Tenor
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 1. Senats für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 17. Februar 2000 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Beschwerdewert: bis 1.500 DM.
Gründe
I.
Durch das am 23. September 1999 zugestellte Urteil des Familiengerichts ist die Abänderungsklage des Klägers teilweise abgewiesen worden. Mit Schriftsatz seiner erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, Rechtsanwältin S., vom 20. Oktober 1999, beim Oberlandesgericht eingegangen am 21. Oktober 1999, hat er die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die Durchführung einer Berufung unter Beiordnung von Rechtsanwalt D. beantragt. Dem Antrag war zur Begründung der Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ein von Rechtsanwältin S. gefertigter Entwurf einer Berufungsschrift mit Begründung beigefügt. Das Oberlandesgericht hat dem Kläger durch Beschluß vom 3. Januar 2000 Prozeßkostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt D. beigeordnet. Gleichzeitig hat es Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 9. März 2000 anberaumt. Der Beschluß vom 3. Januar 2000 und die Terminsladung sind Rechtsanwalt D. am 12. Januar 2000 zugestellt worden. Am 17. Januar 2000 hat sich Rechtsanwalt D. bei dem Oberlandesgericht als Prozeßbevollmächtigter des Klägers bestellt. Mit Schriftsätzen vom 3. Februar 2000, die am selben Tag beim Oberlandesgericht eingegangen sind, hat der Kläger durch Rechtsanwalt D. Berufung gegen das Urteil des Familiengerichts eingelegt, diese zugleich begründet und Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist sowie der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO beantragt.
Zur Begründung der Wiedereinsetzungsanträge hat der Kläger im wesentlichen ausgeführt: Bei der Bearbeitung der Posteingänge am 12. Januar 2000, die Rechtsanwalt D., in dessen Büro alle Termine und Fristabläufe anwaltlich angewiesen würden, zusammen mit der Angestellten N. vorgenommen habe, sei in der vorliegenden Sache als Frist zur Wiedervorlage der 17. Januar 2000 verfügt und als Vorausverfügung angeordnet worden, Rechtsanwältin S. von dem Prozeßkostenhilfebeschluß Kenntnis zu geben. Im Zusammenhang mit der Erledigung sei vermutlich von einem Wiedereinsetzungsantrag gesprochen worden. Als die Akte am 17. Januar 2000 wieder in Bearbeitung genommen worden sei, um insbesondere das Schreiben an Rechtsanwältin S. zu fertigen, habe Frau N. geprüft, ob sie noch weiteres ohne anwaltliche Anweisung erledigen könne. Bei dieser Prüfung sei sie irrtümlich zu dem Ergebnis gelangt, daß ein Wiedereinsetzungsantrag nicht erforderlich sei, weil sich in der Akte bereits die vorformulierte Berufungsbegründung befunden habe und Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt worden sei. In ihrer unrichtigen Auffassung sei sie anläßlich eines Anrufs bei der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts bestätigt worden; die dortige Mitarbeiterin habe lediglich die Bestellung von Rechtsanwalt D. als Prozeßbevollmächtigter für erforderlich gehalten. Deshalb habe Frau N. noch den betreffenden Schriftsatz vom 17. Januar 2000 angefertigt und die verfügte Frist damit als erledigt angesehen. Die Akte sei nach der Einholung der Unterschrift des Rechtsanwalts D. nicht in der Vorlage belassen, sondern – entsprechend einer generellen Weisung, nach der Akten in jedem Fall nach ca. drei Wochen wieder vorzulegen seien – mit einer Wiedervorlagefrist bis zum 9. Februar 2000 in die Ablage gebracht worden.
