Leitsatz (amtlich)
1. Der Kommanditist hat keinen Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO auf Löschung seines Geburtsdatums und seines Wohnorts im Handelsregister.
2. Der Kommanditist hat keinen Anspruch auf Einschränkung der Verarbeitung seines Geburtsdatums und seines Wohnorts durch das Registergericht aus Art. 18 Abs. 1 Buchst. d, Art. 21 Abs. 1 DS-GVO.
Normenkette
EUV 2016/679 Art. 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 Buchst. d, Art. 21 Abs. 1; HGB § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1, § 106 Abs. 1, 2 Nr. 2 Buchst. a, § 162 Abs. 1; HdlRegVfg § 40 Nr. 5 Buchst. c
Verfahrensgang
OLG Celle (Entscheidung vom 24.02.2023; Aktenzeichen 9 W 17/23) |
AG Walsrode (Entscheidung vom 30.12.2022; Aktenzeichen HRB 201983) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 24. Februar 2023 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe
A.
Rz. 1
Der Antragsteller ist Kommanditist der S. GmbH & Co. KG und als solcher seit August 2012 mit seinem Geburtsdatum und Wohnort im Handelsregister eingetragen.
Rz. 2
Unter dem 21. November 2022 hat der Antragsteller beantragt, die Angabe seines Geburtsdatums und seines Wohnorts aus dem Handelsregister zu entfernen. Zur Begründung hat er angeführt, seine berufliche Tätigkeit bestehe im Umgang mit Sprengstoff, so dass bei ihm die Gefahr bestehe, Opfer einer Entführung oder eines Raubes zu werden, um die von ihm gehandhabten Stoffe zu erlangen. Deswegen seien sein Geburtsdatum und sein Wohnort unter anderem auch im Melderegister gesperrt. Hilfsweise hat er beantragt, Geburtsdatum und Wohnort erst nach einer Interessenabwägung an Dritte zu übermitteln.
Rz. 3
Das Amtsgericht - Registergericht - hat die Anträge mit Beschluss vom 30. Dezember 2022 zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Antragstellers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seine Anträge weiter.
B.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 5
I. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rz. 6
Für das Begehren des Antragstellers fehle es an einer Rechtsgrundlage. Ein Widerspruchsrecht nach Art. 21 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung; im Folgenden: DS-GVO) stehe dem Antragsteller gemäß § 10a Abs. 3 HGB nicht zu. Dementsprechend habe er auch keinen Anspruch auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO. Ein Anspruch auf Löschung der Daten aus Art. 17 Abs. 1 und 2 DS-GVO sei nach Art. 17 Abs. 3 Buchst. b DS-GVO ausgeschlossen, weil das Registergericht nach § 387 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 43 Nr. 4 Satz 1 Buchst. b HRV zur Verarbeitung der Daten verpflichtet sei. Schließlich könne der Antragsteller sich auch nicht auf § 395 FamFG stützen, weil die Aufnahme seines Geburtsdatums und seines Wohnorts im Handelsregister nicht unzulässig gewesen sei.
Rz. 7
Zweifel an der Vereinbarkeit von § 10a Abs. 3 HGB mit Verfassungs- und Europarecht bestünden nicht, weil die Einschränkung der Rechte aus Art. 21 DS-GVO von Art. 23 Abs. 1 Buchst. e DS-GVO gedeckt sei. Dass das Interesse des Antragstellers an der Geheimhaltung seines Geburtsdatums und seines Wohnorts das öffentliche Interesse an der Führung eines funktionsfähigen und verlässlichen Handelsregisters zur Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs überwiege, sei weder hinreichend vorgetragen noch ersichtlich.
Rz. 8
Ein etwaiger Anspruch aus Rechtsnormen außerhalb des Registerverfahrensrechts und datenschutzrechtlicher Bestimmungen, etwa aus §§ 823, 839 BGB oder § 1004 BGB (analog) wegen Verfehlung datenschutzrechtlicher Vorgaben durch die mit dem Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie vom 5. Juli 2021 (DiRUG) jedermann eröffnete Möglichkeit der kostenfreien Einsichtnahme in das Handelsregister, könne im Registerverfahren nicht geprüft werden, sei aber auch nach dem durch das DiRUG unangetasteten Zweck des § 10a Abs. 3 HGB zu verneinen.
Rz. 9
II. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Rechtsbeschwerdebefugnis des Antragstellers ergibt sich bereits daraus, dass seine Beschwerde gegen den Beschluss des Registergerichts zurückgewiesen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2023 - II ZB 10/22, BGHZ 236, 123 Rn. 7 mwN).
Rz. 10
III. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält der rechtlichen Prüfung im Ergebnis stand.
Rz. 11
1. Ein Anspruch des Antragstellers auf Entfernung der Angabe seines Geburtsdatums und seines Wohnorts aus seiner Eintragung als Kommanditist im Handelsregister ergibt sich weder aus der Datenschutz-Grundverordnung noch aus nationalem Recht.
Rz. 12
a) Ein Anspruch auf Entfernung der Daten gemäß Art. 17 Abs. 1 und 2 DS-GVO (ABl. L 119 vom 4. Mai 2016, S. 1) ist nach Art. 17 Abs. 3 Buchst. b Fall 1 DS-GVO ausgeschlossen. Die Eintragung, Speicherung und Offenlegung des Geburtsdatums und des Wohnorts eines Kommanditisten im Handelsregister ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Registergerichts im Sinne von Art. 17 Abs. 3 Buchst. b Fall 1 DS-GVO erforderlich.
Rz. 13
aa) Die Datenschutz-Grundverordnung ist im vorliegenden Fall zeitlich (Art. 99 Abs. 2, Art. 94 Abs. 1, Erwägungsgrund 171 DS-GVO), räumlich (Art. 3 Abs. 1 und 2 DS-GVO) und sachlich (Art. 2 Abs. 1 DS-GVO) anwendbar.
Rz. 14
Das Geburtsdatum und der Wohnort des Antragstellers sind personenbezogene Daten im Sinne von Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. Ihre Eintragung und Speicherung im elektronisch geführten Handelsregister (§ 8 Abs. 1, § 8a Abs. 1 HGB) sind ebenso wie ihre Offenlegung durch Gestattung der unbeschränkten Einsichtnahme in das Handelsregister (§§ 9, 10 Abs. 2 HGB) eine Verarbeitung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Fall 1 und 2, Art. 4 Nr. 2 DS-GVO. Das mit der Führung des elektronischen Handelsregisters gemäß § 8 Abs. 1 HGB betraute Registergericht ist Verantwortlicher für diese Datenverarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DS-GVO (vgl. EuGH, Urteil vom 9. März 2017 - C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 35 - Manni [zu Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. L 281 vom23. November 1995, S. 31; im Folgenden: Datenschutz-Richtlinie]). Das gilt nicht nur für die Eintragung und Speicherung der Daten, sondern auch für ihre Offenlegung über das im Internet gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 HGB eingerichtete zentrale Registerportal (www.handelsregister.de), weil das Registergericht mit der Eintragung und Übermittlung der Daten an den Betreiber des Registerportals darüber entscheidet, welche Daten dort abrufbar sind.
