Leitsatz (amtlich)

Eine Streitwertfestsetzung eines Instanzgerichts kann vor dem Bundesgerichtshof nicht in zulässiger Weise angefochten werden. Dies trifft auch für eine Streitwertfestsetzung im vergaberechtlichen Beschwerdeverfahren nach §§ 116 ff. GWB zu.

 

Normenkette

GKG § 5 Abs. 2, § 25 Abs. 3; GWB § 124 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Hamburg

Vergabekammer Hamburg

 

Tenor

Der Antrag v. 20.3.2003, ergänzt durch Schriftsatz v. 14.4.2003, wird auf Kosten der Antragstellerinnen als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I. Im März 2000 gab die Antragsgegnerin im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften die beabsichtigte Vergabe der Planung und Ausführung von Bauleistungen im nicht offenen Verfahren bekannt. Sie forderte u. a. die damals sich noch aus vier Unternehmen zusammensetzende Bietergemeinschaft, der die Antragstellerinnen angehören, zur Angebotsabgabe auf. Gleichzeitig teilte sie mit, sie lasse sich von der I. beraten. Die Gesellschaftsanteile dieser Gesellschaft seien bis vor kurzem von der P. AG gehalten worden und würden nunmehr von einem Treuhänder gehalten. Die I. habe jedoch schriftlich versichert, dass aus ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbindung zur P. AG eine Einflussnahme nicht zu erwarten sei.

Die Bietergemeinschaft hat die weitere Beteiligung der I. an dem Vergabeverfahren gerügt. Die angerufene Vergabekammer der Freien und Hansestadt Hamburg hat die Anträge zurückgewiesen, der Antragsgegnerin aufzugeben, die I. von der weiteren Beratung bei der Angebotsauswertung sowie Angebote der P. AG oder solcher Unternehmen, an denen die P. AG mehrheitlich beteiligt ist, von der weiteren Bewertung auszuschließen. Hiergegen haben die Antragstellerinnen sofortige Beschwerde eingelegt. Das Hanseatische OLG Hamburg hat dieses Rechtsmittel mit Beschl. v. 2.10.2002 zurückgewiesen, den Antragstellerinnen gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten hierfür auferlegt und den Streitwert auf 5 % der Auftragssumme, nämlich auf 19.306.966 Euro festgesetzt. Zur Begründung dieses Gegenstandswerts hat das OLG auf § 12a Abs. 2 GVG verwiesen.

Daraufhin haben sich die Antragstellerinnen gegen die sich hieraus ergebende Kostenbelastung gewendet. Sie haben bezüglich der Kostengrundentscheidung und der Festsetzung des Streitwerts die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt. § 12a Abs. 2 GVG sei weder direkt noch analog anwendbar. Der Gegenstandswert sei vielmehr nach §§ 2, 3 ZPO zu bestimmen und könne unter Berücksichtigung der Interessen der Parteien maximal in Höhe des ihnen, den Antragstellerinnen zustehenden Schadensersatzanspruchs festgesetzt werden, der bis zu 2.265.293 Euro betrage. Da es sich um ein Eilverfahren gehandelt habe, könnten hiervon allenfalls 1/3, d. h. 775.097,67 Euro festgesetzt werden. In Anbetracht der Tatsache, dass das Ausschreibungsverfahren am 24.10.2000 habe aufgehoben werden müssen, sei außerdem lediglich eine hälftige Kostenteilung gem. § 92 Abs. 1 ZPO allein sachgerecht. Der Rechtsstreit müsse deshalb gem. § 321a ZPO fortgesetzt werden.

Dieses Begehren hat das OLG mit Beschl. v. 12.2.2002 als unzulässig verworfen. Gleichzeitig hat es das Begehren der Antragstellerinnen als Gegenvorstellung angesehen und in der Sache mit der Begründung zurückgewiesen, eine Verletzung rechtlichen Gehörs sei nicht gegeben.

Die Antragstellerinnen haben sodann unter dem 20.3.2003 gegen den Beschluss des Hanseatischen OLG Hamburg v. 8.10.2002 - richtig 2.10.2002 - bei diesem Gericht einen als Streitwertbeschwerde gekennzeichneten Rechtsbehelf angebracht und nach Hinweis des OLG, dass dieser nicht statthaft sei, mit Schriftsatz v. 14.4.2003 beantragt, die Sache dem BGH vorzulegen.

II. Das hiermit eingelegte Rechtsmittel der Antragstellerinnen ist unzulässig.

1. Soweit die Antragstellerinnen eine Änderung der Festsetzung des Streitwerts durch den BGH erreichen wollen, ist ein Rechtsmittel nicht eröffnet.