Das Oberlandesgericht hat die Wiedereinsetzungsanträge zurückgewiesen, weil Rechtsanwalt D., der es am 12. Januar 2000 unterlassen habe, durch eine eindeutige Anweisung die rechtzeitige Wiedervorlage der Akten zur Fertigung des Wiedereinsetzungsantrags sicherzustellen, ein Verschulden an der Fristversäumnis treffe; die Berufung hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers. Er vertritt in erster Linie die Auffassung, mangels Zustellung des Prozeßkostenhilfebeschlusses an Rechtsanwältin S. sei die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO nicht in Gang gesetzt worden; die Mitteilung an den durch die Beiordnung noch nicht bevollmächtigten Rechtsanwalt D. habe hierfür nicht genügt.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Oberlandesgericht hat zu Recht angenommen, daß der Kläger sowohl die Berufungsfrist (§ 516 ZPO) als auch die zweiwöchige Frist für die Anbringung des Wiedereinsetzungsgesuchs (§ 234 Abs. 1 ZPO) versäumt hat. Die letztere Frist begann mit dem Tag, an dem das der Berufungseinlegung entgegenstehende Hindernis behoben war (§ 234 Abs. 2 ZPO). Das Hindernis lag in der Mittellosigkeit des Klägers. Es entfiel mit der Bekanntgabe des Beschlusses über die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe an den Kläger oder seinen Prozeßbevollmächtigten (BGH, Beschluß vom 31. Januar 1978 – VI ZB 7/77 – NJW 1978, 1920 m.N.), nicht dagegen mit der Bekanntgabe an den im Rahmen der Prozeßkostenhilfebewilligung nach § 121 Abs. 1 ZPO beigeordneten Anwalt, wenn dieser noch nicht zum Prozeßbevollmächtigten bestellt war (BGHZ 30, 226, 228 f.).
Wann Rechtsanwalt D. von dem Kläger bzw. seiner gesetzlichen Vertreterin Prozeßvollmacht erhalten hat, ist nicht vorgetragen worden. Das Berufungsgericht ist ersichtlich davon ausgegangen, daß der Anwalt bei der Zustellung des Beschlusses vom 3. Januar 2000 bereits Prozeßbevollmächtigter des Klägers war. In diesem Fall hätte die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO mit dem Ablauf des 12. Januar 2000 begonnen und am 26. Januar 2000 geendet.
Wenn Rechtsanwalt D., wie die sofortige Beschwerde geltend macht, am 12. Januar 2000 noch nicht zum Prozeßbevollmächtigten bestellt war, wäre die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist indessen ebenfalls nicht gewahrt worden. Mangels entgegenstehender Angaben müßte dann davon ausgegangen werden, daß Rechtsanwalt D. jedenfalls am 17. Januar 2000, als er sich beim Oberlandesgericht als Prozeßbevollmächtigter des Klägers bestellt hat, Prozeßvollmacht erteilt worden war. Deshalb wäre dem Kläger spätestens an diesem Tag der Beschluß über die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zu Händen seines zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten zugegangen. Da letzterer bereits am 12. Januar 2000 in den Besitz des Beschlusses gelangt war, wäre der Mangel des Zugangs vom Zeitpunkt der Bevollmächtigung an als behoben anzusehen, da Rechtsanwalt D. den betreffenden Beschluß auch weiterhin in Besitz hatte. Die dann am 17. Januar 2000 in Gang gesetzte Frist hätte mithin am 31. Januar 2000 geendet und wäre durch den am 3. Februar 2000 eingegangenen Wiedereinsetzungsantrag nicht gewahrt worden. Ob in der Benennung von Rechtsanwalt D. im Prozeßkostenhilfegesuch mit der Bitte um dessen Beiordnung bereits eine schlüssige Vollmachtserteilung zu sehen ist (so Zöller/Vollkommer ZPO 21. Aufl. § 80 Rdn. 5; Musielak/Weth ZPO 2. Aufl. § 80 Rdn. 9), bedarf deshalb keiner Entscheidung.
2. Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist könnte nur gewährt werden, wenn vorgetragen und glaubhaft gemacht worden wäre, daß der Kläger ohne eigenes oder ihm zurechenbares Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten (§§ 233, 85 Abs. 2 ZPO).
a) Das hat das Berufungsgericht – für den Fall, daß Rechtsanwalt D. am 12. Januar 2000 bereits Prozeßbevollmächtigter des Klägers war – zu Recht verneint. Rechtsanwalt D. hätte es dann oblegen, bei Zustellung des Beschlusses vom 3. Januar 2000 eine Fristenprüfung vorzunehmen, weil die Möglichkeit bestand, daß die Berufung – wegen der Mittellosigkeit des Klägers – entweder noch nicht eingelegt oder noch nicht begründet worden war und sich die Notwendigkeit ergeben konnte, einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Deshalb war er zu besonderer organisatorischer und persönlicher anwaltlicher Sorgfalt verpflichtet (Senatsbeschluß vom 2. Juni 1999 – XII ZB 63/99 – FamRZ 1999, 1498, 1499). Diese besondere Sorgfaltspflicht hätte es erfordert, eigenverantwortlich zu prüfen, ob noch eine Frist zu wahren war, und gegebenenfalls sicherzustellen, daß deren Ende – mit Vorfrist – in dem Fristenkalender und den Handakten eingetragen wurde (Senatsbeschluß vom 3. Juli 1991 – XII ZB 39/91 – FamRZ 1992, 168, 169).