Rz. 15
bb) Das auf vollständige Entfernung der Daten aus dem Handelsregister gerichtete Begehren des Antragstellers ist grundsätzlich von Art. 17 Abs. 1 und 2 DS-GVO umfasst.
Rz. 16
Nach Art. 17 Abs. 1 DS-GVO kann die betroffene Person bei Vorliegen eines der dort genannten Gründe die Löschung der sie betreffenden Daten gemäß Art. 17 Abs. 2 DS-GVO von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen verlangen. Der Begriff der Löschung im Sinne dieser Vorschrift ist autonom auszulegen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn. 17) und beinhaltet - anders als die gemäß § 395 Abs. 1 Satz 2 FamFG, §§ 16, 19 HRV lediglich durch Rötung erfolgende Löschung von Handelsregistereintragungen nach nationalem Recht - die Unkenntlichmachung der personenbezogenen Daten in einer Weise, die es tatsächlich unmöglich macht, die zuvor in den zu löschenden Daten verkörperte Information wahrzunehmen (vgl. Herbst in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 4. Aufl., Art. 17 DS-GVO Rn. 37 ff.; Roßnagel in Simitis/Hornung/Spiecker, Datenschutzrecht, Art. 4 Nr. 2 DS-GVO Rn. 30).
Rz. 17
cc) Ein Anspruch des Antragstellers aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO ist aber, selbst wenn einer der in Art. 17 Abs. 1 DS-GVO genannten Löschungsgründe zu bejahen sein sollte, nach Art. 17 Abs. 3 Buchst. b Fall 1 DS-GVO ausgeschlossen, weil die Eintragung, Speicherung und Offenlegung des Geburtsdatums und des Wohnorts des Antragstellers als Kommanditist im Handelsregister zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Registergerichts im Sinne dieser Vorschrift erforderlich ist.
Rz. 18
aaa) Nach Art. 17 Abs. 3 Buchst. b Fall 1 DS-GVO gelten Art. 17 Abs. 1 und Abs. 2 DS-GVO nicht, soweit die Verarbeitung der Daten zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Verantwortlichen, die sich aus dem Recht der Union oder dem Recht eines Mitgliedstaats, dem der Verantwortliche unterliegt, ergeben kann, erforderlich ist. Diese rechtliche Verpflichtung muss, wie sich aus Erwägungsgrund 41 Satz 1 DS-GVO ergibt, nicht notwendig in einem Parlamentsgesetz normiert sein (EuGH, Urteil vom 24. Februar 2022- C-175/20, ECLI:EU:C:2022:124 = ZD 2022, 271 Rn. 52 - Valsts ieņēmumu dienests). Sie muss aber, da Art. 17 Abs. 3 Buchst. b DS-GVO die Regelung in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DS-GVO widerspiegelt, den in Art. 6 Abs. 2 und 3 DS-GVO geregelten Anforderungen genügen (vgl. Peuker in Sydow /Marsch, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 17 DS-GVO Rn. 63; Herbst in Kühling/ Buchner, DS-GVO/BDSG, 4. Aufl., Art. 17 DS-GVO Rn. 74 f.; BeckOK Datenschutzrecht/Worms, Stand: 1.8.2023, Art. 17 DS-GVO Rn. 83; Meentz/Hinzpeter in Taeger/Gabel, DS-GVO/BDSG/TTDSG, 4. Aufl., Art. 17 DS-GVO Rn. 125). Demnach muss der Zweck der Verarbeitung in der Rechtsgrundlage festgelegt sein (Art. 6 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO). Außerdem muss die Verarbeitung zur Erfüllung der rechtlichen Verpflichtung des Verantwortlichen tatsächlich erforderlich sein, diese Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 3 Satz 4 DS-GVO ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck stehen und die Verarbeitung muss innerhalb der Grenzen des unbedingt Notwendigen erfolgen (EuGH, Urteil vom 4. Juli 2023 - C-252/21, ECLI:EU:C:2023:537 = RIW 2023, 516 Rn. 138 = NJW 2023, 2997 - Meta Platforms).
Rz. 19
bbb) Das Registergericht ist zu der in Rede stehenden Verarbeitung des Geburtsdatums und des Wohnorts des Antragstellers rechtlich verpflichtet.
Rz. 20
(1) Nach § 162 Abs. 1, § 106 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a HGB (jeweils in der - bei der Rechtsbeschwerdeentscheidung zugrunde zu legenden [vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 1993 - XII ZB 134/92, BGHZ 121, 305, 317; Bumiller in Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 13. Aufl., § 72 Rn. 6; Roßmann in Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 7. Aufl., § 72 Rn. 7 mwN] - seit 1. Januar 2024 geltenden Fassung) sind bei der Anmeldung einer Kommanditgesellschaft auch der Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort jedes Kommanditisten zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.
Rz. 21
(2) Das Registergericht ist nach § 387 Abs. 2 FamFG, § 40 Nr. 5 Buchst. c HRV verpflichtet, diese Daten in das Handelsregister einzutragen (vgl. BeckOGK HRV/Szalai, Stand: 15.10.2023, § 40 Rn. 1; vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 1953 - II ZR 157/52, BGHZ 10, 44, 48).
Rz. 22
Die Eintragung hat gemäß § 8 Abs. 1, § 8a Abs. 1 HGB durch dauerhafte inhaltlich unveränderte Speicherung im elektronisch zu führenden Handelsregister zu erfolgen (siehe auch § 387 Abs. 2 FamFG, § 47 Abs. 1 Satz 1 HRV). Eine Entfernung von vorhandenen Eintragungen durch technische Eingriffe oder sonstige Maßnahmen ist dem Registergericht nach § 387 Abs. 2 FamFG, § 12 Satz 2 HRV untersagt. Auch die Löschung einer Eintragung gemäß §§ 393 ff. FamFG erfolgt nicht durch (technische) Entfernung der Eintragung, sondern ihrerseits als eigene Eintragung, um den Vorgang der Löschung als solchen im Register für Dritte nachvollziehbar zu machen. Selbst unzulässige Eintragungen werden gemäß § 395 Abs. 1 Satz 2 FamFG, §§ 16, 19 HRV nicht entfernt, sondern durch Eintragung eines Vermerks unter einer neuen laufenden Nummer sowie Rötung der unzulässigen Eintragung gelöscht (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 - II ZB 12/14, ZIP 2015, 1064 Rn. 20).
