Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Anwendung der Barwertverordnung bei Ermittlung der Barwerte für statische und teildynamische Anwartschaften im Rahmen des Versorgungsausgleichs. Berechnung von Anwartschaften auf qualifizierte Versicherungsrenten nach der Satzung der bayerischen Versorgungskammer
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur Ermittlung von Barwerten für statische und teildynamische Anwartschaften sind die Barwertverordnung und deren Tabellen zwingend anzuwenden. Ein Rückgriff auf „Ersatztabellen” ist unzulässig.
2. Zur Berechnung von Anwartschaften auf qualifizierte Versicherungsrenten kann § 35a Abs. 1 der Satzung der bayerischen Versorgungskammer, Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden (ZVK) i.d.F.v. 11.12.2000 nicht mehr herangezogen werden. Stattdessen hat die Bewertung der Anwartschaften nach Maßgabe des § 18 BetrAVG in der aktuell geltenden Fassung zu erfolgen.
Normenkette
BGB §§ 1587a, 1587b; VersorgAusglHärteG §§ 2, 3b Abs. 1 S. 1 Nr. 1; BetrAVG §§ 1, 16, 18, 30d, 30f; GemZVSa BY v. 11.12.2000 § 25a Abs. 1; BarwertVBetrAVG § 1
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz wird der Beschluß des 26. Zivilsenats – zugleich Familiensenat – des Oberlandesgerichts München vom 2. Mai 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der weiteren Beschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 511,29 EUR (= 1.000 DM)
Gründe
I.
Die am 27. Dezember 1984 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den dem Ehemann (Antragsgegner) am 4. Mai 2000 zugestellten Antrag der Ehefrau (Antragstellerin) durch Verbundurteil vom 17. Januar 2001 geschieden (insoweit rechtskräftig seit 13. März 2001) und der Versorgungsausgleich geregelt.
Während der Ehezeit (1. Dezember 1984 bis 30. April 2000; § 1587 Abs. 2 BGB) erwarben die Ehegatten nach den Feststellungen des Amtsgerichts jeweils Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz (weitere Beteiligte zu 1, LVA), und zwar die am 23. April 1961 geborene Ehefrau in Höhe von 340,50 DM und der am 10. Januar 1959 geborene Ehemann in Höhe von 733,31 DM, jeweils monatlich und bezogen auf das Ende der Ehezeit. Daneben ist für die Ehefrau eine ehezeitliche Anwartschaft auf die sogenannte einfache Versicherungsrente bei der bayerischen Versorgungskammer, Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden (weitere Beteiligte zu 2, ZVK) in Höhe von 46,82 DM festgestellt.
Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß es Rentenanwartschaften des Ehemanns bei der LVA in Höhe von monatlich 191,51 DM, bezogen auf den 30. April 2000, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der LVA übertragen hat. Für die Umrechnung der Anwartschaft der Ehefrau auf die statische Versicherungsrente bei der ZVK in eine dynamische Anwartschaft hat es deren Barwert nicht nach der Barwertverordnung, die es für verfassungswidrig erachtet, sondern unter Bezugnahme auf in der Literatur veröffentlichte „Ersatztabellen” mit 2.134,99 DM ermittelt und sie auf dieser Grundlage in eine dynamische Anwartschaft in Höhe von monatlich 9,80 DM umgerechnet.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde hat die LVA gerügt, das Amtsgericht habe bei der Umrechnung der statischen Anwartschaften nicht von der zwingend angeordneten Anwendung der Barwertverordnung absehen dürfen. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde der LVA, mit der sie weiterhin die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich begehrt.