An den danach gebotenen Maßnahmen hat Rechtsanwalt D. es fehlen lassen, als er lediglich eine Wiedervorlagefrist zum 17. Januar 2000 verfügte. Diese Verfahrensweise birgt erhebliche Gefahren für die Behandlung von Fristsachen, denn sie läßt die Möglichkeit offen, daß eine Akte – wie der vorliegende Fall zeigt – im weiteren Verlauf nicht mehr als Fristsache erkannt wird. Da der Ablauf der Frist nicht in dem Fristenkalender eingetragen ist, fehlt es an der unumgänglich notwendigen Möglichkeit der Fristenkontrolle, anhand deren aufgetretene Versäumnisse bemerkt und rechtzeitig behoben werden könnten (Senatsbeschluß vom 3. Juli 1991 aaO).
b) Aber auch dann, wenn Rechtsanwalt D. am 12. Januar 2000 noch nicht Prozeßbevollmächtigter des Klägers war und letzterem das vorgenannte schuldhafte Verhalten des Anwalts deshalb nicht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist, scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Rechtsanwalt D. hat nämlich auch am 17. Januar 2000, als er jedenfalls zum Prozeßbevollmächtigten des Klägers bestellt war, der anwaltlichen Sorgfaltspflicht zuwider gehandelt. Da er – im Fall der Beauftragung nach dem 12. Januar 2000 – am 17. Januar 2000 ein neues Mandat übernommen hätte, mithin erstmals als Prozeßbevollmächtigter mit dem Rechtsstreit in Berührung gekommen wäre, hätte es zu den originären anwaltlichen Pflichten gehört, die Handakten unverzüglich selbst auf laufende Fristen zu überprüfen, um gegebenenfalls sofort reagieren zu können (BGH, Urteil vom 10. November 1998 – VI ZR 243/97 – NJW 1999, 1187, 1192; Müller NJW 2000, 322, 323; MünchKomm/Feiber ZPO § 233 Rdn. 62; Stein/Jonas/Roth ZPO 21. Aufl. § 233 Rdn. 68 – S. 1316 –). Das gilt unabhängig davon, ob ihm bei der Vorlage des Bestellungsschriftsatzes vom 17. Januar 2000 zur Unterzeichnung auch die Handakten vorlagen (BGH, Beschluß vom 19. Februar 1991 – VI ZB 2/91 – BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 16). Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, hätte er sich diese vorlegen lassen und prüfen müssen, ob eine Frist lief. Bejahendenfalls hätte er kontrollieren müssen, ob die Eintragung der Frist im Fristenkalender in den Handakten vermerkt war (BGH, Beschluß vom 14. Oktober 1987 – VIII ZB 16/87 – VersR 1988, 414). Zu einer anderen Handhabung durfte Rechtsanwalt D. auch der Umstand, daß ihm am 12. Januar 2000 bereits der Prozeßkostenhilfebeschluß zugestellt worden war, nicht veranlassen. Denn auf eine früher erfolgte Fristenprüfung durfte er angesichts des Umstandes, daß es in seinem Büro ersichtlich nicht unüblich ist, zunächst nur vorläufige Fristen einzutragen, nicht vertrauen. Hätte Rechtsanwalt D. am 17. Januar 2000 die Handakten überprüft, so hätte ihm – trotz der bereits erfolgten Terminierung – der Lauf der Wiedereinsetzungsfrist sowie der Umstand auffallen müssen, daß diese nicht im Fristenkalender eingetragen war. Er hätte alsdann für den rechtzeitigen Eingang des Wiedereinsetzungsantrags bei Gericht Sorge tragen können.
c) Die dargelegten Sorgfaltspflichtverletzungen stehen der Gewährung von Wiedereinsetzung entgegen, so daß es insoweit nicht darauf ankommt, ob Rechtsanwalt D. bereits am 12. Januar 2000 oder erst in der Zeit bis zum 17. Januar 2000 vom Kläger bevollmächtigt worden ist. Das jeweilige Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten muß der Kläger sich jedenfalls zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO).
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Sprick, Weber-Monecke, Wagenitz
Fundstellen
Haufe-Index 505666 |
FamRZ 2001, 1143 |
FuR 2001, 503 |
SGb 2001, 755 |