Rz. 23
(3) Schließlich ist das Registergericht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 HGB zur Offenlegung der eingetragenen Daten in der Form verpflichtet, dass die Einsichtnahme in das Handelsregister jedem zu Informationszwecken durch einzelne Abrufe gestattet wird, ohne dass es der Darlegung eines berechtigten Interesses bedarf (BGH, Beschluss vom 12. Juli 1989 - IVa ARZ (VZ) 9/88, BGHZ 108, 32, 35 f.; Beschluss vom 3. Februar 2015 - II ZB 12/14, ZIP 2015, 1064 Rn. 24; Beschluss vom 24. Mai 2023 - VII ZB 69/21, ZIP 2023, 1640 Rn. 22). Hierfür sind die Eintragungen aus dem Handelsregister über das Registerportal abrufbar zu machen (§ 9 Abs. 1 Satz 2, § 10 Abs. 1 HGB, § 52 HRV), indem sie unverzüglich zum Abruf über dieses Portal bereitgestellt werden (§ 10 Abs. 2 HGB, § 32 HRV). Das gilt auch für eingetragene Angaben zu Kommanditisten, nachdem deren frühere Ausnahme von der Bekanntmachung mit Aufhebung des § 162 Abs. 2 HGB aF durch das DiRUG mit Wirkung zum 1. August 2022 entfallen ist.
Rz. 24
ccc) Da die genannten Regelungen weder Ausnahmen, sei es abstrakt-generell für bestimmte Fallgruppen oder konkret bei besonderen Umständen im Einzelfall, vorsehen, noch dem Registergericht bei der Anwendung einen Beurteilungsspielraum oder Ermessen einräumen, ist diese Datenverarbeitung auch im Fall des Antragstellers zur Erfüllung der rechtlichen Verpflichtungen des Registergerichts tatsächlich erforderlich.
Rz. 25
ddd) Diese rechtlichen Verpflichtungen des Registergerichts verfolgen ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Satz 2 und 4 DS-GVO. Sie sollen den Schutz der Sicherheit, Lauterkeit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs im kaufmännischen und handelsgesellschaftlichen Bereich gewährleisten.
Rz. 26
(1) Sinn und Zweck des Handelsregisters liegen darin, es der Öffentlichkeit zu ermöglichen, sich über die Rechtsverhältnisse von Kaufleuten und Gesellschaften zu unterrichten, und Umstände zu verlautbaren, die für den Rechtsverkehr von erheblicher Bedeutung sind (Informations- und Publizitätsfunktion; vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 1988 - II ZB 7/88, BGHZ 105, 324, 344; Beschluss vom 10. November 1997 - II ZB 6/97, ZIP 1998, 152;Beschluss vom 14. Februar 2012 - II ZB 15/11, ZIP 2012, 623 Rn. 16; Beschluss vom 3. Februar 2015 - II ZB 12/14, ZIP 2015, 1046 Rn. 18; Beschluss vom 31. Januar 2023 - II ZB 10/22, BGHZ 236, 123 Rn. 12; Beschluss vom 24. Mai 2023 - VII ZB 69/21, ZIP 2023, 1640 Rn. 20; Beschluss vom 19. September 2023 - II ZB 15/22, ZIP 2023, 2356 Rn. 28). Dabei wird die Zuverlässigkeit des Registers zum einen durch die registerrechtliche Kontrolle der Anmeldungen zur Eintragung gewährleistet, zum anderen dadurch, dass sich an das Vertrauen in darin enthaltene Eintragungen in gewissem Umfang materiell-rechtliche Wirkungen anknüpfen (§ 15 HGB; vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 - II ZB 12/14, ZIP 2015, 1064 Rn. 18; Beschluss vom 24. Mai 2023 - VII ZB 69/21, ZIP 2023, 1640 Rn. 20). Ohne solche Informationen und ihre allgemeine Zugänglichkeit durch uneingeschränkt einsehbare Register wäre der Rechtsverkehr in seiner Sicherheit und Leichtigkeit beeinträchtigt, weil Rechtsgeschäfte andernfalls entweder nur nach kompliziert und langwierig zu erbringenden Nachweisen oder aber unter Verzicht auf solche Nachweise mit der Folge größerer Anfälligkeit für Fehler oder betrügerische Machenschaften getätigt würden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zum RegE eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften, BT-Drucks. 18/12611, S. 67, 68 f.).
Rz. 27
(2) Der Verwirklichung dieses schützenswerten Interesses des Rechtsverkehrs dient insbesondere auch die Eintragung, Speicherung und Offenlegung der Angaben zur Person eines Kommanditisten. Sie ermöglicht, sich im Rechtsverkehr zuverlässig über die an der Gesellschaft beteiligten Personen und die Haftungsverhältnisse der Gesellschaft zu informieren und zu vergewissern (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2001 - II ZB 23/00, BGHZ 148, 291, 294 [zur BGB-Gesellschaft als Kommanditistin]; Staub/Casper, HGB, 5. Aufl., § 162 Rn. 1; Eberl in Heidel/Schall, HGB, 4. Aufl., § 162 Rn. 1; BeckOGK HGB/Notz/Zinger, Stand: 15.4.2023, § 162 Rn. 1 f.; Oetker/Oetker, HGB, 8. Aufl., § 162 Rn. 1; Oepen in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 162 Rn. 3), und erleichtert Gesellschaftsgläubigern die Durchsetzung ihrer Forderungen gegenüber persönlich haftenden Gesellschaftern (vgl. Born in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 106 Rn. 32; MünchKommHGB/Fleischer, 5. Aufl., § 106 Rn. 3; Oetker/Lieder, HGB, 8. Aufl., § 106 Rn. 3; BeckOGK HGB/Sanders, Stand: 1.5.2023, § 106 Rn. 18; Staub/Schäfer, HGB, 5. Aufl., § 106 Rn. 13; Steitz in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., § 106 HGB Rn. 7). Der Rechtsverkehr hat ein berechtigtes Interesse an der Information über die an der Gesellschaft beteiligten Personen, weil diese entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft haben und wegen der persönlichen Haftung auch für die Bonität der Gesellschaft stehen. Das gilt im Grundsatz auch für Kommanditisten. Der dagegen erhobene Einwand, Angaben zu Kommanditisten seien für den Rechtsverkehr von untergeordneter Bedeutung, weil sie nach dem gesetzlichen Modell von der Geschäftsführung ausgeschlossen und ihre Haftung nach der Eintragung auf die Haftsumme beschränkt sei (siehe RegE eines Gesetzes zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung [Namensaktiengesetz - NaStraG], BT-Drucks. 14/4051, S. 19; siehe auch Eberl in Heidel/Schall, HGB, 3. Aufl., § 162 Rn. 11; BeckOK HGB/Häublein/Beyer, Stand: 1.1.2024, § 162 Rn. 36; Oetker/Oetker, HGB, 7. Aufl., § 162 Rn. 1), greift nicht durch. So sind Kommanditisten zwar im gesetzlichen Regelfall von der Geschäftsführung ausgeschlossen (§ 164Halbsatz 1 HGB), haben aber an etwaigen Änderungen des Gesellschaftsvertrages mitzuwirken; zudem bedürfen außergewöhnliche Geschäfte § 164Halbsatz 2, § 116 Abs. 2 Satz 1 HGB ihrer Zustimmung (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 2012 - II ZB 15/11, ZIP 2012, 623 Rn. 21; Urteil vom15. Februar 2022 - II ZR 235/20, BGHZ 232, 375 Rn. 27 f. mwN). Vor allem aber dienen die genannten Angaben zur Person eines Kommanditisten insbesondere der von der Registerpublizität intendierten Erleichterung einer Forderungsdurchsetzung von Gesellschaftsgläubigern in Fällen, in denen der Kommanditist gemäß § 171 Abs. 1 Halbsatz 1 und § 172 Abs. 4 HGB - wenn auch beschränkt auf seine Haftsumme - einer unmittelbaren persönlichen Haftung unterliegt, und damit auch der Absicherung der Bonitätseinschätzung der Gesellschaft.
