Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache
Leitsatz (amtlich)
Streitigkeiten über den Geltungsbereich eines eingetragenen Sondernutzungsrechts sind im Verfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG zu entscheiden.
Normenkette
WohnungseigentumsG § 43 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 28.08.1989; Aktenzeichen 3 Wx 288/89) |
LG Düsseldorf (Urteil vom 29.05.1989; Aktenzeichen 25 T 143/89) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 29. Mai 1989 wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 2 bis 4 in dem Verfahren der weiteren Beschwerde hat die Antragstellerin zu tragen.
Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten sind Wohnungs- und Teileigentümer einer aus vier Wohnhäusern und fünf Garagen bestehenden Wohnungseigentumsanlage. Der Antragstellerin gehört die Garage Nr. 2, dem Antragsgegner die Garage Nr. 1. In dem der Teilungserklärung beigefügten Lageplan sind diese Garagen so eingezeichnet, als ob sie mit den Rückwänden auf der schräg verlaufenden Grundstücksgrenze stünden. Tatsächlich sind sie im rechten Winkel zur Straße errichtet. Dadurch ist hinter jeder der beiden Garagen ein kleines Grundstücksdreieck unbebaut geblieben.
Der Antragsgegner nutzt das hinter der Garage der Antragstellerin befindliche Flächendreieck gegen deren Willen als Standort für Müllboxen. Hinter seiner eigenen Garage steht ein Baum, dessen Wurzeln nach der Behauptung der Antragstellerin den Boden ihrer Garage hochdrücken.
In § 5 Nr. 6 der Teilungserklärung ist bestimmt:
„Jedem Eigentümer der mit Haus 1 bis Haus 4 bezeichneten Häuser steht das ausschließliche Benutzungsrecht an den jeweils zu den betreffenden Häusern gehörigen, im anliegenden Lageplan in der entsprechenden Farbe kenntlich gemachten Grundstücksflächen (Garten) zu, soweit dadurch, wie im Plan durch farblose Markierung gekennzeichnet, der Zugang zu den Häusern nicht beeinträchtigt wird. Die Teilflächen sind vom jeweils berechtigten Wohnungseigentümer auf dessen Kosten zu pflegen und instandzuhalten.”
Die Antragstellerin hat die Feststellung beantragt,
- daß die in dem Lageplan blau markierte, mit G 2 bezeichnete Fläche insgesamt ihrem Sondernutzungsrecht, hingegen
- die Fläche mit der Bezeichnung G 1 insgesamt dem Sondernutzungsrecht des Antragsgegners unterliegt.
Amts- und Landgericht haben die Anträge als unbegründet zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin möchte das Oberlandesgericht zurückweisen. Es sieht sich daran jedoch durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 4. Dezember 1985 – 8 W 481/84 = OLGZ 1986, 35 gehindert und hat deshalb die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1. Die Vorlage ist statthaft (§§ 43 ff WEG i.V.m. § 28 Abs. 2 FGG).
Nach Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts ist für die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Sondernutzungsrechts am gemeinschaftlichen Eigentum nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständig. Demgegenüber hat das Oberlandesgericht Stuttgart in einem auf weitere Beschwerde ergangenen Beschluß (OLGZ 1986, 35) das Prozeßgericht als zuständig erachtet. Zwar ging es dort um einen Streit über die Wirksamkeit eines im Grundbuch eingetragenen Sondernutzungsrechts, während hier über den durch Auslegung der Teilungserklärung zu ermittelnden Umfang eines solchen Rechts zu entscheiden ist? das vorlegende Gericht ist aber ersichtlich der Meinung, die Frage der Zuständigkeit könne in dem einen Fall nicht anders als in dem anderen beurteilt werden. An diesen Rechtsstandpunkt ist der Senat, was die Zulässigkeit der Vorlage betrifft, gebunden (Senatsbeschl. v. 3. Oktober 1985, V ZB 18/84, NJW 1986, 314, 315; BGHZ 99, 90, 92).
2. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 45 Abs. 1 WEG, §§ 27, 29 FGG), aber nicht begründet.
a) Der Senat folgt der Ansicht des vorlegenden Gerichts, daß die Sache gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu entscheiden ist.
