Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleichssache. Versorgungsausgleich
Leitsatz (redaktionell)
Zur Ruhensberechnung einer Beamtenversorgung nach § 55 BeamtVG, wenn die konkurrierende gesetzliche Rente zum Teil auf freiwilligen Beiträgen beruht.
Normenkette
BGB § 1587a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4, § 1587c Nr. 1; BeamtVG § 55
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des 4. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 26. Oktober 1992 wird auf Kosten des Antragsgegners mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß er auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens voll zu tragen hat.
Beschwerdewert: 4.412,28 DM.
Gründe
I.
Die am 9. Juli 1939 geborene Ehefrau (Antragstellerin) und der am 4. März 1934 geborene Ehemann (Antragsgegner) haben am 20. August 1974 die Ehe geschlossen, die kinderlos geblieben ist. Der Ehemann hat aus erster Ehe zwei Kinder im Alter von sechs und neun Jahren in die Ehe mitgebracht. Auf den dem Ehemann am 10. März 1990 zugestellten Scheidungsantrag der Ehefrau ist die Ehe vorab geschieden worden. Das Scheidungsurteil ist seit 22. Januar 1991 rechtskräftig.
Die Ehefrau war vor der Ehe als Lehrerin im Dienst des Landes Baden-Württemberg tätig. Nach der Heirat war sie zunächst vom 26. August 1974 bis 13. April 1975 ohne Dienstbezüge beurlaubt und wurde dann in den Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen übernommen, wo sie an einer Berufsschule unterrichtet. Ihre in der Ehezeit vom 1. August 1974 bis 28. Februar 1990 (§ 1587 Abs. 2 BGB) erworbene Anwartschaft auf Beamtenversorgung beträgt monatlich 1.460,33 DM.
Der Ehemann hatte 1960 die erste Staatsprüfung für das Lehramt an berufsbildenden Schulen abgelegt, war aber anschließend in der Brauindustrie beschäftigt. Aus dieser Tätigkeit erwarb er gesetzliche Rentenanwartschaften, von denen ein Teil auf freiwilligen Beitragsleistungen beruht. Nach dem Verlust seiner Stellung aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen holte er von 1975 bis 1977 seine Studienreferendarzeit nach und legte die zweite Staatsprüfung ab. Seit Februar 1977 ist er als Studienrat im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen tätig.
Das Amtsgericht hat – ausgehend von ehezeitlich erworbenen gesetzlichen Rentenanwartschaften des Ehemannes in Höhe von monatlich 5,60 DM – im Wege des Rentensplittings die Hälfte hiervon, 2,80 DM, auf ein für die Ehefrau zu errichtendes Rentenkonto bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (weitere Beteiligte zu 2) übertragen. Außerdem hat es auf der Grundlage der für den Ehemann mitgeteilten Anwartschaft auf Beamtenversorgung von monatlich 2.190,45 DM im Wege des Quasisplittings für die Ehefrau gesetzliche Rentenanwartschaften in Höhe der hälftigen Differenz der beiderseits erworbenen Beamtenversorgungen, nämlich monatlich 365,06 DM, begründet.
Dagegen hat der Ehemann Beschwerde mit dem Ziel einer Herabsetzung des Versorgungsausgleichs aus Billigkeitsgründen eingelegt. Das Oberlandesgericht hat nach Einholung neuer Auskünfte der Beschwerde insoweit stattgegeben, als es das Rentensplitting wegen geringerer ehezeitlicher Rentenanwartschaften des Ehemannes als ursprünglich angenommen auf monatlich 2,63 DM ermäßigt hat. Im übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen weiteren Beschwerde verfolgt der Ehemann sein Begehren auf Herabsetzung weiter.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Der Ehemann rügt zunächst, das Oberlandesgericht habe – auf der Grundlage der vom Landesamt für Besoldung und Versorgung zuletzt mitgeteilten Berechnung – bei der Ermittlung des Ruhensbetrages seiner Versorgungsbezüge nach § 55 BeamtVG nicht nur die während der Ehezeit erworbenen, sondern die gesamten gesetzlichen Rentenanwartschaften einbezogen und im Verhältnis der ehezeitlichen Entgeltpunkte zu den auf freiwilligen Beiträgen beruhenden Entgeltpunkten quotiert. Dadurch werde die ausgleichsberechtigte Ehefrau auch an seinen vorehelich erworbenen Rentenanwartschaften beteiligt. Das liefe § 1587a Abs. 6 Hs. 2 BGB zuwider.