Rz. 28
(3) Diese Wertung entspricht der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der bereits unter Geltung der Datenschutz-Richtlinie entschieden hat, dass die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. d und j der Publizitätsrichtlinie (Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Art. 58 Abs. 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten [ABl. L 65 S. 8], in der durch die Richtlinie 2003/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2003 [ABl. L 221 S. 13] geänderten Fassung) vorgesehene Speicherung und Offenlegung der Personalien von Vertretungsorganen von Kapitalgesellschaften sowohl dem Schutz der Interessen Dritter dienen, die wegen der bei diesen Gesellschaften auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung ein erhöhtes wirtschaftliches Risiko tragen, als auch die - im öffentlichen Interesse liegende - Rechtssicherheit in den Beziehungen zwischen den Gesellschaften und Dritten, die Lauterkeit von Handelsgeschäften und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts dadurch gewährleisten, dass sich jeder, der Geschäftsverbindungen mit Gesellschaften in anderen Mitgliedstaaten aufnehmen will, unschwer durch eine zuverlässige Informationsquelle Kenntnis von den wesentlichen Angaben über die Gründung der Handelsgesellschaften und über die Befugnisse der mit ihrer Vertretung betrauten Personen verschaffen kann (EuGH, Urteil vom 9. März 2017- C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 43, 49 ff. - Manni).
Rz. 29
Diese Rechtsprechung zur Datenschutz-Richtlinie ist grundsätzlich auch für die Datenschutz-Grundverordnung einschlägig (EuGH, Urteil vom 17. Juni 2021 - C-597/19, ECLI:EU:C:2021:492 = GRUR 2021, 1067 Rn. 107 - M.I.C.M.) und auf die Verarbeitung personenbezogener Daten von Kommanditisten übertragbar. Zwar besteht im Fall einer Kommanditgesellschaft keine auf das Gesellschaftsvermögen beschränkte Haftung; auch ist der Kommanditist grundsätzlich nicht zur Vertretung der Gesellschaft befugt (§ 170 Abs. 1 HGB). Gleichwohl dienen die Angaben zu seiner Person aus den oben genannten Gründen ebenfalls der Gewährleistung der Sicherheit, Lauterkeit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs zwischen der Kommanditgesellschaft und Dritten.
Rz. 30
eee) Dieser Zweck der Datenverarbeitung wird in den oben genannten Rechtsgrundlagen zwar nicht ausdrücklich als solcher benannt, ergibt sich aber aus der Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 HGB, wonach "die Einsichtnahme in das Handelsregister … jedem zu Informationszwecken durch einzelne Abrufe gestattet" ist (vgl. RegE eines Gesetzes über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation - ERJuKoG, BT-Drucks. 14/6855, S. 17). Das genügt dem gesetzlichen Zweckfestlegungserfordernis des Art. 6 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO (vgl. BFH, BB 2023, 2717 Rn. 43; Frenzel in Paal/Pauly, DS-GVO/ BDSG, 3. Aufl., Art. 6 DS-GVO Rn. 41; BeckOK IT-Recht/Borges/Steinrötter, Stand: 1.1.2022, Art. 6 DS-GVO Rn. 68 mwN).
Rz. 31
fff) Die rechtlichen Verpflichtungen des Registergerichts stehen in einem angemessenen Verhältnis zu dem damit verfolgten legitimen Zweck (Art. 6 Abs. 3 Satz 4 DS-GVO).
Rz. 32
(1) Bei der nach Art. 6 Abs. 3 Satz 4 DS-GVO vorzunehmenden Abwägung ist davon auszugehen, dass Art. 1 Abs. 2 DS-GVO i.V.m. mit den Erwägungsgründen 1, 4 und 10 ein hohes Niveau des Schutzes der Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten gewährleisten soll (EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014 - C-131/12, ECLI:EU:C:2014:317 = NJW 2014, 2257 Rn. 66 - Google Spain und Google; Urteil vom 9. März 2017 - C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 37 - Manni [jeweils zur Datenschutz-Richtlinie]; Urteil vom 24. Februar 2022 - C-175/20, ECLI:EU:C:2022:124 = ZD 2022, 271 Rn. 52 - Valsts ieņēmumu dienests). Dieses Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten ist allerdings, wie in Erwägungsgrund 4 DS-GVO ausgeführt, kein uneingeschränktes Recht, sondern muss im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2022 - C-460/20, ECLI:EU:C:2022:962 = RIW 2023, 217 Rn. 56 - Google).
Rz. 33
Für diese Abwägung sind allein die Unionsgrundrechte maßgeblich, wenn die im Rechtsstreit anwendbaren Regelungen durch das Unionsrecht vollständig vereinheitlicht sind; andernfalls ist auf die Grundrechte des Grundgesetzes abzustellen (vgl. BVerfGE 152, 216 Rn. 33, 42 f., 46, 77, 81 - Recht auf Vergessen II). Ob danach hier wegen des von der Datenschutz-Grundverordnung angestrebten gleichmäßigen Datenschutzniveaus (Erwägungsgrund 9 und 10 DS-GVO) die Unionsgrundrechte heranzuziehen sind (so für den Ausschluss des Löschungsanspruchs nach Art. 17 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO: BVerfGE 152, 216 Rn. 39 ff. - Recht auf Vergessen II und BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn. 25; Urteil vom 3. Mai 2022 - VI ZR 832/20, NJW 2022, 2476 Rn. 18; im Unterschied zu dem vom sog. "Medienprivileg" erfassten Regelungsbereich: BVerfGE 152, 152 Rn. 74 - Recht auf Vergessen I), oder in Anbetracht der in Art. 17 Abs. 3 Buchst. b DS-GVO enthaltenen allgemeinen Öffnungsklausel mit Regelungsspielraum für die Mitgliedstaaten (vgl. Paal in Paal/Pauly, DS-GVO/ BDSG, 3. Aufl., Art. 17 DS-GVO Rn. 43; Kühling/Martini u.a., Die Datenschutz-Grundverordnung und das Nationale Recht, S. 27 ff.) die Grundrechte des Grundgesetzes, bedarf keiner Entscheidung. Die in Rede stehende Datenverarbeitung durch das Registergericht erweist sich sowohl bei Anwendung der Unionsgrundrechte als auch der Grundrechte des Grundgesetzes als verhältnismäßig.
