Leitsatz (amtlich)
Keine greifbare Gesetzwidrigkeit, wenn ein Gericht die örtliche Zuständigkeit und ein daraufhin angerufenes Gericht die deutsche internationale Zuständigkeit verneint.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG |
Tenor
Die außerordentliche Beschwerde der Antragstellerin gegen die Beschlüsse des 2. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 10. März 2000 und 31. März 2000 wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt im Rahmen eines Prozeßkostenhilfeverfahrens eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO.
Die Antragstellerin macht gegen die in L. ansässige Antragsgegnerin Ansprüche wegen unzureichender Beratung bei der Vornahme von Anlagegeschäften geltend. Ihr Gesuch auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für eine entsprechende Klage hat das Landgericht Lübeck mit Beschluß vom 17. September 1996 mit der Begründung zurückgewiesen, es fehle an der internationalen Zuständigkeit. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist erfolglos geblieben. Der im Beschwerdeverfahren ergangene Beschluß des Oberlandesgerichts Schleswig vom 29. Januar 1997 (5 W 47/96) ist veröffentlicht in WM 1997, 991.
Ein danach beim Landgericht Berlin eingereichtes Prozeßkostenhilfegesuch ist ebenfalls erfolglos geblieben. Das Landgericht Berlin (Beschl. v. 7.4.1999 – 19 O 495/98) und das Kammergericht (Beschl. v. 13.1.2000 – 19 W 5398/99) haben die Auffassung vertreten, das Landgericht Berlin sei jedenfalls nicht örtlich zuständig.
Die Antragstellerin hat daraufhin beim Oberlandesgericht Schleswig beantragt, gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO das zuständige Gericht zu bestimmen. Das Oberlandesgericht Schleswig hat diesen Antrag mit Beschluß vom 10. März 2000 (veröffentlicht in JZ 2000, 793 m. Anm. Mankowski) abgelehnt mit der Begründung, es fehle an einem Kompetenzkonflikt über die örtliche, sachliche oder funktionelle Zuständigkeit. Eine hiergegen erhobene Gegenvorstellung der Antragstellerin hat das Oberlandesgericht mit Beschluß vom 31. März 2000 zurückgewiesen.
Gegen die beiden zuletzt genannten Beschlüsse wendet sich die Antragstellerin mit der außerordentlichen Beschwerde. Die Antragsgegnerin tritt dem Rechtsbehelf entgegen.
II. Die außerordentliche Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen.
1. § 567 Abs. 4 ZPO schließt die Beschwerde gegen Entscheidungen der Oberlandesgerichte – von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen – aus. Dies gilt, wie auch die Beschwerdeführerin nicht verkennt, auch für Beschlüsse im Verfahren nach § 36 ZPO. Eine umfassende Prüfung der von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit Art. 13 und 14 EuGVÜ ist dem Senat in der gegenwärtigen Verfahrenslage schon deshalb verwehrt.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt das im Gesetz nicht vorgesehene Rechtsmittel der außerordentlichen Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit nur in Betracht, wenn die angegriffene Entscheidung mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist, weil sie jeder rechtlichen Grundlage entbehrt und dem Gesetz inhaltlich fremd ist (BGHZ 131, 185, 188). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
Das Oberlandesgericht hat eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO abgelehnt, weil die Vorschrift nach seiner Auffassung nur anwendbar ist, wenn mehrere Gerichte über ihre örtliche, sachliche oder funktionelle Zuständigkeit unterschiedlicher Meinung sind, und ein solcher Kompetenzkonflikt im Streitfall nicht vorliege. Eine Entscheidung dieses Inhalts ist dem Gesetz nicht fremd. Schon deshalb ist eine dagegen eingelegte außerordentliche Beschwerde nicht statthaft.
Ob das Oberlandesgericht das Vorliegen der Voraussetzungen von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO der Sache nach zu Recht verneint hat, wäre im vorliegenden Zusammenhang allenfalls dann von Bedeutung, wenn die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts in eklatantem Widerspruch zu Wortlaut und Zweck der genannten Vorschrift stünde und eine Gesetzesanwendung zur Folge hätte, die der Gesetzgeber ersichtlich ausschließen wollte (vgl. BGHZ 119, 372, 374). Davon kann hier nicht ausgegangen werden.
Die angefochtenen Entscheidungen beruhen, wie das Oberlandesgericht im Beschluß vom 31. März 2000 klargestellt hat, auf der Erwägung, daß es schon an einem Kompetenzkonflikt zwischen den zuvor befaßten Gerichten fehlt, weil sich das Landgericht Lübeck und das Oberlandesgericht Schleswig nur mit der internationalen Zuständigkeit, das Landgericht Berlin und das Kammergericht nur mit der örtlichen Zuständigkeit befaßt haben. Die diesen Erwägungen zugrundeliegende Rechtsauffassung, daß eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nur in Betracht kommt, wenn die zuvor mit der Sache befaßten Gerichte einander widersprechende Entscheidungen zur örtlichen, sachlichen oder funktionellen Zuständigkeit getroffen haben, steht mit Sinn und Zweck der Vorschrift jedenfalls nicht in eklatantem Widerspruch. Die weitergehenden Fragen, ob die Vorschrift auch dann (entsprechend) anwendbar ist, wenn einander widersprechende Entscheidungen zur internationalen Zuständigkeit ergangen sind und ob und nach welchen Kriterien ein Gerichtsstand zu bestimmen ist, wenn die deutschen Gerichte zwar international zuständig sind, es nach nationalem Recht jedoch an einem Gerichtsstand fehlt, bedürfen vorliegend deshalb keiner Entscheidung.
Die Antragstellerin meint, die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts führe dazu, daß ihr in nicht mehr zumutbarer Art und Weise der Zugang zu den deutschen Gerichten über das Prozeßkostenhilfeverfahren erschwert werde. Daraus läßt sich eine greifbare Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Beschlüsse indes schon deshalb nicht herleiten, weil die Versagung des Zugangs zu den deutschen Gerichten auf der – von der Antragstellerin als unzutreffend angesehenen – Auslegung der Art. 13 und 14 EuGVÜ im Prozeßkostenhilfeverfahren vor dem Landgericht Lübeck beruht. Selbst wenn hieraus für die Antragstellerin unzumutbare Nachteile resultieren würden – was weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist -, führte dies nicht zwingend zur Anwendbarkeit des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Die in den angefochtenen Beschlüssen vertretene Auffassung, daß das Verfahren nach dieser Vorschrift nicht dazu vorgesehen ist, den von der Antragstellerin gerügten inhaltlichen Fehler zu beheben, steht jedenfalls nicht in offensichtlichem Widerspruch zu Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Frage, ob Art. 13 und 14 EuGVÜ im Streitfall anwendbar sind, ist deshalb im vorliegenden Zusammenhang nicht zu beantworten.
Eine Kostenentscheidung war im Hinblick auf § 118 Abs. 1 Satz 4 und § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlaßt (vgl. BGH, Beschl. v. 21.7.1997 – AnwZ (B) 16/97, BRAK-Mitt. 1997, 253).
Unterschriften
Rogge, Jestaedt, Melullis, Scharen, Keukenschrijver
Fundstellen
Haufe-Index 547158 |
NJW 2001, 1285 |
BGHR 2001, 307 |
JR 2002, 22 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 829 |