Diese Rüge ist unbegründet. Bei der Ermittlung des die Höchstgrenze Übersteigenden Ruhensbetrages gemäß § 55 Abs. 1 und 2 BeamtVG sind zunächst gemäß § 55 Abs. 4 BeamtVG aus den insgesamt erworbenen gesetzlichen Rentenanwartschaften diejenigen Rententeile auszuscheiden, die auf freiwilligen Beiträgen beruhen. Das geschieht im Wege einer Verhältnisrechnung, in der die aus freiwilligen Beiträgen stammenden Entgeltpunkte (früher Werteinheiten) zu den insgesamt erworbenen Entgeltpunkten ins Verhältnis gesetzt werden. Nur der nicht auf freiwilligen Beiträgen beruhende Anteil findet Eingang in die Errechnung des Ruhensbetrages. Danach hat hier das Oberlandesgericht auf der Grundlage der von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte mitgeteilten neuen Rentenauskunft die Rente (590,99 DM) – bereinigt um den auf freiwilligen Beiträgen beruhenden Anteil (227,55 DM) – zutreffend mit monatlich 363,44 DM in die Ruhensberechnung der Beamtenversorgung einbezogen. Da die Höchstgrenze im Sinne des § 55 Abs. 2 BeamtVG (4.203,96 DM) durch die Summe von anrechenbarer gesetzlicher Rente und ungekürztem Ruhegehalt (363,44 DM + 3.811,60 DM = 4.175,04 DM) nicht überschritten wird, ergibt sich für den Ehemann kein Ruhensbetrag und damit auch keine Kürzung seiner Beamtenversorgung, die nach Maßgabe der vom Senat entwickelten Grundsätze (vgl. Senatsbeschluß vom 1. Dezember 1982 – IVb ZB 532/81 – FamRZ 1983, 358 f) bei der Berechnung des Ausgleichsbetrags zu berücksichtigen wäre. Auch im übrigen ist die Berechnung des Oberlandesgerichts nicht zu beanstanden.
2. Der Ehemann hält eine volle Durchführung des Versorgungsausgleichs zu seinen Lasten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse nach § 1587c Nr. 1 BGB für grob unbillig, weil die Ehefrau ihre schon vor der Ehe ausgeübte Tätigkeit bis auf eine nicht ins Gewicht fallende Unterbrechung während der Ehe beibehalten und daher keine ehebedingten Nachteile in ihrer versorgungsrechtlichen Lage erlitten habe, die durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen werden mußten. Nach uneingeschränkter Durchführung des Ausgleichs werde sie sogar insgesamt über eine höhere Versorgung verfügen als er selbst. Zudem habe sie während der Ehe nur geringe finanzielle Beiträge zum Lebensunterhalt beigesteuert und Gelegenheit gehabt, Vermögen anzusammeln, während er den größten Teil des Familienunterhalts getragen und seine beiden Kinder unterhalten habe.
Auch dieser Einwand bleibt ohne Erfolg.
Nach § 1587c Nr. 1 BGB findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung, grob unbillig wäre. Dabei handelt es sich um einen Ausnahmetatbestand. Von der Härteregelung ist nur Gebrauch zu machen, wenn die starre Durchführung des Versorgungsausgleichs seinem Grundgedanken – für beide Eheleute nach der Scheidung den Grundstock zu einer eigenständigen Alterssicherung zu legen und dadurch auch dem sozial schwächeren Teil zur wirtschaftlichen Selbständigkeit zu verhelfen – aufgrund besonderer Verhältnisse in unerträglicher Weise widersprechen wurde (vgl. Senatsbeschluß vom 9. November 1988 – IVb ZB 161/86 – BGHR BGB S 1587c Nr. 1 Auswirkungen, wirtschaftliche 4 m.w.N.). Solche besonderen Verhältnisse liegen aber noch nicht darin, daß beide Ehegatten während der Ehe in ähnlicher Weise – etwa wie hier als Beamte – erwerbstätig gewesen sind und jeweils eigene Versorgungsanrechte erworben haben, die schon für sich gesehen ausreichen würden, jedem der Ehegatten ein auskömmliches Leben im Alter zu sichern. Zwar besteht in einem solchen Falle beim Ehegatten mit den geringeren Versorgungsanrechten noch keine unbefriedigende soziale Lage, deren Verbesserung der Versorgungsausgleich dienen soll. Indessen erschöpft sich darin sein Sinn noch nicht. Die Inanspruchnahme desjenigen, der während der Ehezeit die werthöheren Versorgungsanwartschaften begründet hat, obwohl auch der andere eine an sich angemessene eigene Altersversorgung erzielt hat, wird vielmehr durch den Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft gerechtfertigt, die selbst während einer beiderseitigen vollen Erwerbstätigkeit im Keim (auch) eine Versorgungsgemeinschaft ist. Trennt sich das Versorgungsschicksal der beiden Ehegatten wegen des Scheiterns der Ehe, so bewirkt der Versorgungsausgleich, daß die ehezeitlich erworbenen Anrechte gemäß dem ursprünglichen gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherung gleichmäßig aufgeteilt werden (st. Rspr. des Senats, vgl. Beschlüsse vom 23. März 1988 – IVb ZB 51/87 – FamRZ 1988, 709; und vom 9. November 1988 – IVb ZB 53/87 – BGHR BGB § 1587d Nr. 1 Grobe Unbilligkeit 9). Beide Ehegatten haben dann nach Durchführung des Versorgungsausgleichs – bezogen auf den ehezeitlichen Erwerb – gleich hohe Versorgungsanrechte. Das ist auch hier der Fall, da sowohl die Ehefrau als auch der Ehemann nach Durchführung des Ausgleichs über jeweils rund monatlich 1.828 DM ehezeitlich erworbene Versorgungsanrechte verfügen.
