Leitsatz (amtlich)
Zur Bemessung des Beschwerdewertgegenstandes bei der Verpflichtung zur Auskunftserteilung über die eigenen Einkünfte.
Normenkette
FamFG § 61 Abs. 1, § 68 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Beschluss vom 23.04.2013; Aktenzeichen 7 UF 295/13) |
AG Nürnberg (Entscheidung vom 24.01.2013; Aktenzeichen 114 F 390/12) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats und Senats für Familiensachen des OLG Nürnberg vom 23.4.2013 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.
Beschwerdewert: bis 600 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner mit einem Stufenantrag auf Trennungsunterhalt sowie Kindesunterhalt für das bei ihr lebende gemeinsame minderjährige Kind in Anspruch. Das FamG hat den Antragsgegner in erster Stufe verpflichtet, der Antragstellerin in näher bezeichnetem Umfang Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen und diese zu belegen. Der Antragsgegner hat Beschwerde gegen die Verpflichtung zur Auskunftserteilung über seine Einkünfte eingelegt. Das OLG hat die Beschwerde als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 600 EUR nicht übersteige. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.
II.
Rz. 2
Die gem. §§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.
Rz. 3
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsgegner weder in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) noch in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Diese Verfahrensgrundrechte verbieten es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BGH v. 12.10.2011 - XII ZB 127/11, FamRZ 2011, 1929 m.w.N.).
Rz. 4
2. Das OLG hat die Erstbeschwerde zutreffend nach §§ 68 Abs. 2 Satz 2, 61 Abs. 1 FamFG als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR nicht übersteigt.
Rz. 5
a) Das OLG hat ausgeführt, der Wert des Beschwerdegegenstandes richte sich nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, der für den Antragsgegner mit der Auskunftserteilung und der Vorlage der Belege verbunden sei. Aus den bereits vorliegenden Einkommensteuererklärungen für 2010 und 2011 ergebe sich, dass der Antragsgegner in diesen Jahren keine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt habe. Es sei deshalb davon auszugehen, dass er in dem gesamten Auskunftszeitraum vom 1.12.2008 bis 30.11.2011 keine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit gehabt habe und insoweit auch kein Aufwand für die Auskunftserteilung entstehe. Bezüglich der Einkünfte aus Geschäftsbeteiligungen in diesem Zeitraum sei davon auszugehen, dass die maßgeblichen Daten bereits aus anderem Anlass durch den Steuerberater zusammengetragen worden seien und für die Auskunftserteilung an die Antragstellerin nur noch mit einem geringen Aufwand von allenfalls einer halben Stunde aufgelistet werden müssten. Der weitere Aufwand, Auskunft über die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit vom 1.12.2010 bis 30.11.2011 zu erteilen, betrage höchstens eine Viertelstunde. Für die Zusammenstellung der Belege falle eine weitere Stunde Aufwand an. Zusätzlicher Aufwand für die Auskunftserteilung über sonstige Einkünfte, insb. aus Vermietung und Verpachtung oder aus Kapitalvermögen, falle nicht an, da die vom FamG ausgesprochene Verpflichtung mangels näherer Eingrenzung des Auskunftszeitraums keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe. Für die Abwehr eines etwaigen Vollstreckungsversuchs insoweit sei ein zeitlicher Aufwand von einer halben Stunde anzusetzen. Diesbezüglich sei auch keine anwaltliche Beratung erforderlich, welche im Übrigen auch nicht gesondert abgerechnet werden könne, sondern mit den Gebühren für den erstinstanzlichen Rechtszug abgegolten sei. Werde die Frage im Vollstreckungsverfahren streitig, entstünde weiterer Aufwand von lediglich 128,95 EUR Anwaltskosten und einer Viertelstunde Besprechungsaufwand. Zusammen mit dem Zeitaufwand für eine eigene Auskunftserteilung von maximal insgesamt vier Stunden liege der Gesamtaufwand unter dem Beschwerdewert von 600 EUR.
Rz. 6
b) Das OLG hat zutreffend erkannt, dass für die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend ist, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Abgesehen von dem Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses ist auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (BGH v. 26.10.2011 - XII ZB 465/11, FamRZ 2012, 24 Rz. 16; v. 23.3.2011 - XII ZB 436/10, FamRZ 2011, 882 Rz. 9 m.w.N.).
Rz. 7
Dabei kann der dem Beschwerdegericht bei seiner Schätzung eingeräumte Ermessensspielraum im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Gericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (BGH v. 26.10.2011 - XII ZB 465/11, FamRZ 2012, 24 Rz. 17; v. 14.2.2007 - XII ZB 150/05, FamRZ 2007, 711 Rz. 9; v. 3.11.2004 - XII ZB 165/00, FamRZ 2005, 104, 105; BGHZ 155, 127 = FamRZ 2003, 1267, 1268; v. 24.7.2002 - XII ZB 31/02, FamRZ 2003, 597). Letzteres ist hier nicht der Fall.
