwohl hält das Berufungsurteil rechtlicher Nachprüfung stand, weil die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der formularmäßige Ausschluss der Kautionsverzinsung in einem Wohnraummietvertrag aus dem Jahr 1966 wirksam war und nach Maßgabe der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 3 Abs. 8 EGBGB verbindlich geblieben ist, im Einklang mit den Grundsätzen des vorbezeichneten Rechtsentscheids des Senats vom 8. Juli 1982 (VIII ARZ 3/82, aaO) und des Senatsurteils vom 11. März 2009 (VIII ZR 184/08, aaO) steht.
Rz. 20
3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
Unterschriften
Dr. Milger, Dr. Hessel, Dr. Bünger, Kosziol, Dr. Schmidt
Fundstellen
Haufe-Index 12701751 |
NJW-RR 2018, 1485 |
NZM 2019, 212 |
WuM 2018, 752 |
ZfF 2019, 227 |
FMP 2019, 59 |
MK 2019, 10 |