Vergleicht man dagegen, wie der Ehemann in seiner weiteren Beschwerde, die sich nach Durchführung des Versorgungsausgleichs ergebenden gesamten Versorgungsanrechte beider Ehegatten, kann es allerdings dazu kommen, daß die Versorgungsanrechte des ausgleichsberechtigten Ehegatten höher sind als die des ausgleichsverpflichteten Ehegatten.
So hat der Ehemann hier eine ungekürzte Beamtenversorgungsanwartschaft von monatlich 4.129,24 DM (einschließlich Sonderzuwendung und hochgerechnet auf das Alter) zuzüglich gesetzlicher Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 590,99 DM, insgesamt monatlich 4.720,23 DM, die sich durch den Versorgungsausgleich auf monatlich 4.352,54 DM verringern werden. Dem stehen auf seiten der Ehefrau aufgestockte Versorgungsanrechte von insgesamt monatlich 4.386,29 DM gegenüber (4.018,60 DM Beamtenversorgung + 365,06 DM + 2,63 DM gesetzliche Rentenanwartschaften). Dieser nur geringfügige Unterschied von rund 34 DM rechtfertigt indessen noch keine Anwendung des § 1587c Nr. 1 BGB. Eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs kommt erst dann in Betracht, wenn seine uneingeschränkte Durchführung zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichsverpflichteten führen würde. Dazu reicht es jedoch nicht aus, daß der Ausgleichsberechtigte (geringfügig) wirtschaftlich besser dasteht. Eine Kürzung des Ausgleichs unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Ungleichgewichts kommt vielmehr erst in Betracht, wenn der Berechtigte bereits eine ausreichende Versorgung hat oder etwa über nicht ausgleichspflichtiges Grund- oder Kapitalvermögen verfügt (vgl. Senatsbeschluß vom 9. Juli 1986 – IVb ZB 4/85 = FamRZ 1987, 49, 51), während der Verpflichtete auf die von ihm erworbenen Versorgungsanrechte dringend angewiesen ist (vgl. Senatsbeschluß vom 9. November 1988 – IVb ZB 161/86 – aaO m.w.N.).
Das ist hier nicht der Fall. Soweit der Ehemann in diesem Zusammenhang geltend macht, die Ehefrau habe während der Ehe finanziell wenig zum Lebensunterhalt beigetragen und daher Vermögen ansammeln können, ist auch dieser Vortrag mangels näherer Darlegung, wie hoch das angesammelte Vermögen der Ehefrau sei, nicht geeignet, ein wirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen den Ehegatten zu begründen.
Auf eine Verletzung der Familienunterhaltspflicht durch die Ehefrau im Sinne von § 1587c Nr. 3 BGB stellt der Ehemann in der weiteren Beschwerde selbst nicht mehr ab, nachdem das Oberlandesgericht aufgrund des festgestellten Lebenssachverhalts hierfür zutreffend keine Anhaltspunkte gesehen hat.
Entsprechend der Beanstandung der Beschwerdeerwiderung war die Kostenentscheidung des Oberlandesgerichts dahin abzuändern, daß der Ehemann gemäß § 97 Abs. 1 und 3 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat. Sein geringfügiges Obsiegen, was den Ausgleich der gesetzlichen Rentenanwartschaften betrifft, fällt nicht ins Gewicht (§ 92 Abs. 2 ZPO entsprechend). Daß die Ehefrau kein Rechtsmittel eingelegt, sondern der Senat nur über das Rechtsmittel des Ehemannes zu befinden hat, steht der Entscheidung nicht entgegen, da das Verbot der Schlechterstellung insoweit nicht gilt (§ 308 Abs. 2 ZPO; BGHZ 92, 137, 139).
Fundstellen