Diese Vorschrift erfaßt grundsätzlich alle Streitigkeiten über die sich aus der Wohnungseigentümergemeinschaft ergebenden Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander. Dazu gehört auch ein Streit darüber, auf welchen Teil des gemeinschaftlichen Eigentums sich ein bestehendes Sondernutzungsrecht erstreckt. Ein solches Recht wird nach § 15 Abs. 1 WEG durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer oder, was gleichbedeutend ist (BGHZ 73, 145, 147), durch eine diesbezügliche Regelung in der Teilungserklärung (oder Teilungsvereinbarung) begründet. Damit erhält der begünstigte Wohnungseigentümer die Befugnis zum alleinigen Gebrauch eines bestimmten Teils des gemeinschaftlichen Eigentums, wodurch zugleich die anderen Wohnungseigentümer das Recht zum Mitgebrauch verlieren (BGHZ 73, 145, 149; 91, 343, 345 f). Eine aus dieser Gebrauchsregelung entstehende Streitigkeit betrifft daher gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen den Wohnungseigentümern (BayObLG WuM 1985, 102; OLG Köln NJW-RR 1989, 1040, 1041; Bärmann/Pick/Merle, WEG 6. Aufl. § 43 Rdn. 11; Weitnauer, WEG 7. Aufl. § 15 Rdn. 33).
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart (aaO) spielen die dingliche Wirkung eines im Grundbuch eingetragenen Sondernutzungsrechts und dessen „eigentumsähnliche” Ausgestaltung für die Frage des Rechtsweges keine Rolle. Dabei kann dahingestellt bleiben, inwieweit Streitigkeiten über Sonder- oder Gemeinschaftseigentum vor dem Prozeßgericht auszutragen sind (vgl. dazu OLG Karlsruhe OLGZ 1976, 11; LG Düsseldorf Rpfleger 1972, 450 m. Anm. Diester); denn ein Streit über das Bestehen oder – wie hier – über den Geltungsbereich eines Sondernutzungsrechts ist nicht eigentumsrechtlicher Art. Wird die Vereinbarung eines Sondernutzungsrechts als Inhalt des Sondereigentums eingetragen, so bindet sie zwar auch Einzelrechtsnachfolger der Wohnungseigentümer (§ 10 Abs. 2 WEG); dies ändert aber nichts an der Funktion der Vereinbarung als einer Gebrauchsregelung. Daß der Nutzungsberechtigte sein Recht einem anderen Wohnungseigentümer ohne Zustimmung der übrigen übertragen kann, ergibt sich nicht aus einer „eigentumsähnlichen Ausgestaltung” des Sondernutzungsrechts, sondern daraus, daß durch die Übertragung die übrigen Wohnungseigentümer nicht im Sinne der §§ 877, 873 BGB rechtlich beeinträchtigt werden (BGHZ 73, 145, 149).
Der Senat teilt auch nicht die Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart, für die Zuständigkeit des Prozeßgerichts spreche, daß im Verfahren nach § 43 WEG offenbleibe, ob die dort ergehende Entscheidung auch bei einem Streit über ein Sondernutzungsrecht gemäß § 10 Abs. 3 WEG ohne Grundbucheintragung gegen Rechtsnachfolger der Wohnungseigentümer wirke oder ob nach § 892 BGB die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs verbleibe. Dieser Gesichtspunkt hat mit der Frage des Rechtsweges nichts zu tun. Denn § 10 Abs. 3 WEG schließt eine Grundbuchberichtigung nicht aus, wenn diese zur Verhinderung eines gutgläubigen Erwerbs nötig sein sollte. Da Entscheidungen nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG mit Eintritt der Rechtskraft sämtliche Wohnungseigentümer binden (§ 45 Abs. 2 i.V. mit § 43 Abs. 4 Nr. 1 WEG), ließe sich gemäß § 22 GBO eine etwaige Unrichtigkeit des Grundbuches nachweisen.
b) In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.
Der angefochtene Beschluß des Landgerichts läßt keine Gesetzesverletzung erkennen (§ 27 FGG). Die Auslegung von § 5 Nr. 6 der Teilungserklärung dahin, daß sich das jeweilige Sondernutzungsrecht der Beteiligten zu 1 und 2 nicht auf die hinter den Garagen Nrn. 1 und 2 befindlichen unbebauten Flächen erstreckt, ist rechtlich möglich. Ein Verstoß gegen anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze ist nicht ersichtlich.
c) Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG.
Unterschriften
H, V, R, W, T
Fundstellen
Haufe-Index 512659 |
BGHZ |
BGHZ, 396 |
NJW 1990, 1112 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |