Leitsatz (amtlich)
Im Falle eines Streites um die Wirksamkeit der Abberufung eines Organmitglieds einer Kapitalgesellschaft ist für die Streitwertfestsetzung ausschließlich auf das Interesse der Gesellschaft abzustellen, den Abberufenen von der Leitung der Gesellschaft fernzuhalten, bzw. auf das gegenteilige Interesse des Organmitglieds. Das gleiche gilt bei einem Streit darüber, ob das abberufene Organ überhaupt wirksam bestellt worden ist.
Tenor
Der Antrag der Klägerin, den Wert der Beschwer auf mehr als 60.000,00 DM festzusetzen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die klagende Aktiengesellschaft ist - soweit dies jetzt noch von Interesse ist - vor dem Landgericht Halle und dem Oberlandesgericht Naumburg mit ihrem Feststellungsbegehren erfolglos geblieben, daß die beiden Beklagten nicht Vorstandsmitglieder der Gesellschaft gewesen sind. Da die Beklagten frühestens am 21. April 1993 in das Vorstandsamt berufen worden sind und rechtskräftig festgestellt ist, daß sie jedenfalls ab 4. August 1993 nicht mehr dem Vorstand der Klägerin angehören, betrifft das Begehren der Klägerin nur den Zeitraum vom 21. April bis 3. August 1993.
Das Oberlandesgericht hat den Streitwert für das gesamte Berufungsverfahren, das auch das Rechtsmittel der teilweise in erster Instanz unterlegenen Beklagten umfaßte, auf 50.000,00 DM und dementsprechend den Wert der Beschwer für die Klägerin auf unter 60.000,00 DM festgesetzt. Die Klägerin, die Revision eingelegt hat, begehrt die Heraufsetzung der Beschwer auf einen 60.000,00 DM übersteigenden Betrag.
II.
Der Antrag der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat den Streitwert und den Wert der Beschwer nach § 3 ZPO festgesetzt. Damit befindet es sich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 28. Mai 1990 - II ZR 245/89, NJW-RR 1990, 1123 f. = GmbHR 1990, 345 f.; ferner Schneider, Streitwertkommentar, 10. Aufl., RdNr. 3527; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 3 RdNr. 47 "Geschäftsführer einer GmbH"; Wieczorek/Schütze/Roth, ZPO, 3. Aufl. § 3 RdNr. 183 "Abberufung"), der im Ansatz auch die Klägerin beipflichtet.
Entgegen der Meinung der Revision hat das Berufungsgericht die ihm nach § 3 ZPO gesetzten Bewertungsmaßstäbe im Ergebnis nicht verkannt. Zwar mag die Begründung des zugleich mit dem Berufungsurteil ergangenen Streitwertbeschlusses mißverständlich sein. Ob dessen Erwägungen im einzelnen gefolgt werden kann, kann dahinstehen. In der Sache hat das Berufungsgericht jedenfalls richtig erkannt, daß im Falle eines Streits um die Wirksamkeit der Abberufung eines Organmitgliedes einer Kapitalgesellschaft für die Wertfestsetzung ausschließlich auf das Interesse der Gesellschaft daran, den Abberufenen von der Leitung der Gesellschaft fernzuhalten, bzw. auf das gegenteilige Interesse des Organmitgliedes abzustellen ist, weiterhin Leitungsmacht auszuüben (Sen. Beschl. NJW-RR a.a.O. S. 1124). Ebensowenig wie in diesem Zusammenhang das Gehaltsinteresse des Abberufenen zu berücksichtigen ist, darf bei der Wertfestsetzung darauf abgestellt werden, welche Ansprüche die Gesellschaft aus einer etwa wirksamen Abberufungsentscheidung herleiten kann.
Diese Grundsätze der Wertfestsetzung im Streit um die Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses - insofern ist der Rechtsstreit durch das zugunsten der Klägerin ergangene Berufungsurteil rechtskräftig erledigt -, gelten in gleicher Weise, wenn Streit darüber besteht, ob das abberufene Organmitglied überhaupt wirksam bestellt worden ist. Auch dann richtet sich der Wert des entsprechenden Feststellungsbegehrens der Gesellschaft allein nach ihrem Interesse, das Organmitglied von der Leitung der Kapitalgesellschaft fernzuhalten. Der Klägerin kann deswegen nicht gefolgt werden, daß im Rahmen des nach § 3 ZPO auszuübenden Ermessens im vorliegenden Fall werterhöhend zu berücksichtigen sei, daß die Beklagten in den rund dreieinhalb Monaten, in denen sie nach dem angefochtenen Urteil wirksam zu Vorstandsmitgliedern bestellt waren, Grundstücksgeschäfte zu Lasten der Gesellschaft geschlossen haben sollen, deren Rechtswirksamkeit die Klägerin in anderen Rechtsstreitigkeiten bekämpft.
Da der Streit der Parteien, soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz unterlegen ist, einen nur kurzen und abgeschlossenen Zeitraum betrifft und obendrein die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits den Ausgang der anderen wegen der Wirksamkeit der Grundstücksgeschäfte geführten Prozesse nicht präjudiziert, ist das Interesse der Klägerin mit einem unter 60.000,00 DM liegenden Wert nicht ermessensfehlerhaft niedrig bewertet.
Fundstellen
Haufe-Index 3018917 |
NJW-RR 1995, 1502 (Volltext mit red. LS) |
WM 1995, 1316-1317 (Volltext mit red. LS) |