Verfahrensgang
AGH Celle (Urteil vom 06.09.2021; Aktenzeichen AGH 2/21 (II 2/23.3)) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 2. Senats des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs vom 6. September 2021 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Der 1965 geborene Kläger ist seit 1995 als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Bescheid vom 18. Februar 2021 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Rz. 2
Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
Rz. 3
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BGH, Beschlüsse vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 3 mwN; vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 3). Daran fehlt es hier. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats.
Rz. 4
a) Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der Rechtsprechung des Senats allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. nur Beschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.; vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 77/13, juris Rn. 3; vom 20. Mai 2015 - AnwZ (Brfg) 7/15, juris Rn. 5).
Rz. 5
Die Begründung des Zulassungsantrags gibt keine Veranlassung zu einer Überprüfung der ständigen Rechtsprechung des Senats. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist ein Hinausschieben des Zeitpunkts der Beurteilung eines Widerspruchsbescheids nicht geboten. Dass der Rechtsanwalt bei nachträglichen Entwicklungen auf ein Wiederzulassungsverfahren verwiesen wird, führt nicht zu unverhältnismäßigen Ergebnissen und verstößt auch nicht gegen die nach Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Freiheit der Berufswahl. Die beruflichen Nachteile, die einem Rechtsanwalt durch den Verweis auf ein erneutes Zulassungsverfahren entstehen, sind vergleichsweise gering, denn der Rechtsanwalt hat bei nachträglichem Wegfall des Widerrufsgrundes einen Anspruch auf sofortige Wiederzulassung und kann jederzeit einen entsprechenden Antrag stellen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 2017 - AnwZ (Brfg) 42/17, juris Rn. 5 mwN).
Rz. 6
b) Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom 18. Februar 2021 hat sich der Kläger in Vermögensverfall befunden. Zu diesem Zeitpunkt war über sein Vermögen mit Beschluss des Amtsgerichts O. vom 23. Dezember 2020 (Az.: ) das Insolvenzverfahren eröffnet worden und dauerte an. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO wird deshalb ein Vermögensverfall gesetzlich vermutet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Juni 2015 - AnwZ (Brfg) 11/15, juris Rn. 4; vom 20. November 2017 - AnwZ (Brfg) 41/17, juris Rn. 10; vom 21. Februar 2018 - AnwZ (Brfg) 72/17, NZI 2018, 422 Rn. 11; vom 5. Februar 2019 - AnwZ (Brfg) 50/18, juris Rn. 10; vom 30. Mai 2022 - AnwZ (Brfg) 43/21, juris Rn. 7). Zu Recht hat der Anwaltsgerichtshof in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die Vermutungswirkung erst dann entfällt, wenn entweder ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 InsO) oder angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO) vorliegt oder dem Schuldner durch Beschluss des Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt worden ist. Nach den Urteilsfeststellungen ist bislang keine dieser Voraussetzungen eingetreten. Soweit es die Ankündigung der Restschuldbefreiung betrifft, hat der Senat (BGH, Beschlüsse vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 53/16, NJW 2017, 1181 Rn. 6 ff.; vom 20. November 2017 - AnwZ (Brfg) 46/17, juris Rn. 9 jeweils mwN; vgl. auch Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 14 Rn. 30) bereits klargestellt, dass hierzu - anders als noch nach § 291 InsO aF - eine in die Zukunft gerichtete Ankündigung im Sinne des § 287a InsO jedenfalls nicht ausreichend ist.
Rz. 7
c) Mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts ist nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Die Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 53/16, NJW 2017, 1181 Rn. 15 f. mwN). Auch wenn die Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO, nach der der Vermögensverfall die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden indiziert, nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen des Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft (BGH, Beschlüsse vom 12. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 65/18, juris Rn. 7; vom 30. Dezember 2021 - AnwZ (Brfg) 27/21, juris Rn. 15). Will er weiterhin als Rechtsanwalt tätig werden, ist es daher von besonderer Bedeutung, dass er rechtlich abgesicherte Maßnahmen trifft, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Hierzu gehört eine wirksame Kontrolle. Denn Maßnahmen, die zwar inhaltlich zum Schutz der Mandanteninteressen geeignet sind, deren Einhaltung aber nicht wirksam kontrolliert werden oder die jederzeit - unkontrolliert - beendet werden können, sind zum Ausschluss der Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht tauglich.
Rz. 8
Nach diesen Maßstäben ist eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden gegeben. Die Angabe des nach wie vor als Einzelanwalt tätigen Klägers, keinerlei Fremdgelder mehr entgegenzunehmen, kann nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen. Es fehlt insoweit an überprüfbaren organisatorischen Maßnahmen zur effektiven Verhinderung einer Mandantengefährdung.
Rz. 9
2. Der Zulassungsgrund besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) erfordert nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 12. März 2018 - AnwZ (Brfg) 15/17, NJW-RR 2018, 827 Rn. 14), dass die Rechtssache wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zugrundeliegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von üblichen verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen deutlich abhebt. Um eine solche Rechtssache handelt es sich vorliegend jedoch nicht. Insbesondere ist die weitere Begründung des Klägers nicht stichhaltig, es seien besondere Erschwernisse, die sich aus einer strafrechtlichen Verurteilung seiner Person vom 10. Oktober 2016 und den Auswirkungen der Corona-Pandemie ergäben, nicht genügend berücksichtigt worden. Insoweit handelt es sich ersichtlich nicht um tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des Zulassungsgrundes nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.
Rz. 10
3. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wirft der Fall ebenfalls nicht auf (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 53/16, NJW 2017, 1181 Rn. 21 mwN). Diese Voraussetzungen sind vom Beschwerdeführer darzulegen. Insbesondere muss begründet werden, warum ein korrigierendes Eingreifen des Bundesgerichtshofs erforderlich ist (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 39/16 Rn. 9 mwN; st. Rspr.). Diesen Anforderungen genügt die Begründung des Zulassungsantrags nicht; insbesondere sind die Voraussetzungen für die Annahme eines Vermögensverfalls und die diesbezüglich erforderlichen Beweisanzeichen in der Rechtsprechung des Senats hinreichend geklärt (vgl. oben II. 1.).
Rz. 11
4. Schließlich ist - entgegen dem pauschalen Vorbringen des Klägers - auch eine Abweichung der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs von der höchstrichterlichen Rechtsprechung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) nicht ersichtlich.
III.
Rz. 12
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Grupp |
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Paul |
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Schäfer |
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Fundstellen
Dokument-Index HI15366751 |