Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Entscheidung vom 24.02.2022; Aktenzeichen 15 W 327/22) |
AG Straubing (Entscheidung vom 03.01.2022; Aktenzeichen SR-14094-23) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Beteiligten zu 1 werden der Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg - 15. Zivilsenat - vom 24. Februar 2022 und der Beschluss des Amtsgerichts Straubing - Grundbuchamt - vom 3. Januar 2022 aufgehoben.
Das Amtsgericht Straubing - Grundbuchamt - wird angewiesen, die Löschung des in dem Grundbuch von Straubing - Wohnungsgrundbuch - in Band 399 auf Blatt 14094 in Abteilung II unter der laufenden Nummer 3 eingetragenen Wohnungsrechts nicht aus den in dem Beschluss vom 3. Januar 2022 genannten Gründen abzulehnen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 288.000 €.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Beteiligte zu 2 ist seit 1998 Eigentümer des eingangs genannten Wohnungseigentums. Seit 2017 ist zu seinen Gunsten ein Wohnungsrecht im Grundbuch eingetragen. Am 1. September 2021 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beteiligten zu 2. Der Insolvenzverwalter (Beteiligter zu 1) hat bei dem Amtsgericht - Grundbuchamt - die Löschung des Wohnungsrechts bewilligt und beantragt. Das Grundbuchamt hat den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1 seinen Löschungsantrag weiter.
II.
Rz. 2
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts gehört das Wohnungsrecht mangels Pfändbarkeit nicht zur Insolvenzmasse (§ 36 Abs. 1 InsO). Pfändbar sei ein Wohnungsrecht nur dann, wenn dem Berechtigten die Überlassung der Ausübung des Rechts an Dritte gestattet sei (§ 857 Abs. 3 ZPO, § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB), woran es hier fehle. Der Umstand, dass der Eigentümer selbst Wohnungsberechtigter sei, führe nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung nicht zu einem anderen Ergebnis. Dass die Bestellung eines Eigentümerwohnungsrechts dazu genutzt werden könne, Gläubigern den Zugriff auf den Grundbesitz zu erschweren, werde von der Rechtsprechung akzeptiert.
III.
Rz. 3
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Mit der gegebenen Begründung kann die Löschung des Wohnungsrechts nicht verweigert werden.
Rz. 4
1. Der Beteiligte zu 1 ist als Insolvenzverwalter befugt, die Löschung des Wohnungsrechts gemäß § 19 GBO zu bewilligen, was von Amts wegen zu prüfen ist. Denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse (§ 35 Abs. 1 InsO) gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über. Dem Insolvenzschuldner wird, soweit die Insolvenzmasse betroffen ist, auch die Bewilligungsbefugnis entzogen; sie wird durch den Insolvenzverwalter ausgeübt (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 2. März 2023 - V ZB 64/21, NZI 2023, 413 Rn. 7 f. mwN).
Rz. 5
2. Das Wohnungsrecht des Beteiligten zu 2 ist pfändbar und fällt in die Insolvenzmasse, weil es sich um ein Eigentümerwohnungsrecht handelt.
Rz. 6
a) Allerdings gehören beschränkte persönliche Dienstbarkeiten und damit auch das Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) als Sonderfall der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit grundsätzlich nicht zur Insolvenzmasse (§ 35 Abs. 1 InsO). Voraussetzung dafür wäre nämlich, dass die beschränkte persönliche Dienstbarkeit der Zwangsvollstreckung unterläge (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InsO). Das ist aber grundsätzlich nicht der Fall. Eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit ist gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht übertragbar und deshalb nicht pfändbar (§ 851 Abs. 1, § 857 Abs. 1 ZPO). Etwas anderes gilt gemäß § 857 Abs. 3 ZPO dann, wenn die Überlassung der Ausübung an einen anderen nach § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB gestattet ist (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 2. März 2023 - V ZB 64/21, NZI 2023, 413 Rn. 9 mwN). Daran fehlt es hier.
Rz. 7
b) Der Ausschluss der Pfändbarkeit gilt aber, wie der Senat - allerdings erst nach Erlass der Beschwerdeentscheidung - entschieden hat, bei einem Eigentümerwohnungsrecht nicht. Ein solches Recht, wie es sich der Beteiligte zu 2 an seinem eigenen Wohnungseigentum bestellt hat, ist stets pfändbar (§ 851 Abs. 1, § 857 Abs. 3 ZPO). Sind Grundstückseigentümer und Wohnungsberechtigter personenidentisch, sei es - wie hier - durch eine anfängliche Bestellung des Wohnungsrechts als Eigentümerrecht, sei es durch eine nachträgliche (Wieder-)Vereinigung von Wohnungsrecht und Eigentum in einer Person (§ 889 BGB), muss sich der Wohnungsberechtigte für die Pfändung nämlich so behandeln lassen, als habe er es gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB gestattet, die Ausübung des Wohnungsrechts einem anderen zu überlassen. Aufgrund der Pfändbarkeit fällt das Eigentümerwohnungsrecht bei Insolvenz des wohnungsberechtigten Grundstückseigentümers in die Insolvenzmasse, und der Insolvenzverwalter kann die Löschung des Wohnungsrechts ohne Mitwirkung des Eigentümers bewilligen. Wegen der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die eingehende Begründung in dem Senatsbeschluss vom 2. März 2023 Bezug genommen (V ZB 64/21, NZI 2023, 413 Rn. 10 ff.).
IV.
Rz. 8
1. Im Ergebnis ist das Grundbuchamt unter Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse anzuweisen, die Löschung des Wohnungsrechts des Beteiligten zu 2 nicht aus den in dem Beschluss vom 3. Januar 2022 genannten Gründen abzulehnen (§ 78 Abs. 3 GBO i.V.m. § 74 Abs. 5 und Abs. 6 Satz 2 Hs. 2 FamFG).
Rz. 9
2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts entspricht mangels anderer Anhaltspunkte derjenigen in der angefochtenen Entscheidung (§ 61 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Abs. 1 GNotKG).
Brückner |
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Fundstellen