Entscheidungsstichwort (Thema)
gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern
Tenor
Der Beschluß des Landgerichts Coburg vom 29. Mai 2001, durch den die Revisionen der Angeklagten als unzulässig verworfen wurden, wird aufgehoben.
Gründe
1. Gegen das am 29. Januar 2001 in Anwesenheit der Angeklagten W. und des Angeklagten G. verkündete Urteil haben beide Angeklagte am 2. Februar 2001 Revision eingelegt. Die Angeklagte W. erhob zugleich mit der Revisionseinlegung die allgemeine Sachrüge; der Schriftsatz wurde von Rechtsanwalt K. – dem Sozius des bestellten Verteidigers Ka. – „i.V.” unterzeichnet. Am 6. April 2001 wurde das Urteil beiden Angeklagten – vor der am 9. April 2001 erfolgten Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls – zugestellt. Die Revisionsbegründung des Angeklagten G. wurde am 9. Mai 2001 beim Landgericht angebracht.
2. Mit Beschluß vom 29. Mai 2001 verwarf das Landgericht beide Revisionen als unzulässig (§ 346 Abs. 1 StPO). Die von Rechtsanwalt K. unterzeichneten Revisionserklärungen der Angeklagten W. seien mangels Vertretungsbefugnis unwirksam. Es liege ein Verstoß gegen das Verbot der Mehrfachverteidigung vor (§ 146 StPO), da Rechtsanwalt K. Wahlverteidiger des Mitangeklagten G. sei; dieser habe Rechtsanwalt K. am sechsten Hauptverhandlungstag (27. Dezember 2000) Verteidigervollmacht erteilt. Die Revisionsbegründung des Angeklagten G. sei erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingegangen.
Die Angeklagten haben rechtzeitig auf Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 StPO angetragen (§ 300 StPO).
3. Der Beschluß des Landgerichts unterliegt durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Die Revisionserklärungen der Angeklagten W. sind rechtswirksam. Der Mitangeklagte G. hatte Rechtsanwalt K. ersichtlich nur für die Dauer der Erkrankung seines bestellten Verteidigers, Rechtsanwalt B., zum Verteidiger in der Hauptverhandlung gewählt. Ab dem neunten Hauptverhandlungstag hatte der bestellte Verteidiger wieder die Verteidigung geführt. Damit liegt ein Fall der seit der Gesetzesänderung durch das StVÄG 1987 nicht mehr verbotenen (vgl. BGH NStZ 1994, 500) sukzessiven Mehrfachverteidigung vor. Davon abgesehen hat das Landgericht die in § 146a Abs. 2 StPO getroffene Regelung übersehen. Auch der Umstand, daß die Revisionserklärungen nicht vom bestellten Verteidiger unterzeichnet wurden, macht diese nicht unwirksam, da davon auszugehen ist, daß Rechtsanwalt K. als dessen allgemeiner Vertreter (§ 53 Abs. 2 Satz 1 BRAO) tätig wurde (BGH NStZ 1992, 248). Schließlich war der Verwerfungsgrund fehlender Vertretungsbefugnis von der Verwerfungskompetenz des Tatgerichts nach § 346 Abs. 1 StPO nicht umfaßt (vgl. BGHSt 42, 365, 367; BGHR StPO § 346 Abs. 1 Form 1; BGH, Beschluß vom 8. November 2000 – 2 StR 426/00).
b) Der Angeklagte G. hat die Revisionsbegründungsfrist nicht versäumt. Die Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe war unwirksam, da das Hauptverhandlungsprotokoll erst danach fertiggestellt wurde (§ 273 Abs. 4 StPO; vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 1995 – 1 StR 140/95 und vom 25. Juni 1998 – 1 StR 95/98).
c) Da bisher keine wirksame Urteilszustellung erfolgt ist, wurde die Frist zur Begründung der Revision für keinen der beiden Angeklagten in Lauf gesetzt.
Unterschriften
Schäfer, Nack, Wahl, Schluckebier, Schaal
Fundstellen
Haufe-Index 707260 |
wistra 2001, 470 |
NStZ-RR 2002, 12 |