Rz. 34
(2) Bei Maßgeblichkeit der Unionsgrundrechte sind die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung im Lichte von Art. 8 GRCh (Schutz personenbezogener Daten) und Art. 7 GRCh (Achtung des Privat- und Familienlebens) auszulegen (vgl. bereits EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014 - C-131/12,ECLI:EU:C:2014:317 = NJW 2014, 2257 Rn. 68 f. - Google Spain und Google; Urteil vom 6. Oktober 2015 - C-362/14, ECLI:EU:C:2015:650 = NJW 2015, 3151 Rn. 38; Urteil vom 9. März 2017 - C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 39 - Manni [jeweils zur Datenschutz-Richtlinie]; sowie EuGH, Urteil vom 24. Februar 2022 - C-175/20, ECLI:EU:C:2022:124 = ZD 2022, 271 Rn. 52 - Valsts ieņēmumu dienests; Urteil vom 1. August 2022 - C-184/20, ECLI:EU:C:2022:601 = RIW 2023, 49 Rn. 66 - Vyriausioji tarnybinės etikos komisija), die ihrerseits eine Entsprechung in Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) haben (vgl. Art. 52 Abs. 3 GRCh; EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2022 - C-460/20, ECLI:EU:C:2022:962 = RIW 2023, 217 Rn. 59 - Google; BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn. 27).
Rz. 35
Nach Art. 8 Abs. 2 GRCh dürfen personenbezogene Daten nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden. Weiter bestimmt Art. 52 Abs. 1 GRCh, dass Einschränkungen der Unionsgrundrechte zulässig sind, sofern sie gesetzlich vorgesehen sind und den Wesensgehalt der Grundrechte sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Einschränkungen dürfen danach nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen. Sie müssen sich auf das absolut Notwendige beschränken und die den Eingriff enthaltende Regelung muss klare und präzise Regeln für die Tragweite und die Anwendung der betreffenden Maßnahme vorsehen (EuGH, Urteil vom 1. August 2022 - C-184/20, ECLI:EU:C:2022:601 = RIW 2023, 49 Rn. 70 - Vyriausioji tarnybinės etikos komisija mwN).
Rz. 36
Diese Anforderungen sind hier erfüllt.
Rz. 37
(a) Die oben genannten Vorschriften enthalten klare und präzise Regelungen für die Tragweite und Anwendung der Verarbeitung von Geburtsdatum und Wohnort eines Kommanditisten durch Eintragung, Speicherung und Offenlegung im Internet durch das Registergericht. Die dadurch bewirkte Einschränkung achtet den Wesensgehalt der Grundrechte des Betroffenen auf Schutz personenbezogener Daten und auf Achtung seines Privatlebens, da sich die Verarbeitung nur auf wenige, nicht zum Kernbereich dieses Schutzrechts zählende Daten erstreckt, und entspricht - wie oben ausgeführt - von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen.
Rz. 38
(b) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Die Datenverarbeitung durch das Registergericht überschreitet nicht die Grenzen dessen, was zur Erreichung der mit den fraglichen Regelungen zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, und die verursachten Nachteile stehen nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Januar 2013 - C-283/11, ECLI:EU:C:2013:28 Rn. 50 = AfP 2013, 123; Urteil vom 8. April 2014 - C-293/12, ECLI:EU:C:2014:238 Rn. 46 = NJW 2014, 2169; Urteil vom 30. Juni 2016 - C-134/15, ECLI:EU:C:2016:498 Rn. 33 ff.; vgl. Kingreen in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl., Art. 52 EU-GRCharta Rn. 65 ff. mwN).
Rz. 39
(aa) Die Angabe des Geburtsdatums und des Wohnorts ist geeignet, eine - der legitimen Zielsetzung entsprechende - zuverlässige Individualisierung und Identifizierung der Person des Kommanditisten zu ermöglichen. Gleiches gilt für die Offenlegung dieser Angaben durch allgemein zugängliche Veröffentlichung im Internet, die es allen interessierten Dritten ermöglicht, sich unschwer Kenntnis über die an der Gesellschaft beteiligten und ggf. persönlich haftenden Personen zu verschaffen.
Rz. 40
(bb) Die Speicherung und unbeschränkte Offenlegung beider Angaben im Internet ist zur Erreichung der Zielsetzung erforderlich.
Rz. 41
(aaa) Erforderlichkeit in diesem Sinne liegt, wie sich aus Erwägungsgrund 39 der DS-GVO ergibt, vor, wenn das verfolgte, im öffentlichen Interesse liegende Ziel nicht in zumutbarer Weise ebenso wirksam mit anderen Mitteln erreicht werden kann, die weniger stark in die Grundrechte der betroffenen Personen, insbesondere die in den Art. 7 und Art. 8 der Charta verbürgten Rechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten, eingreifen, wobei sich die Ausnahmen und Einschränkungen hinsichtlich des Grundsatzes des Schutzes solcher Daten auf das absolut Notwendige beschränken müssen (EuGH, Urteil vom 1. August 2022 - C-184/20,ECLI:EU:C:2022:601 = RIW 2023, 49 Rn. 85 f. - Vyriausioji tarnybinės etikos komisija mwN; siehe auch das Datenminimierungsgebot in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO).
Rz. 42
(bbb) Die Angabe des unveränderlichen Geburtsdatums ist zur Identifizierung des Kommanditisten erforderlich, weil damit bei Namensgleichheit weitgehend Verwechslungen ausgeschlossen werden können (vgl. RegE eines Gesetzes zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften [Handelsrechtsreformgesetz - HRefG], BT-Drucks. 13/8444, S. 84 [zu § 125 FGG-E]; Born in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 106 Rn. 34; MünchKommHGB/Fleischer, 5. Aufl., § 106 Rn. 19; siehe auch Kollbach, ZVI 2006, 544, 547 f.; Preis/Wentz, ZD 2023, 461, 463; Prütting/Brinkmann, ZVI 2006, 477, 478 f.; Weichert, ZGI 2023, 11, 16).
