Verfahrensgang
LG Hildesheim (Urteil vom 23.11.2004) |
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 23. November 2004 wirksam zurückgenommen worden ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten u. a. wegen Diebstahls und Hehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nachdem der bestellte Verteidiger (Rechtsanwalt W.) hiergegen fristgerecht Revision eingelegt hatte, hat der vom Angeklagten neu gewählte Verteidiger Rechtsanwalt K. am 6. Dezember 2004 die Revision zurückgenommen. Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2005 hat ein weiterer Verteidiger des Angeklagten (Rechtsanwalt G.) die Revision mit der allgemeinen Sachrüge begründet und vorgetragen, die Revisionsrücknahme sei mangels einer Ermächtigung durch den Angeklagten unwirksam gewesen; die Ermächtigung sei Rechtsanwalt K. nur für den Fall erteilt worden, dass der Angeklagte zum Strafantritt in eine Justizvollzugsanstalt des offenen Vollzuges geladen werde. Zur Unwirksamkeit der Rücknahme hat nach Mandatsbeendigung der anderen Verteidiger inzwischen ein weiterer Verteidiger (Rechtsanwalt D.) ergänzende Ausführungen gemacht.
Rz. 2
Damit ist eine klärende Feststellung der Wirksamkeit der Rücknahme der Revision durch förmliche Entscheidung des Rechtsmittelgerichts angezeigt (vgl. BGH NStZ 2001, 104; BGH, Beschl. vom 27. April 2001 – 3 StR 502/99). Dies führt hier zu der deklaratorischen Feststellung des Senats, dass die Revision des Angeklagten durch den Schriftsatz vom 6. Dezember 2004 wirksam zurückgenommen wurde.
Rz. 3
Rechtsanwalt K. hat in diesem Schriftsatz erklärt, er nehme für den Angeklagten dessen Revision zurück. Diese Erklärung war eindeutig und nicht an eine Bedingung geknüpft. Der Verteidiger hat dabei ergänzend ausgeführt, der Angeklagte habe das Urteil „vollumfänglich” angenommen und bäte lediglich darum, „zu prüfen, ob – ggf. bereits im Rahmen der Urteilsabfassung – eine positive Bewertung seiner guten Situierung” (gemeint: der geschilderten beruflichen Entwicklung des Angeklagten) vorgenommen werden könne, indem u. a. „eine Einweisung in die ortsnahe JVA Hannover erfolgt”.
Rz. 4
Die Rücknahme war auch nicht etwa deshalb unwirksam, weil das Gericht mit unlauteren Mitteln auf sie hingewirkt hätte (vgl. Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 302 Rdn. 10). Vor der Rücknahme der Revision hatte der Verteidiger den Strafkammervorsitzenden angerufen und auf das Interesse des Angeklagten hingewiesen, durch die Strafvollstreckung nicht an der Fortführung seines Betriebes gehindert, deshalb zum Strafantritt unmittelbar in eine Anstalt des offenen Vollzuges geladen und zum Verlassen der Anstalt ermächtigt zu werden. Hierfür hatte der Strafkammervorsitzende ein gewisses Verständnis geäußert und gemeint, die Kammer könne insoweit wohlwollende Formulierungen in das Urteil schreiben. Er hat dabei nicht zugesichert, der Angeklagte werde nach Rücknahme seiner Revision unmittelbar in den offenen Vollzug geladen. Dies ergibt sich aus seiner dienstlichen Erklärung. Nachdem die erkennende Strafkammer sowohl für die vollstreckungsrechtliche Frage, wo der Angeklagte seine Strafe anzutreten hatte, als auch für die vollzugsrechtliche Frage, welche Lockerungen (§ 11 StVollzG) dem Angeklagten gewährt werden können, keinerlei Entscheidungskompetenz hatte, ist es auch nicht vorstellbar, dass der erfahrene Strafkammervorsitzende einem Rechtsanwalt gegenüber eine solche für sich in Anspruch genommen hat.
Rz. 5
Rechtsanwalt K. war zur Abgabe der Rücknahmeerklärung vom Angeklagten ermächtigt im Sinne des § 302 Abs. 2 StPO. Dies ergibt sich aus der von dem Angeklagten unter dem 2. Dezember 2004 unterzeichneten Vollmachtsurkunde (Band IV Blatt 214 SA). Darin wurde Rechtsanwalt K. „in Sachen R. / Strafvollstreckung wegen Rücknahme d. Revision gegen Urteil des LG Hildesheim vom 23.11.04” Prozessvollmacht erteilt, die sich gemäß Ziffer 6 insbesondere auf die Befugnis zu „Rücknahmen von Rechtsmitteln” erstreckte. Die Urkunde enthielt damit nicht nur die Ermächtigung zur Rücknahme eines Rechtsmittels, sie war sogar ausdrücklich zum Zweck der Rücknahme der Revision errichtet worden.
Rz. 6
Die Ermächtigung war auch nicht – wie der Angeklagte nunmehr vorträgt – in der Weise beschränkt, dass der Verteidiger nur unter einer bestimmten Bedingung von ihr Gebrauch machen durfte. Das ergibt sich für den Senat nicht nur aus der Formulierung der Vollmachtsurkunde, sondern auch aus dem Inhalt des Schriftsatzes, mit dem die Rücknahme erklärt wurde. Dafür spricht zudem ein weiterer Umstand: Der Wunsch des Angeklagten, durch die Verbüßung einer Freiheitsstrafe nicht an der weiteren Führung seines Betriebes gehindert zu sein, war bereits Gegenstand von Erörterungen über eine verfahrensbeendende Absprache während der Hauptverhandlung. Der Angeklagte ist – wie sich aus der dienstlichen Erklärung des Strafkammervorsitzenden ergibt – schon damals ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Strafkammer keinesfalls eine Zusage zu vollstreckungsrechtlichen Entscheidungen machen könne.
Unterschriften
Tolksdorf, Winkler, Pfister, von Lienen, Hubert
Fundstellen
Haufe-Index 2555141 |
wistra 2006, 192 |
NStZ-RR 2006, 146 |