Verfahrensgang
OLG Hamm (Entscheidung vom 23.05.1991) |
Tenor
Der Antrag der Beklagten, den Wert ihrer Beschwer durch das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 23. Mai 1991 auf mehr als 40.000,00 DM festzusetzen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Das Landgericht hat auf Antrag des klagenden Landkreises die Beklagte verurteilt, das auf einem Grundstück des Klägers in T. aufgestellte und mit dem Zeichen 250 StVO versehene Parkverbotsschild zu entfernen. Es hat zugleich die Widerklage der Beklagten abgewiesen, die festzustellen begehrte, daß ein unter dem 1. Juli 1988 zwischen den Parteien zur Regelung der Nutzung und Unterhaltung von kreiseigenen Park- und Wegeflächen im Bereich des von der Beklagten betriebenen Parkhotels B. abgeschlossener Vertrag rechtswirksam zustande gekommen ist. Die Beklagte hat Berufung eingelegt und beantragt, die Klage abzuweisen und auf die Widerklage die schon in erster Instanz begehrte Feststellung zu treffen, hilfsweise festzustellen, daß der Kläger verpflichtet ist, ihr die Nutzung der neben dem Hotelgrundstück belegenen Park- und Wegeflächen ausschließlich durch Gäste des von ihr betriebenen Hotels zu gestatten. Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. März 1991 hat das Oberlandesgericht durch Urteil vom 23. Mai 1991 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und den Wert ihrer Beschwer auf 35.000,00 DM festgesetzt. Den Streitwert für beide Vorinstanzen hat es durch Beschluß vom 27. Mai 1991 für die Klage auf 1.000,00 DM und für die Widerklage auf 32.080,00 DM, zusammen auf 33.080,00 DM festgesetzt.
Die Beklagte hat Revision eingelegt. Sie beantragt, ihre Beschwer durch das Berufungsurteil auf mehr als 40.000,00 DM festzusetzen. Dazu hat sie vorgetragen, da die Wirksamkeit eines Pachtvertrages über die genannten Grundflächen streitig sei, müsse gemäß § 8 ZPO zunächst der zwanzigfache Jahresbetrag der im Vertrag vorgesehenen Pacht von jährlich 100,00 DM angesetzt werden. Außerdem sei eine von der Beklagten in dem streitigen Vertrag übernommene Bauverpflichtung zu berücksichtigen, die das Berufungsgericht in dem Streitwertbeschluß auch mit 40.000,00 DM angesetzt habe; hinzu komme aber - was das Berufungsgericht übersehen habe - der Wert einer der Beklagten in dem Vertrag erlaubten Schrankenanlage, deren Installationskosten sie schon in erster Instanz mit 30.000,00 DM angegeben habe. Ein Wertabschlag von 20 %, wie ihn das Oberlandesgericht für die Widerklage vorgenommen habe, sei nicht gerechtfertigt, denn Klagen über das Bestehen eines Pachtvertrages seien ihrer Art nach Feststellungsklagen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Das Revisionsgericht ist an die Wertfestsetzung in dem Berufungsurteil nicht gebunden, weil das Oberlandesgericht den Wert der Beschwer nicht auf einen 40.000,00 DM übersteigenden Betrag festgesetzt hat (§ 546 Abs. 2 Satz 2 ZPO in der bis zum 31. März 1991 gültigen Fassung). Dieser Grenzwert ist hier noch maßgeblich, weil die letzte mündliche Verhandlung in der Berufungsinstanz vor dem 1. April 1991 stattgefunden hat. Die von der Beklagten geltend gemachten Gesichtspunkte rechtfertigen jedoch keine Bemessung ihrer Beschwer auf einen die Revisionssumme erreichenden Wert.
Das Oberlandesgericht hat bei der Bemessung der Beschwer - anders als bei der Festsetzung des Streitwertes - nicht zwischen Klage und Widerklage differenziert. Es hat aber dem im Streitwertbeschluß mit 1.000,00 DM angenommenen Wert für die Verurteilung auf die Klage ersichtlich auch bei der Bemessung der Beschwer diejenige hinzugerechnet, die in der Abweisung der Widerklage liegt. Dagegen bestehen keine Bedenken; denn § 5 zweiter Halbsatz ZPO ist nach allgemeiner Auffassung für die Beschwer in der Rechtsmittelinstanz nicht anzuwenden, wenn wie hier Klage und Widerklage nicht denselben Streitgegenstand betreffen (vgl. Zöller/Schneider ZPO 17. Aufl., § 5 Rdn. 2 m.w.N.). Die Gründe, die die Revision für ihren Antrag vorträgt, beziehen sich nicht auf den Wertansatz für die Klage, der auch keinen Ermessensfehler des Tatrichters erkennen läßt, sondern allein auf den der Widerklage.