Rz. 43
Die zusätzliche Angabe des Wohnorts ist nicht nur bei besonders gebräuchlichen Namen, sondern auch im Hinblick darauf erforderlich, dass das vollständige Geburtsdatum für Dritte nicht immer leicht überprüfbar sein kann, um durch eine örtliche Eingrenzung des Personenkreises zur zweifelsfreien Identifizierung beizutragen (vgl. Haas/Wöstmann in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 106 Rn. 11; Weichert, ZGI 2023, 11, 16; grundsätzlich auch MünchKommHGB/Fleischer, 5. Aufl., § 106 Rn. 20; aA Wachter, GmbHR 2003, 593 Rn. 32). Zwar hängt die Unterscheidungskraft des Wohnorts von den jeweiligen Verhältnissen, insbesondere seiner Größe, ab und kann daher variieren (vgl. Paefgen in Habersack/ Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 40 Rn. 37; Handelsrechtausschuss des DAV, NZG 2005, 586, 587 f.; Wachter, GmbHR 2023, 593, 595). Eine zur Information des Rechtsverkehrs ebenso wirksame, die Betroffenen aber weniger belastende Form der Datenverarbeitung ist aber nicht ersichtlich. Die Verwendung eines anderen unterscheidungskräftigen personenbezogenen Merkmals (wie etwa des Geburtsorts oder der vollständigen Privatanschrift) wäre mit einem Eingriff von mindestens gleichem Gewicht verbunden (vgl. Weichert, ZGI 2023, 11, 16).
Rz. 44
Die Angabe des Wohnorts bietet zudem, auch wenn er nicht mit dem Wohnsitz gemäß §§ 7 ff. BGB identisch sein muss (vgl. Haas/Wöstmann in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 106 Rn. 11), nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BMG die Möglichkeit, durch eine einfache Melderegisterauskunft bei der für diesen Wohnort zuständigen Meldebehörde die aktuelle Anschrift zu ermitteln. Das kann notwendig werden, um evtl. erforderliche Zustellungen (vgl. §§ 166 ff. ZPO), etwa bei der Geltendmachung von Direktansprüchen gegen den Kommanditisten, bewirken zu können. Die Veränderlichkeit des Wohnorts spricht nicht dagegen, weil jedenfalls die Wegzugsmeldebehörde über die aktuelle Anschrift verfügt (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 Nr. 12 BMG; aA Klink, Datenschutz in der elektronischen Justiz, 2010, S. 247; Trendelenburg, BB 2023, 1172).
Rz. 45
(ccc) Schließlich ist auch die Erforderlichkeit der Offenlegung dieser Daten durch deren unbeschränkte Abrufbarkeit im Internet zu bejahen. Das Ziel, allen interessierten Dritten möglichst unschwer unabhängig von ihrem Aufenthaltsort und ohne zeitliche Verzögerung durch eine zuverlässige Informationsquelle Kenntnis von den wesentlichen Angaben über die Beteiligungs- und Haftungsverhältnisse der Gesellschaft sowie die evtl. unmittelbar persönlich haftenden Gesellschafter zu verschaffen, lässt sich - insbesondere im Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten - nur durch die Gewährung des schrankenlosen, mit keinem besonderen Aufwand oder Hindernissen verbundenen Zugangs zu diesen Daten im Internet erreichen (vgl. EuGH, Urteil vom 9. März 2017 - C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 51 - Manni [zum GmbH-Geschäftsführer]; Schlussanträge der Generalanwältin vom 14. September 2023 - C-115/22, ECLI:EU:C:2023:676, juris Rn. 169 zur Online-Veröffentlichung von Doping-Verstößen).
Rz. 46
(cc) Die durch diese Datenverarbeitung verursachten Nachteile stehen nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen. Die Grundrechte des Antragstellers auf Schutz seiner personenbezogenen Daten und Achtung seines Privatlebens haben bei der gebotenen Abwägung mit den mit der Datenverarbeitung seines Geburtsdatums und Wohnorts im Rahmen seiner Eintragung als Kommanditist im Handelsregister verfolgten Zielen der Gewährleistung der Sicherheit, Lauterkeit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs im kaufmännischen und gesellschaftlichen Bereich zurückzustehen.
Rz. 47
(aaa) Bei der gebotenen Gewichtung des Eingriffs in die Rechte des betroffenen Kommanditisten (siehe Erwägungsgrund 76 DS-GVO) ist zunächst festzustellen, dass sich die in Rede stehende Verarbeitung auf wenige personenbezogene Daten beschränkt, die weder zu den besonders sensiblen Daten im Sinne von Erwägungsgrund 51 Satz 1 DS-GVO zählen noch besonders tief in den Persönlichkeitsbereich hineinreichen (vgl. Prütting/Brinkmann, ZVI 2006, 477, 479 [zum Geburtsdatum]). Das gilt auch für die Angabe des Wohnorts, da damit noch nicht die vollständige Privatanschrift preisgegeben, sondern lediglich eine örtliche Eingrenzung vorgenommen wird.
Rz. 48
Eine besondere Schwere des Eingriffs ergibt sich allerdings grundsätzlich daraus, dass diese Daten durch ihre unbeschränkte Zurverfügungstellung im Internet einer potenziell unbegrenzten Zahl von Personen zugänglich gemacht werden, wodurch auch Personen, die sich aus nicht mit der Zielsetzung der Verarbeitung zusammenhängenden Gründen Kenntnis von diesen Daten verschaffen wollen, ungehindert darauf zugreifen können. Außerdem können die Daten nach ihrem Abruf beliebig weiter verarbeitet, verknüpft und zu einer Vielzahl von Zwecken, auch für die Planung von Straftaten zum Nachteil des Betroffenen, verwendet werden (vgl. EuGH, Urteil vom 1. August 2022 - C-184/20, ECLI:EU:C:2022:601 = RIW 2023, 49 Rn. 102, 104 - Vyriausioji tarnybinės etikos komisija; EuGH, Urteil vom 22. November 2022 - C-37/20 und C-601/20, ECLI:EU:C:2022:912 = WM 2023, 63 Rn. 42 f. - Luxembourg Business Registers; BVerfGE 128, 1, 52 f.).
Rz. 49
Die Intensität dieses Eingriffs ist jedoch in verschiedener Hinsicht gemildert.
Rz. 50
(α) Zum einen ist zu berücksichtigen, dass der Kommanditist mit dem Erwerb der Beteiligung und seiner Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister einen ihm zurechenbaren Anlass für die Datenverarbeitung gibt, wobei ihm die damit verbundene verpflichtende Offenlegung der hier in Rede stehenden personenbezogenen Daten im Handelsregister in diesem Augenblick bewusst ist (vgl. EuGH, Urteil vom 9. März 2017 - C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 59 - Manni; BVerfGE 128, 1, 53 [zum Standortregister über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen]; BVerfG, NJW 2008, 1505 Rn. 78).
