Verfahrensgang
LG Rostock (Urteil vom 22.06.2005) |
Tenor
I.
- Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 22. Juni 2005 mit den Feststellungen – mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Sachverhalt, die bestehen bleiben – aufgehoben.
- Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Die weitergehende Revision wird verworfen.
II.
- Der Unterbringungsbefehl des Landgerichts Rostock vom 21. September 2005 – 13 KLs 18/04 – wird aufgehoben.
- Insoweit wird die sofortige Entlassung des Angeklagten angeordnet.
Tatbestand
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe und der Maßregel hat es jeweils zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
I.
1. Das Urteil hat keinen Bestand, weil die Beweiswürdigung der Strafkammer zur inneren Tatseite durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Der Beschwerdeführer macht zu Recht geltend, dass die getroffenen Feststellungen einen Brandstiftungsvorsatz des Angeklagten nicht belegen.
a) Der Angeklagte befand sich auf Grund vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung in der Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung, in der er sich unzureichend behandelt fühlte, weshalb er seine Verlegung in eine andere psychiatrische Einrichtung anstrebte. Obwohl die Verlegung auch aus fachlicher Sicht für erforderlich gehalten wurde, fand sich zunächst keine entsprechende andere Einrichtung. Der Angeklagte wollte aber jedenfalls erreichen, das nahe bevorstehende Weihnachten nicht mehr in der bisherigen Einrichtung verbringen zu müssen; er dachte darüber nach, etwas „anzustellen”, um auf diese Weise seine Verlegung zu erreichen. Deshalb entschloss er sich in den frühen Morgenstunden des 7. Dezember 2003, einen Feueralarm auszulösen. Dazu hielt er sein Feuerzeug unmittelbar unter den an der Decke seines Zimmers befindlichen Rauchmelder. Dabei rechnete er damit, dass der „Feuermelder” innerhalb kürzester Zeit auf die Wärme des Feuerzeuges reagieren würde. Entgegen seiner Erwartung kam es nicht sofort zu einem hörbaren Alarm. Deshalb hielt der Angeklagte das entzündete Feuerzeug weiterhin unter den Rauchmelder, bis er nach ca. ein bis zwei Minuten bemerkte, dass das Plastikmaterial des Brandmelders in Brand geraten war und heruntertropfte. Darauf nahm der Angeklagte zwei hölzerne Einlegeböden, die er unter den weiterhin tropfenden Brandmelder hielt. Auf diese Weise versuchte er, „das brennende, flüssige Plastikmaterial aufzufangen, um eine Ausbreitung des Brandes und eine Beschädigung des Fußbodenbelages zu verhindern”. Dennoch tropfte einiges Material auch auf den Filzfußboden und brannte dort weiter. Dies war auch noch der Fall, als das Pflegepersonal sich nach einem nunmehr ausgelösten stillen Alarm wenig später Zugang zu dem Zimmer des Angeklagten verschaffte. Es konnte noch vor Eintreffen der Feuerwehr die beiden Brandstellen mit einem Handfeuerlöscher mühelos ablöschen. Im Deckenbereich brannte der Rauchmelder vollständig aus. Die Rauhfasertapete an der Decke verbrannte auf einer Fläche von 30 × 30 cm. Der Fußbodenbelag selbst war nicht in Brand geraten.
Der Angeklagte hat sich eingelassen, er habe keinen Brand legen wollen und habe dies auch nicht getan. Er habe sich – was das Landgericht auch festgestellt hat – vorab über die Funktionsweise des Feuermelders informiert und habe Mitbewohner gewarnt; er sei überzeugt gewesen, dass nichts hätte passieren können. Demgegenüber hat das Landgericht gemeint, dem Angeklagten sei „bewusst gewesen, dass es sich bei seinem Zimmer um einen Dachausbau in Holzbauweise handelte …, so dass ein Übergreifen eines Brandes auf feste Gebäudebestandteile wie Decken, Wände oder den Dachstuhl jederzeit möglich” gewesen sei.
b) Die getroffenen Feststellungen tragen die Annahme, der Angeklagte habe mit zumindest bedingtem Brandstiftungsvorsatz gehandelt, nicht. Die Kenntnis des Angeklagten von der Holzbauweise des Dachausbaus und damit von der Gefährlichkeit offenen Feuers in diesem Bereich betreffen allein objektive Umstände, die das Wissenselement des Vorsatzes begründen können. Das genügt jedoch nicht und lässt außer Acht, dass auch das Wollenselement besonders geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden muss. Dem angefochtenen Urteil kann nicht entnommen werden, dass die Strafkammer eine dem genügende Gesamtwürdigung vorgenommen hat. Dass der Angeklagte „während der Tatausführung jederzeit in der Lage (gewesen sei), die Konsequenzen seines Handelns zu erkennen und zu bewerten”, deutet lediglich auf eine bewusste Fahrlässigkeit hin. Dies gilt umso mehr, als das Landgericht es für möglich gehalten hat, dass der Angeklagte dabei seine Fähigkeit, ein Inbrandsetzen des Gebäudes verhindern zu können, überschätzt habe (UA 27). Gegen die Annahme, der Angeklagte habe eine Tatbestandsverwirklichung nach § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB billigend in Kauf genommen (zur Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit vgl. BGHR StGB § 306 Beweiswürdigung 6), sprach hier zudem, dass der Angeklagte selbst Maßnahmen ergriff, die ein Ausbreiten des Brandes und weitere Schäden verhindern sollten. Schließlich liegt es auch fern, dass der Angeklagte sich durch eine Brandlegung selbst in Lebensgefahr bringen wollte, indem er sich in seinem Zimmer einschloss und dabei das Eingreifen von Hilfskräften zu erschweren versuchte.
Die Sache bedarf deshalb neuer tatrichterlicher Prüfung und Entscheidung. Ausgenommen davon sind lediglich die rechtsfehlerfreien Feststellungen zum äußeren Sachverhalt, die bestehen bleiben können. Sofern dem Angeklagten ein Brandstiftungsvorsatz nicht nachzuweisen ist, wird das Landgericht eine Strafbarkeit unter dem Gesichtspunkt der Sachbeschädigung (§§ 303, 303 c StGB) und des Missbrauchs von Notrufen (§ 145 Abs. 1 Nr. 1 StGB) zu prüfen haben.
2. Die Aufhebung des Urteils zum Schuldspruch entzieht dem Strafausspruch und dem Maßregelausspruch die Grundlage.
Entscheidungsgründe
II.
Der Senat hebt gemäß § 126 a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 126 Abs. 3 und § 120 Abs. 1 StPO den Unterbringungsbefehl des Landgerichts vom 21. September 2005 auf und ordnet die sofortige Entlassung des Angeklagten aus der einstweiligen Unterbringung an. Der weitere Vollzug dieser strafrechtlichen Maßnahme steht zu dem Tatvorwurf in dieser Sache, wie er sich nach der revisionsgerichtlichen Prüfung des angefochtenen Urteils darstellt, außer Verhältnis.
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Athing, Ernemann, Sost-Scheible
Fundstellen
Haufe-Index 2556999 |
NStZ-RR 2006, 100 |