Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Entscheidung vom 15.12.2022; Aktenzeichen 16 U 4291/19) |
LG Ansbach (Entscheidung vom 18.10.2019; Aktenzeichen 2 O 667/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 15. Dezember 2022 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 9.000 €.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Fahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im November 2017 von einem Händler einen gebrauchten VW Touareg 3.0 TDI zum Preis von 45.500 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der Audi AG entwickelten und hergestellten V6-3 Liter-Dieselmotor (Schadstoffklasse Euro 6) ausgestattet. Mit Bescheid vom 8. Dezember 2017 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) für den Fahrzeugtyp die Beseitigung von zwei unzulässigen Abschalteinrichtungen an. Die Beklagte entwickelte ein Software-Update, das der Kläger auf sein Fahrzeug aufspielen ließ.
Rz. 2
Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe ihn im Hinblick auf die vom KBA beanstandeten unzulässigen Abschalteinrichtungen sittenwidrig vorsätzlich geschädigt. Er hat die Erstattung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen begehrt.
Rz. 3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Im Verlauf des Berufungsverfahrens hat er das Fahrzeug zum Preis von 29.000 € veräußert und unter Beibehaltung der übrigen Anträge in unvermindertem Umfang den Zahlungsantrag auf einen Betrag von 6.606,71 € nebst Zinsen beschränkt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers nach Erteilung eines Hinweises als unzulässig verworfen, weil es an einer ausreichenden Berufungsbegründung fehle. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Mit der angestrebten Revision möchte er seine Berufungsanträge weiterverfolgen.
II.
Rz. 4
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) ist nicht gegeben. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt den Kläger weder in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) noch in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Entgegen der Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde hat das Berufungsgericht die Anforderungen an den Inhalt der Berufungsbegründung nicht überspannt und dem Kläger daher nicht den Zugang zur Berufungsinstanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise erschwert (vgl. dazu nur BGH, Beschluss vom 27. Februar 2023 - VIa ZR 1273/22, juris Rn. 4 mwN).
Rz. 5
1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO muss sie konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Darlegung, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger als unzutreffend bekämpft und welche rechtlichen oder tatsächlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen zwar nicht; auch ist es für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen, ein anderes Verfahren betreffenden Textbausteinen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 - VI ZB 68/19, NJW-RR 2020, 1187 Rn. 10 f.; Beschluss vom 16. Januar 2023 - VIa ZB 19/22, juris Rn. 8; jeweils mwN).
Rz. 6
2. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Berufungsbegründung des Klägers diesen Anforderungen nicht gerecht wird.
Rz. 7
a) Das Landgericht hat den Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs mangels Feststellungsinteresses als unzulässig und die Klage im Übrigen als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung in der Sache hat es ausgeführt, der Kläger habe einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB nicht schlüssig dargelegt. Allein die Verwendung vom KBA beanstandeter unzulässiger Abschalteinrichtungen begründe noch kein sittenwidriges Verhalten der Beklagten. Aus dem Gebrauch zweier unzulässiger Abschalteinrichtungen könne auch nicht ohne weiteres auf ein vorsätzliches Verhalten von Organen der Beklagten geschlossen werden, weil die Beklagte den Motor weder entwickelt noch hergestellt und das KBA nicht die technischen Einrichtungen an sich, sondern deren Konfiguration bemängelt habe. Da in einem solchen Fall über die Grenzen der Zulässigkeit der Maßnahme gestritten werden könne und mithin auch ein fahrlässiges Verhalten in Betracht komme, hätte der Kläger konkret darlegen müssen, warum Organe der Beklagten die Verwendung zweier unzulässiger Abschalteinrichtungen billigend in Kauf genommen hätten.
Rz. 8
b) Mit dieser Argumentation des Landgerichts setzt sich die Berufungsbegründung des Klägers nicht hinreichend auseinander. Der Kläger hat darin ausgeführt, das Landgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es dem zur Begründung des Klagevorbringens angebotenen Beweis durch Sachverständigengutachten und Zeugeneinvernahme - anders als andere benannte Instanzgerichte in bestimmten Beschlüssen - nicht nachgegangen sei. Ergänzend hat der Kläger auf das gesamte erstinstanzliche Klagevorbringen und die diesbezüglichen Beweisangebote in der Klageschrift Bezug genommen.
Rz. 9
Diese allgemeinen Ausführungen lassen nicht erkennen, warum der Kläger die Ansicht des Landgerichts für unzutreffend erachtet, er habe kein Interesse an der Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten. Ebenso wenig lässt sich ihnen entnehmen, aus welchen Gründen der Kläger die Annahme des Landgerichts für fehlerhaft hält, er habe ein objektiv sittenwidriges Vorgehen der Beklagten und ein vorsätzliches Verhalten ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne von §§ 826, 31 BGB nicht schlüssig dargelegt. Die gebotene konkrete Auseinandersetzung mit der Begründung des Landgerichts konnte der Kläger durch die pauschale Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag und die Beweisangebote in der Klageschrift nicht ersetzen.
Rz. 10
Anders als die Nichtzulassungsbeschwerde meint, erschloss sich aus der Rüge des Klägers, andere Gerichte gingen den Beweisbehauptungen nach, auch nicht ansatzweise, dass und warum diese Gerichte die Behauptung von unzulässigen Abschalteinrichtungen der in Rede stehenden Art für die Annahme eines objektiv sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten hätten ausreichen lassen und deshalb über das Vorliegen jener Abschalteinrichtungen Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben hätten. Der Kläger hat in der Berufungsbegründung auch nicht seinen unter Zeugenbeweis gestellten Vortrag in der Klageschrift angeführt, der Vorstand der Beklagten sei darüber im Bilde gewesen, dass im Motor eine verbotene Abschalteinrichtung verwendet werde, und habe dies billigend in Kauf genommen. Diese Behauptung hat das Landgericht im Übrigen für unzureichend und die weitergehende Darlegung von konkreten Anhaltspunkten für ein vorsätzliches Verhalten der Organe der Beklagten für erforderlich gehalten, ohne dass der Kläger dagegen konkrete Einwendungen vorgebracht hätte.
Rz. 11
c) Die Nichtzulassungsbeschwerde führt erfolglos an, die Ausführungen des Landgerichts seien mit Blick auf einen bereits durch Fahrlässigkeit ausgelösten Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB wenig überzeugend. Dass der Kläger in der Berufungsbegründung geltend gemacht hätte, das Landgericht habe übersehen, dass sich ein Schadensersatzanspruch jedenfalls aus § 823 Abs. 2 BGB, § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ergebe (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 14. September 2021 - VI ZB 30/19, NJW-RR 2021, 1507 Rn. 9 f.; Beschluss vom 10. Mai 2022 - VI ZB 4/20, NJW-RR 2022, 998 Rn. 11; Beschluss vom 27. Februar 2023 - VIa ZR 1273/22, juris Rn. 13), zeigt die Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf.
Menges |
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Fundstellen
Dokument-Index HI15760800 |