Rz. 51
Dem lässt sich letztlich nicht durchgreifend entgegenhalten, dass bis zur Aufhebung des § 162 Abs. 2 HGB aF durch das DiRUG mit Wirkung zum 1. August 2022 für eingetragene Angaben zu Kommanditisten ein sogenanntes "Heimlichkeitsprivileg" galt, weil sie bis dahin von der amtlichen Bekanntmachung der Eintragungen ausgenommen waren und Dritte sich nur durch Einsichtnahme in das Register Kenntnis von ihnen verschaffen konnten. Denn eine Einsicht in das Handelsregister war bereits seit jeher jedermann in herkömmlicher Form auf der Geschäftsstelle des Registergerichts gebührenfrei gestattet, ohne an besondere Voraussetzungen, wie ein berechtigtes Interesse, geknüpft oder mit einer Identitätsfeststellung der Einsicht nehmenden Person verbunden zu sein (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2023 - VII ZB 69/21, ZIP 2023, 1640 Rn. 28 mwN). Bereits mit Wirkung zum 15. Dezember 2001 wurde dieses "Jedermann-Recht" zur Einsichtnahme auch auf das automatisierte Abrufverfahren erweitert, indem das bis dahin dafür geltende Genehmigungsverfahren durch eine unbeschränkte Zulassung mit Verbotsvorbehalt ersetzt wurde (Gesetz über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation vom 10. Dezember 2001, BGBl. I S. 3422 - ERJuKoG); siehe auch RegE zum ERJuKoG, BT-Drucks. 14/6855, S. 18 zur Änderung von § 9a HGB aF). Dieser automatisierte Abruf war zwar zunächst noch registrierungs- und gebührenpflichtig. Gleiches galt nach Einführung der zwingend elektronischen Registerführung zum 1. Januar 2007 durch das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister vom 10. November 2006 (BGBl. I S. 2553 - EHUG) für eine Einsichtnahme in das Handelsregister im Internet über das Registerportal. Dies mag in tatsächlicher Hinsicht eine gewisse Hürde gegen die Einsichtnahme durch jedermann gebildet haben (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 - II ZB 12/14, ZIP 2015, 1064 Rn. 22), stellte bei wertender Betrachtung aber keine beachtliche Nutzungsbeschränkung für die Allgemeinheit dar (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2023 - VII ZB 69/21, 1640 Rn. 27). Danach führte weder der Wegfall der Gebührenpflicht noch die Streichung des "Heimlichkeitsprivilegs" durch das DiRUG zu einer relevanten weitergehenden Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange des Kommanditisten als zuvor (vgl. RegE zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz - MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, S. 252 zu § 162 Abs. 2; Fleischer, DStR 2021, 483, 486 f.).
Rz. 52
(β) Zum anderen wird das in der Offenlegung der Daten über das Internet liegende Gewicht des Eingriffs dadurch relativiert, dass nach § 52 Satz 2 HRV technisch sicherzustellen ist, dass keine gezielte Suche nach natürlichen Personen möglich ist, und die Einsicht von Daten aus dem Handelsregister über das Registerportal auf einzelne Abrufe zu begrenzen ist (§ 9 Abs. 1 Satz 1 HGB, § 52 Satz 2 HRV), wodurch - entsprechend Art. 5 Abs. 1 Buchst. fDS-GVO und Erwägungsgrund 111 Satz 2 und 3 DS-GVO - ein Massenabruf von Registerdaten und deren zweckwidrige Weiterverarbeitung verhindert werden sollen (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zum DiRUG, BT-Drucks. 19/30523, S. 100).
Rz. 53
(bbb) Demgegenüber würde das mit der Datenverarbeitung verfolgte Ziel, die Sicherheit, Lauterkeit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs im kaufmännischen und gesellschaftlichen Bereich zu gewährleisten, sowohl bei vollständiger Entfernung der Daten aus dem Handelsregister als auch bei einer Beschränkung des Zugangs über das Internet gravierend beeinträchtigt. Bei vollständiger Entfernung dieser Daten wäre eine hinreichend gesicherte zuverlässige Identifizierung eines Kommanditisten anhand des Registers überhaupt nicht mehr möglich, bei einer Beschränkung des Zugangs auf Dritte mit berechtigtem Interesse mit zusätzlichem, insbesondere im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr meist erheblichem Aufwand verbunden.
Rz. 54
(ccc) In Anbetracht dessen hat der Normgeber mit der Beschränkung der einzutragenden und offenzulegenden Angaben zur Person eines - wie hier - aktuell an der Gesellschaft beteiligten Kommanditisten auf wenige personenbezogene Basisdaten (vollständiger Name, Geburtsort und Wohnort) unter Beachtung des Grundsatzes der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO) und der Gewährleistung der Datensicherheit (Art. 5 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO) einen angemessenen Kompromiss zwischen dem Informationsinteresse des Rechtsverkehrs einerseits und dem Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Personen andererseits gefunden. Die damit vorgeschriebene Registerpublizität ist quasi der "Preis" der für die Beteiligung als Kommanditist an einer Kommanditgesellschaft zu akzeptieren ist (vgl. J. Schmidt, Festschrift Bergmann, 2018, S. 637, 652; zur Angabe des Wohnorts siehe auch MünchKommHGB/Fleischer, 5. Aufl., § 106 Rn. 20; Haas/Wöstmann in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/ Mock/Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 106 Rn. 11).
Rz. 55
Soweit in der Vergangenheit dem Schutz der Privatsphäre der Kommanditisten Vorrang vor dem Schutz des Handelsverkehrs durch die Publizität des Handelsregisters eingeräumt wurde, war dies gesetzeshistorisch dadurch motiviert, dass sich "öffentlichkeitsscheue" Kapitalanleger sonst der stillen Gesellschaft zuwenden würden (siehe dazu Fleischer, DStR 2021, 483, 486), und beruhte auf der oben bereits erwähnten Annahme, dass die Angaben zu den Kommanditisten für den Rechtsverkehr von in der Regel untergeordneter Bedeutung seien. Ersteres ist ausgehend von der gesetzeshistorisch gewachsenen Abgrenzung der stillen Gesellschaft überholt, zweiteres ist, wie oben dargelegt, angesichts der auch Kommanditisten zustehenden Mitwirkungsbefugnisse und insbesondere der gesetzlichen, die Eintragung des Kommanditisten voraussetzende Haftungsverfassung der Kommanditgesellschaft (§§ 171, 172, 176 HGB) nicht sachgerecht (vgl. ReGE zum MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, S. 252 zu § 162 Abs. 2 aF; Fleischer, DStR 2021, 483, 486 f.; siehe auch Staub/Casper, HGB, 5. Aufl., § 162 Rn. 23).