Rz. 8
aa) Soweit die Rechtsbeschwerde einen den Betrag von 600 EUR übersteigenden Aufwand darin sieht, dass der Antragsgegner seine Einkünfte aus zwei Unternehmensbeteiligungen durch Vorlage von Gewinn- und Verlustrechnungen, betriebswirtschaftlichen Auswertungen sowie Umsatzsteueranmeldungen und Einkommensteuerbescheiden, welche ihm allesamt nicht vorlägen, belegen müsse, ist dem nicht zu folgen. Bei verständiger Würdigung ist die vom FamG auferlegte Belegpflicht nach einzelnen Einkommensarten unterteilt. Die zuerst genannten "Lohnabrechnungen" können sich ersichtlich nur auf das Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit beziehen, die "Gewinn- und Verlustrechnungen hinsichtlich der Firmenbeteiligungen" beziehen sich auf die beiden in Rede stehenden Unternehmensbeteiligungen, während die "betriebswirtschaftlichen Auswertungen" sowie "Umsatzsteueranmeldungen und -bescheide" auf eine etwaige selbständige Tätigkeit zielen.
Rz. 9
Bezüglich der Unternehmensbeteiligungen an zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung beschränkt sich die Belegpflicht somit auf die Vorlage von "Gewinn- und Verlustrechnungen". Diese sind Teil der Jahresabschlüsse (§ 242 Abs. 2, 3 HGB), welche die Geschäftsführer spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres aufzustellen haben (§ 264 Abs. 1 Satz 3, 4 HGB) und die spätestens innerhalb von elf Monaten durch Gesellschafterbeschluss festzustellen sind (§ 42a Abs. 2 GmbHG). Dass die Gesellschaften diesen Gesetzespflichten nicht nachgekommen seien, ist nicht festgestellt. Da der Antragsgegner in beiden hier in Rede stehenden Gesellschaften während des maßgeblichen Auskunftszeitraums sowohl eine Geschäftsführer- als auch eine Gesellschafterstellung innehatte, kann mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass er über die jeweiligen Gewinn- und Verlustrechnungen verfügt.
Rz. 10
bb) Soweit die Rechtsbeschwerde in Betracht zieht, der vom FamG ausgesprochenen Verpflichtung zur Auskunftserteilung über sonstige Einkünfte, insb. aus Vermietung und Verpachtung oder aus Kapitalvermögen, könne ein vollstreckungsfähiger Inhalt insoweit beigemessen werden, als im Wege der Auslegung davon auszugehen sei, dass dieser Verpflichtung gleichfalls der Zeitraum 2008 bis 2011 zugrunde zu legen sei, ist weder ersichtlich noch hinreichend dargelegt, dass der im Zusammenhang mit dieser Verpflichtung entstehende Zeitaufwand einen größeren Umfang einnähme als derjenige Aufwand, den das OLG für die Abwehr von Vollstreckungsversuchen aus einem unterstellt unbestimmten Auskunftstitel zugrunde gelegt hat.
Rz. 11
Insbesondere bedarf es zur Erfüllung der Auskunft auch insoweit nicht der Hinzuziehung eines Steuerberaters. Die Kosten der Zuziehung einer sachkundigen Hilfsperson können bei der Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes nämlich nur berücksichtigt werden, wenn sie zwangsläufig entstehen, weil der Auskunftspflichtige zu einer sachgerechten Auskunftserteilung nicht in der Lage ist (BGH v. 26.10.2005 - XII ZB 25/05, FamRZ 2006, 33, 34 und BGH, Urt. v. 11.7.2001 - XII ZR 14/00, FamRZ 2002, 666, 667). Davon ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen.
Rz. 12
Der eigene Zeitaufwand des Auskunftspflichtigen konnte für die hier relevante Zeit nicht höher als maximal 17 EUR pro Stunde bewertet werden (vgl. Senatsbeschlüsse v. 23.5.2012 - XII ZB 594/11 - juris Rz. 9; v. 21.3.2012 - XII ZB 420/11 - juris; BGH Beschl. v. 28.9.2011 - IV ZR 250/10, FamRZ 2012, 299 m.w.N.). Dass danach ein Gesamtaufwand von insgesamt über 600 EUR entstünde, ist weder ersichtlich noch dargelegt.
Rz. 13
cc) Ebenfalls zutreffend hat das OLG den Aufwand für die Erstellung eines Vermögensverzeichnisses nicht in die maßgebliche Beschwer eingerechnet. Für die Wertgrenze der Beschwerde nach § 61 Abs. 1 FamFG ist nicht die Beschwer aus dem angefochtenen Beschluss, sondern der Wert des Beschwerdegegenstandes aus dem beabsichtigten Rechtsmittelverfahren maßgebend (vgl. BGH Beschl. v. 30.11.2005 - IV ZR 214/04, NJW 2006, 1142). Beschränkt der Rechtsmittelführer wie hier sein Rechtsmittel auf einzelne Gegenstände der ausgesprochenen Verpflichtung, ist nur die darin liegende Beschwer für das Erreichen der Zulässigkeitsgrenze heranzuziehen.
Rz. 14
Rechtsfehler bei der Auslegung der mit der Beschwerde verfolgten Angriffsziele und der damit einhergehenden Rechtsmittelbeschränkung liegen nicht vor.
Fundstellen