Schon gegen den Ausgangspunkt, daß diese gemäß § 8 ZPO zu bewerten ist, bestehen Bedenken. Die Parteien streiten zwar über das Bestehen eines Vertrages, in dem ein Teil des Objektes als "Pachtfläche" oder "Pachtgrundstück" bezeichnet wird. Wie sich aber insbesondere aus § 4 des Vertragsentwurfs ergibt, sollte die Beklagte keine Gegenleistung in Form eines angemessenen Pachtzinses erbringen, sondern nur eine "Anerkennungsgebühr" von 100,00 DM jährlich zahlen. Der Wertmaßstab des § 8 ZPO ist indessen nur anwendbar, wenn davon ausgegangen werden kann, daß in dem vereinbarten Pacht- oder Mietzins eine adäquate Bewertung des Nutzungsinteresses zum Ausdruck kommt. Der hier in Frage stehende Vertrag weist eher Ähnlichkeiten zu einem unentgeltlichen Nutzungsverhältnis auf. In einem solchen Fall ist der Wert der Beschwer gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen. Für die Bewertung kommt es daher in erster Linie auf das Interesse der Beklagten an der Wirksamkeit dieses Vertrages an. Nach der den Einzelregelungen vorangestellten "Vorbemerkung" besteht es darin, die bisher vertraglich nicht vereinbarte Nutzung und Unterhaltung der kreiseigenen Park- und Wegeflächen interessengerecht zu regeln. In Ermangelung eines adäquaten Nutzungsentgelts lassen sich Anhaltspunkte für die Bewertung aus den finanziellen Verpflichtungen gewinnen, die die Beklagte mit der Unterhaltung zu übernehmen hätte. Insoweit weist die Revision zu Recht auf die in § 8 Abs. 2 des Vertrages vereinbarte Übernahme einer Bauverpflichtung hin. Diese kann aber nur mit 20.000,00 DM angesetzt werden, da der Kläger sich an diesen Kosten zur Hälfte beteiligen muß und der dafür angesetzte Höchstbetrag ein Indiz für die Kostenschätzung durch die Parteien liefert. Dagegen ist es nicht gerechtfertigt, auch noch Installationskosten für eine Schrankenanlage zu berücksichtigen, die die Beklagte - ohne den Wert in irgendeiner Weise zu belegen - mit weiteren 30.000,00 DM angesetzt wissen will. Insoweit sieht der Vertrag keine Bauverpflichtung der Beklagten vor, sondern lediglich die Gestattung der Anlage durch den Kläger (§ 3 Nr. 2). An dieser Beurteilung ändert nichts der Umstand, daß die Beklagte trotz des bereits anhängigen Rechtsstreits anscheinend im Sommer 1990 eine solche Schranke errichtet hat, wie der Kläger (Schriftsatz vom 2. Juli 1990, Seite 8) unter Vorlage von Lichtbildern unwidersprochen vorgetragen hat.
Die Beklagte ist schließlich nicht dadurch zusätzlich beschwert, daß auch ihr in zweiter Instanz zur Widerklage gestellter Hilfsantrag erfolglos geblieben ist. Dieser ist mit dem Hauptantrag der Widerklage wirtschaftlich identisch; denn es geht der Beklagten dabei um die Feststellung, daß sie jedenfalls Anspruch auf den Abschluß eines Vertrages habe, der inhaltlich dem von ihr mit dem Hauptantrag für wirksam gehaltenen Vertrag vom 1. Juli 1988 vergleichbar ist. Insoweit hat auch die Revision nichts an der Bemessung der Beschwer beanstandet.
Nach alledem besteht kein Grund, den vom Oberlandesgericht mit 35.000,00 DM bereits sehr großzügig zugunsten der Beklagten angesetzten Wert der Beschwer noch zu erhöhen.
Fundstellen