a) Nach § 25 Abs. 3 S. 1 Halbs. 2 i. V. m. § 5 Abs. 2 S. 3 GKG findet gegen eine Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof nicht statt; mit Fragen der Streitwertfestsetzung der Instanzgerichte soll der BGH in keinem Fall befasst werden (BGH, Beschl. v. 28.2.2000 - IX ZB 129/02, BGHReport 2002, 750 f.; Hartmann/Albers, Kostengesetze, 30. Aufl., § 5 Rz. 34; Markl/Meyer, Gerichtskostengesetz, 4. Aufl., § 5 Rz. 27). Der Ausschluss eines Rechtsmittels insoweit greift deshalb auch dann, wenn der in Frage stehende Streitwert in der Instanz - wie hier - erstmals von einem Rechtsmittelgericht festgesetzt worden ist (§ 25 Abs. 3 S. 2 GKG; missverständlich insoweit Hartmann/Albers, Kostengesetze, 30. Aufl., § 5 Rz. 33). An dieser Rechtslage hat sich durch die Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz v. 27.7.2001 (BGBl. I 1887, 1902 ff.) nichts geändert. Hierdurch hat sich im Gegenteil die Rechtsprechung überholt, dass bei einem im Gesetz nicht vorgesehenen Rechtsmittel jedenfalls eine sog. außerordentliche Beschwerde in Betracht kommen kann (BGH, Beschl. v. 28.1.2003 - X ZB 31/0; v. 7.3.2002 - IX ZB 11/02, BGHZ 150, 133 [135] = BGHReport 2002, 431), so dass das Rechtsmittel der Antragstellerinnen auch als eine solche Beschwerde nicht statthaft ist.

b) Unzulässig ist das Rechtsmittel auch dann, wenn man es als Rechtsbeschwerde im Sinne vom § 574 ZPO oder § 74 Abs. 1 GWB ansieht.

Im vergaberechtlichen Beschwerdeverfahren nach §§ 116 ff. GWB ist der Rechtsweg zum BGH nach § 124 Abs. 2 GWB nur eröffnet, wenn das OLG bei seiner Entscheidung von der Rechtsprechung eines anderen OLG oder des BGH abweichen will und die Sache deshalb durch entsprechenden Beschluss dem BGH zur Entscheidung vorlegt. Dabei dient die Vorlage nach § 124 Abs. 2 GWB der Gewährleistung einer bundeseinheitlichen Rechtsprechung in Vergabesachen (Begr. RegE VgRÄG, BT-Drucks. 13/9340, 22 zu § 133). Andere Möglichkeiten zur Überprüfung der Entscheidung des OLG in diesen Verfahren hat der Gesetzgeber hingegen nicht eröffnen wollen. Mögliche Unzulänglichkeiten des Vorlageverfahrens, die sich daraus ergeben, dass die Befassung des BGH mit der Sache in bestimmten Fällen ausgeschlossen ist, hat der Gesetzgeber gesehen und in Kauf genommen (Begr. RegE VgRÄG, BT-Drucks., 13/9340, 22 zu § 133).

2. Entgegen der im Schriftsatz v. 14.4.2003 geäußerten Meinung der Antragstellerinnen ist deren Antrag auch nicht als Rechtsmittel gegen die vom OLG getroffene Kostengrundentscheidung statthaft. § 99 Abs. 1 ZPO schließt die isolierte Anfechtung einer nach oder in entsprechender Anwendung von §§ 91 ff. ZPO ergangenen Kostenentscheidung aus.

3. An der Unzulässigkeit des Antrags der Antragstellerinnen ändert entgegen deren Auffassung § 78 GWB nichts. Diese Vorschrift eröffnet kein Rechtsmittelverfahren, sondern setzt ein - zulässiges oder unzulässiges - Beschwerdeverfahren oder Rechtsbeschwerdeverfahren in Kartellsachen voraus und erlaubt, in diesen Verfahren eine Billigkeitsentscheidung über die Kosten zu treffen.

4. Die Verwerfung des Antrags der Antragstellerinnen als unzulässig hält schließlich auch der neuen Rechtsprechung des BVerfG zu den Anforderungen stand, die sich aus Art. 103 Abs. 1 GG ergeben, wonach vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör hat. Das BVerfG hat in seinem Plenumsbeschluß v. 30.4.2003 (BVerfG, Beschl. v. 30.4.2003 - 1 PBVU 1/02, MDR 2003, 886 = NJW 2003, 1924 [1927]; dazu Vosskuhle NJW 2003, 2193 ff.) zwar entschieden, dass das Recht auf rechtliches Gehör nur dann gewahrt ist, wenn gegen seine Verletzung ein in der geschriebenen Rechtsordnung niedergelegter Rechtsbehelf gegeben ist (BVerfG, Beschl. v. 30.4.2003 - 1 PBVU 1/02, MDR 2003, 886 = NJW 2003, 1924 [1928]). Es hat ein Fehlen einer solchen Festschreibung jedoch für eine Übergangszeit bis zum 31.12.2004 für hinnehmbar erachtet, wenn tatsächlich ein Rechtsbehelf ergriffen werden konnte (BVerfG, Beschl. v. 30.4.2003 - 1 PBVU 1/02, MDR 2003, 886 = NJW 2003, 1924 [1929]). Daraus folgt für den zu entscheidenden Fall, dass eine sachliche Befassung des BGH mit dem Antrag der Antragstellerinnen auch unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht geboten ist. Denn das OLG hat die insoweit erhobene Rüge der Antragstellerinnen auf deren ersten Rechtsbehelf hin geprüft, als es ihn in seinem Beschl. v. 12.2.2003 als zulässige Gegenvorstellung behandelt und in der Sache zurückgewiesen hat. Damit ist der Rechtsbeschwerdeführerin hinreichender Rechtsschutz zuteil geworden und der Rechtsweg ausgeschöpft.

5. Die das Verfahren vor dem BGH betreffende Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1081089

BGHR 2004, 268

BauR 2004, 890

MDR 2004, 355

NZBau 2004, 623

RVGreport 2004, 440

BauRB 2004, 109

NJOZ 2004, 3719

ProzRB 2004, 86

VergabeR 2004, 255

WuW 2004, 462

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