II.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Barwertverordnung sei verfassungswidrig, weil sie zu einer übermäßigen Abwertung der mit ihr bewerteten Anrechte führe und daher den Gleichheitssatz verletze. Dies beruhe darauf, daß die Barwertverordnung auf veralteten biometrischen Rechnungsgrundlagen beruhe, eine etwaige Hinterbliebenenversorgung bei der Barwertbildung unberücksichtigt bleibe und die Dynamik der gesetzlichen Rente und der Beamtenversorgung immer wesentlich unter dem Rechnungszins der Barwertverordnung von 5,5 % liege. Deshalb seien anstelle der Tabellen der Barwertverordnung die im Jahre 2000 veröffentlichten „Ersatztabellen” (Glockner/Gutdeutsch FamRZ 2000, 270, 271) für die Barwertermittlung heranzuziehen. Dies habe das Amtsgericht korrekt getan.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Wie der Senat (mit Beschluß vom 5. September 2001 – XII ZB 121/99 – FamRZ 2001, 1695) entschieden hat, sind die Gerichte bei der Ermittlung der Barwerte für statische und teildynamische Anwartschaften grundsätzlich auch weiterhin an die Barwertverordnung und deren Tabellen gebunden; auf „Ersatztabellen” kann nicht zurückgegriffen werden. Auf diesen Beschluß, dessen Abdruck beigefügt wird, wird verwiesen. Da auch keine Besonderheiten vorliegen, insbesondere der Versorgungsbezug noch nicht unmittelbar bevorsteht, bedarf es keiner individuellen Wertermittlung der Anrechte.
3. Danach können die Entscheidungen der Vorinstanzen keinen Bestand haben. Der Senat ist jedoch nicht in der Lage, selbst abschließend auf der Grundlage der bisherigen Auskünfte über die Versorgungsanrechte der Parteien zu entscheiden.
Nach Auskunft der ZVK vom 1. August 2000 wird das bei ihr für die Ehefrau bestehende Anrecht frühestens am 4. Oktober 2005 unverfallbar. Diese Angabe beruht auf §§ 1, 18 BetrAVG in der damals geltenden Fassung und auf der diese Vorschrift umsetzenden Regelung des § 35 a der Satzung der ZVK. Sie berücksichtigt noch nicht die Auswirkungen der durch Art. 1 Nr. 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1914) mit Wirkung vom 1. Januar 2001 eingetretenen Änderung des § 18 BetrAVG, der inzwischen durch Art. 5 Abs. 35 Nr. 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) erneut geändert worden ist. Da auch für die Höhe des Versorgungsausgleichs das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht anzuwenden ist, wenn es sich – wie hier – nach seinem zeitlichen Geltungswillen auf den zu entscheidenden Sachverhalt erstreckt (st.Rspr. vgl. nur Senatsbeschluß vom 9. Februar 2000 – XII ZB 24/96 – FamRZ 2000, 748, 749; Johannsen/Henrich/Hahne Eherecht 3. Aufl. § 1587 Rdn. 38 m.N.), hat die Bewertung der Anwartschaften nach den Maßgaben des § 18 BetrAVG in der geltenden Fassung zu erfolgen, die nach Maßgabe des § 30 d BetrAVG i.d.F. des Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (aaO) sowie nach Maßgabe des durch Art. 9 Nr. 24 des Altersvermögensgesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1310) eingefügten § 30 f BetrAVG auf den vorliegenden Sachverhalt zurückwirkt.
Da die Auskunft nicht erkennen läßt, wann der Ehefrau die Zusage der Versorgung bei der ZVK erteilt worden ist, vermag der Senat die Frage des Eintritts der Unverfallbarkeit – auch unter Berücksichtigung der geänderten Rechtslage (vgl. § 30 f BetrAVG) – nicht zu überprüfen. Die Sache muß daher an das Oberlandesgericht zurückverwiesen werden, damit es die notwendigen Feststellungen treffen kann. Die Zurückverweisung ermöglicht es, den Versorgungsausgleich anhand aktueller Auskünfte durchzuführen. Sie gibt damit der Beteiligten zu 2 zugleich Gelegenheit, etwaige Änderungen, die sich – in der Folge des von den Tarifvertragsparteien vereinbarten neuen Versorgungssystems für bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder begründete Anwartschaften – auch für bei der ZVK begründete Anrechte ergeben, einzubeziehen.
Unterschriften
Hahne, Gerber, Wagenitz, Fuchs, Vézina
Fundstellen