Verfahrensgang
AGH Koblenz (Entscheidung vom 12.07.2018; Aktenzeichen 1 AGH 25/17) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 12. Juli 2018 zugestellte Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs Rheinland-Pfalz wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Der am 14. September 1976 geborene Kläger ist seit dem 30. November 2004 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 20. Oktober 2017 widerrief die Beklagte die Zulassung wegen Vermögensverfalls. Die Klage des Klägers gegen diesen Bescheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 2
Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.
Rz. 3
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BGH, Beschluss vom 29. Mai 2018 – AnwZ (Brfg) 71/17 Rn. 3). Daran fehlt es hier. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats.
Rz. 4
a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind Schuldtitel und Vollstreckungsmaßnahmen, die sich gegen den Rechtsanwalt richten. Gibt es Beweisanzeichen wie offene Forderungen, Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, welche den Schluss auf den Eintritt des Vermögensverfalls zulassen, kann der betroffene Rechtsanwalt diesen Schluss nur dadurch entkräften, dass er umfassend darlegt, welche Forderungen im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides gegen ihn bestanden und wie er sie – bezogen auf diesen Zeitpunkt – zurückführen oder anderweitig regulieren wollte (BGH, Beschluss vom 29. Mai 2018 – AnwZ (Brfg) 71/17 Rn. 4 mwN). Von diesen Grundsätzen ist der Anwaltsgerichtshof ausgegangen.
Rz. 5
Der Kläger wiederholt seinen bereits in erster Instanz gehaltenen Vortrag, die Steuerrückstände beruhten auf Schätzungen, die „in Klärung” gewesen seien. Die tatsächlich geschuldeten Steuern seien im Folgenden gezahlt worden. Hinsichtlich der rückständigen Beiträge zum Versorgungswerk sei eine Stundungsvereinbarung beabsichtigt gewesen. Am 10. September 2018 sei insoweit eine Lösung gefunden worden, wobei Einzelheiten noch geklärt werden müssten.
Rz. 6
Dieses Vorbringen ist unerheblich. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs ist nach ständiger Senatsrechtsprechung allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen. Die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 – AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.; vom 21. Februar 2018 – AnwZ (Brfg) 72/17, NZI 2018, 422 Rn. 7). Eine etwaige Einigung mit dem Versorgungswerk im September 2018 schließt einen Vermögensverfall am 20. Oktober 2017 ebenso wenig aus wie die behauptete Zahlung der rückständigen Umsatz- und Einkommensteuer für das Veranlagungsjahr 2015 am 21. November 2017. Darauf, dass es allein auf den Zeitpunkt der Widerrufsverfügung ankommt und dass der Vortrag des Klägers insoweit nicht ausreicht, hat der Vorsitzende des Anwaltsgerichtshofs bereits mit Verfügung vom 28. November 2017 hingewiesen. Auch in der Begründung des Zulassungsantrags trägt der Kläger nicht umfassend zu seinen Vermögensverhältnissen am 20. Oktober 2017 vor.
Rz. 7
b) Eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ist ebenfalls nicht ausgeschlossen. Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt jedoch zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 3. Juli 2018 – AnwZ (Brfg) 26/18 Rn. 8 mwN).
Rz. 8
Der Kläger verweist auf seinen schon in erster Instanz gehaltenen Vortrag, er sei freier Mitarbeiter einer Sozietät gewesen und habe keinen Zugriff auf deren Gelder gehabt. Der Anwaltsgerichtshof hat diesen Vortrag für unerheblich gehalten, weil der Kläger eine schon im Verwaltungsverfahren verlangte Bestätigung der Sozietät nicht beigebracht hat. Auch in der Begründung des Zulassungsantrags hat der Kläger weder näher zu den im Zeitpunkt des Widerrufsbescheides zwischen ihm und der Anwaltssozietät bestehenden Absprachen vorgetragen noch seinen Vortrag in geeigneter Weise belegt.
Rz. 9
2. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor. Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 – AnwZ (Brfg) 53/16, juris Rn. 21 mwN). Die Voraussetzungen, unter denen ein Vermögensverfall im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO angenommen werden kann, sind in der Senatsrechtsprechung ebenso geklärt wie diejenigen, unter denen trotz des Vermögensverfalls des Rechtsanwalts mangels einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden von einem Widerruf der Zulassung abgesehen werden kann.
Rz. 10
3. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist die Rechtssache nicht auf (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die Rechtssache wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zu Grunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den üblichen verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen deutlich abhebt (BGH, Beschluss vom 17. März 2016 – AnwZ (Brfg) 6/16, juris Rn. 5 mwN). Das ist hier nicht der Fall.
III.
Rz. 11
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Unterschriften
Kayser, Lohmann, Seiters, Braeuer, Kau
Fundstellen
Dokument-Index HI12556986 |