Verfahrensgang
LG Stade (Urteil vom 13.09.2005) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 13. September 2005 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet sowie Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die Revision des Angeklagten hat lediglich hinsichtlich des Maßregelausspruchs Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Rz. 2
Zu seinem Antrag, den Maßregelausspruch aufzuheben, hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:
Rz. 3
„Das Landgericht hat dem Sachverständigen folgend bei dem Angeklagten eine schwere kombinierte Persönlichkeitsstörung mit paranoiden und histrionen Zügen festgestellt (UA S. 12), die in Verbindung mit einem hochgradigen Erregungszustand am Tattag zu einer erheblichen Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit geführt habe (UA S. 14f). Der Tatrichter hat insoweit die Voraussetzungen des § 21 StGB angenommen. Das Landgericht ist der Auffassung, dass auch die Voraussetzungen des § 63 StGB gegeben seien, da der Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit infolge seiner schweren Persönlichkeitsstörung wieder aggressive Gewalttaten begehen werde (UA S. 17). Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Eine Gesamtwürdigung des Zustandes des nicht vorbestraften Angeklagten lässt das angefochtene Urteil im Hinblick darauf vermissen, dass der erst zur Bejahung des § 21 StGB führende Affekt situativer Natur war und die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten für sich genommen noch nicht zu einer erheblichen Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit geführt hat. Voraussetzung für die Anwendung des § 63 StGB ist aber nicht nur die Feststellung, dass der Täter im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit eine Straftat begangen hat, sondern auch, dass von ihm „infolge seines Zustandes” erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Daher scheidet die Unterbringung aus, wenn der Täter nur vorübergehend vermindert schuldfähig gewesen ist, etwa wenn er aufgrund eines hochgradigen Affektes gehandelt hat, der zwar die Schuldfähigkeit zur Tatzeit aufgehoben oder vermindert hat, der aber nicht als darüber hinausgehende Störung zu bewerten ist (ständige Rechtsprechung; vgl. BGHSt 34, 22, 27 m.w.N.; BGHR StGB § 63 Zustand 27).
Der Umstand, dass der Angeklagte bereits früher in seinen Paarbeziehungen gegenüber Frauen tätlich geworden ist, vermag die Unterbringung nicht zu rechtfertigen. Nach den Feststellungen des Urteils handelt es sich hierbei zwar um ein tief verwurzeltes Verhaltensmuster aufgrund der vorhandenen Persönlichkeitsstörung, begründet jedoch noch keine Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB (vgl. hierzu BGH StV 1990, 260).
Es ist nicht auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden, die die Einweisung des Angeklagten in eine psychiatrische Anstalt gemäß § 63 StGB rechtfertigen. Nach den Feststellungen könnte die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten eine Unterbringung dann rechtfertigen, wenn sie nicht unmittelbar tatauslösend, aber Ursache für die Entstehung des schuldmindernden Affektes gewesen sein sollte, sofern mit bestimmter Wahrscheinlichkeit zu erwarten wäre, dass sie in Zukunft erneut einen derartigen Affekt und eine darauf beruhende Straftat auslöst (vgl. BGHR StGB § 63 Zustand 15; BGHSt 34, 22, 28).”
Rz. 4
Dem kann sich der Senat nicht verschließen.
Unterschriften
Winkler, Pfister, von Lienen, Becker, Hubert
Fundstellen