Leitsatz (amtlich)

a) Die erforderliche schriftliche Aufklärung über Warenterminoptionen ist grundsätzlich nur dann rechtzeitig, wenn sie dem Kunden bereits in dem Zeitpunkt vorliegt, in dem er der Auftrag für das erste Optionsgeschäft erteilt.

b) Die durch Aufklärungsmängel vor Abschluß des ersten Optionsgeschäfts begründete Vermutung, daß der Kunde von diesen Geschäft bei gehöriger Aufklärung abgesehen hätte, äußert Wirkung auch in bezug auf Folgegeschäfte, die nach gehöriger Aufklärung geschlossen worden sind. Die tatrichterliche Feststellung, nach dem ersten – mit Gewinn oder Verlust beendeten – Optionsgeschäft stehe der Kunde warnenden Hinweisen nicht mehr unvoreingenommen gegenüber, widerspricht nicht der Lebenserfahrung.

 

Normenkette

BGB § 276

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 13.11.1992)

LG Duisburg

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. November 1992 wird nicht angenommen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Streitwert: 66.729,17 DM

 

Gründe

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Revision hat im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg. Den Kläger steht der zuerkannte Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluß ohne Rücksicht auf die vom Berufungsgericht verneinte Frage zu, ob das dem Kläger übersandte Formular „Auftragserteilung” über Optionsgeschäfte ausreichend aufklärt.

1. Die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 105, 108, 110 f.; BGH, Urteil vom 6. Juni 1991 – III ZR 116/90, WM 1991, 1410 f.) erforderliche schriftliche Aufklärung des Klägers, dem die Beklagte unaufgefordert telefonisch Warenterminoptionen angeboten hat, ist in bezug auf das Erstgeschäft nicht rechtzeitig erfolgt. Die Informationen, die für eine sachgerechte Entscheidung über eine Beteiligung an Optionsgeschäften notwendig sind, müssen dem Kunden bereits in dem Zeitpunkt schriftlich vorliegen, in dem er sich mit Bindungswillen für den Erwerb einer Option entscheidet. Maßgeblich ist danach grundsätzlich der Zeitpunkt der Auftragserteilung, d.h. der Abgabe des Vertragsantrags durch den Kunden.

In diesem Zeitpunkt lagen dem Kläger schriftliche Informationen der Beklagten nicht vor. Seinen Vertragsantrag für das Erstgeschäft hat der Kläger am 19. Februar 1991 telefonisch abgegeben. Die Aufklärungsbroschüre mit dem Formular „Auftragserteilung” hat er nach dem als richtig zu unterstellenden Vorbringen der Beklagten erst am 21. Februar 1991 erhalten.

Die Ansicht der Revision, die Aufklärung sei gleichwohl rechtzeitig, weil der Kläger am 21. Februar 1991 das Erstgeschäft noch hätte verhindern können, ohne Nachteile zu erleiden, kann sich nicht auf das Urteil des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 11. Juli 1988 – II ZR 355/87 (WM 1988, 1255, 1256) stützen. Nach dieser Entscheidung soll eine erst nach Auftragserteilung vorgenommene Aufklärung dann noch rechtzeitig sein, wenn die Durchführung des Auftrags von der noch nicht erfolgten Rücksendung des unterzeichneten Doppels der Auftragsbestätigung und der noch ausstehenden Zahlung der Optionsprämie durch den Auftragsgeber abhängt. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier ersichtlich nicht vor. Der Kläger hatte der Beklagten einen Scheck über die Optionsprämie bereits vor Erhalt der Aufklärungsbroschüre übersandt. Daß er den Scheck noch hätte sperren lassen können, hat schon wegen der Gefahr einer Scheckklage außer Betracht zu bleiben.

2. Die von der Revision angegriffene Feststellung des Berufungsgerichts, nicht nur für das Erst-, sondern auch für alle Folgegeschäfte sei es ursächlich geworden, daß der Kläger vor Erteilung des ersten Auftrags nicht wirksam aufgeklärt worden sei, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine vorvertragliche Aufklärungspflicht verletzt hat, beweispflichtig dafür, daß der Schaden auch bei gehöriger Aufklärung eingetreten wäre, d.h. der Kunde das erste und die folgenden Optionsgeschäfte unter Zahlung der Optionsprämie auch dann abgeschlossen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1983 – II ZR 72/83, WM 1984, 221, 222; Senatsurteil vom 13. Oktober 1992 – XI ZR 30/92, WM 1992, 1935, 1937). Die Klärung der Frage, ob dieser Beweis geführt ist, ist Sache der tatrichterlichen, revisionsrechtlich nur beschränkt nachprüfbaren Würdigung. Dies gilt auch für die Frage, ob die durch Aufklärungspflichtverletzung vor Abschluß des ersten Optionsgeschäfts begründete Kausalitätsvermutung in bezug auf Folgegeschäfte widerlegt ist, wenn der Kunde vor diesen Geschäften gehörig aufgeklärt worden ist. Es ist möglich, daß er die Aufträge für die Folgegeschäfte unter dem Einfluß des Erstgeschäfts erteilt hat, er diese Geschäfte aber nicht abgeschlossen hätte, wenn es das auf Aufklärungsmangeln beruhende Erstgeschäft nicht gegeben hätte.

Die Feststellung des Berufungsgerichts, das sich insoweit auf seine aus zahlreichen Fällen gewonnene Erfahrung gestützt Hat, nach dem ersten – mit Gewinn oder Verlust beendeten – Optionsgeschäft stehe der Kunde warnenden Hinweisen nicht mehr unvoreingenommen gegenüber, ist entgegen der Rüge der Revision nicht lebensfremd. Wartet der Kunde – wie hier – den Ausgang des Erstgeschäfts ab, bevor er weitere Aufträge erteilt, und endet dieses mit einem Gewinn, so liegt ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem auf Aufklärungsmängeln beruhenden Erstgeschäft und den Folgeaufträgen sogar nahe.

 

Unterschriften

Schimansky, Dr. Halstenberg, Dr. Schramm, Nobbe, Dr. van Gelder

 

Fundstellen

Haufe-Index 1392094

BB 1993, 1755

NJW 1993, 2434

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1993, 1152

ZBB 1993, 189

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