Rz. 56
(ddd) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch dann nicht, wenn - wie vom Antragsteller geltend gemacht - aufgrund des Gegenstands der Gesellschaft eine allgemein erhöhte Gefährdungslage für deren Kommanditisten bestehen sollte.
Rz. 57
Abgesehen davon, dass diese Gefährdungslage bei Kommanditisten aufgrund ihrer in der Regel nur beschränkten Einbindung in die operative Tätigkeit der Gesellschaft eher gering sein dürfte, kann die vom Antragsteller insoweit angeführte Befürchtung, aufgrund seines beruflichen Umgangs mit explosiven Stoffen der Gefahr einer Entführung oder eines Raubes ausgesetzt zu sein, in vergleichbarer Weise bei einer Vielzahl von anderen beruflichen Tätigkeiten gegeben sein, wie etwa bei beruflichem Umgang mit anderen gefährlichen Stoffen oder mit wertvollen Vermögensgegenständen. Würde man bereits aufgrund der damit generell verbundenen Gefährdung Ausnahmen von der hier in Rede stehenden Verarbeitung von Basisdaten eines Kommanditisten ermöglichen, wäre die im öffentlichen Interesse liegende Publizitäts- und Informationsfunktion des Handelsregisters (auch bei einer "bloßen" Zugangsbeschränkung) nicht mehr ausreichend gewährleistet.
Rz. 58
Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Offenlegung des Geburtsdatums und Wohnorts durch unbeschränkten Zugang im Internet zu einer relevanten Erhöhung einer berufsbedingt generell bestehenden Gefahrenlage führen würde. Dem Antragsteller ist zwar zuzugeben, dass sich auf diesem Weg ein potenziell unbegrenzter Personenkreis unschwer Kenntnis von den Daten verschaffen und damit eine elektronische Recherche zu der betroffenen Person in EDV-Systemen oder anhand des Wohnorts vor Ort durchführen kann, um ihre Privatanschrift zu ermitteln und ihre privaten Lebensumstände auszuforschen. Dass die unbeschränkte Einsehbarkeit von Geburtsdatum und Wohnort im Handelsregister bisher in dieser Form in erheblicher Weise ausgenutzt worden wäre und sich damit risikoerhöhend ausgewirkt hätte, ist jedoch weder allgemein noch konkret in Bezug auf den Antragsteller festgestellt. Die diesbezügliche Verfahrensrüge des Antragstellers hat der Senat geprüft, aber für nicht durchgreifend befunden (§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, § 564 ZPO).
Rz. 59
(eee) Dass die vom Antragsteller angeführten nationalen Regelungen zur Datenverarbeitung im Melderegister und in den Fahrzeugregistern die Möglichkeit von Ausnahmen von der unbeschränkten Offenlegung der erfassten Daten bei besonderen Umständen im konkreten Einzelfall vorsehen (§ 51 BMG, § 41 Abs. 2 StVG), spricht nicht gegen, sondern für die Zulässigkeit der hier in Rede stehenden Datenverarbeitung. Hierzu hat bereits das Beschwerdegericht zutreffend darauf hingewiesen, dass sowohl das Melderegister (§ 3 BMG) als auch das örtliche und das Zentrale Fahrzeugregister (§ 33 Nr. 2 StVG) weitergehende personenbezogene Daten, insbesondere die Anschrift, der erfassten Personen enthalten. Das Gewicht eines mit einer solchen Auskunft, insbesondere der vollständigen Anschrift, verbundenen Eingriffs in die Schutzrechte des Betroffenen ist nicht mit der auf wenige Basisdaten beschränkten Offenlegung der im Handelsregister eingetragenen Daten eines Kommanditisten zu vergleichen. Insgesamt ergibt sich damit ein gestuftes Schutzkonzept, bei dem die aus dem Handelsregister ersichtlichen Basisdaten die Ermittlung weitergehender Daten aus anderen Registern mit entsprechend weitergehenden Schutzvorkehrungen ermöglichen.
Rz. 60
(fff) Dieses Abwägungsergebnis steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Offenlegung der Personalien von Vertretungsorganen von Kapitalgesellschaften gemäß der Publizitätsrichtlinie.
Rz. 61
(α) Danach haben bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen im Fall der Offenlegung weniger personenbezogener Daten des Vertretungsorgans einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich sowohl die Notwendigkeit, die Interessen Dritter gegenüber diesen Gesellschaften zu schützen und die Rechtssicherheit zu gewährleisten, als auch die Lauterkeit von Handelsgeschäften und damit das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts Vorrang vor den Grundrechten des Betroffenen aus Art. 7 und Art. 8 der Charta (EuGH, Urteil vom 9. März 2017 - C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 57, 60 - Manni [zur Datenschutz-Richtlinie]). Zwar schließt das nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht aus, dass es besondere Situationen gibt, in denen es aus überwiegenden, schutzwürdigen, sich aus dem konkreten Fall ergebenden Gründen ausnahmsweise gerechtfertigt ist, nach Ablauf einer hinreichend langen Frist nach Auflösung der fraglichen Gesellschaft den Zugang zu den im Register eingetragenen personenbezogenen Daten auf Dritte zu beschränken, die ein besonderes Interesse an der Einsichtnahme dieser Daten nachweisen. Abgesehen davon, dass auch danach keine vollständige Entfernung der Daten aus dem Register in Betracht kommt, liegt die endgültige Entscheidung darüber, ob der von der Datenverarbeitung betroffenen Person das Recht einzuräumen ist, eine solche Einzelfallentscheidung zu beantragen, aber beim nationalen Gesetzgeber (EuGH, Urteil vom 9. März 2017 - C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 60 - Manni [unter Verweis auf Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Datenschutz-Richtlinie]).
Rz. 62
(β) Die vom Antragsteller angeführte Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22. November 2022 zum Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer von eingetragenen Gesellschaften oder juristischen Personen (EuGH, Urteil vom 22. November 2022 - C-37/20 und C-601/20, ECLI:EU:C:2022:912 = WM 2023, 63 Rn. 87- Luxembourg Business Registers) gibt keinen Anlass zu einer anderen Bewertung.
Rz. 63
Die dortigen Erwägungen des Gerichtshofs, aufgrund derer er die in Art. 1 Nr. 15 Buchst. c der Fünften Geldwäscherichtlinie (Richtlinie [EU] 2018/843 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie [EU] 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und zur Änderung der Richtlinien 2009/138/EG und 2013/36/EU [ABl. 2018, L 156 S. 43]) vorgesehene Regelung, nach der die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer in allen Fällen und für alle Mitglieder der Öffentlichkeit zugänglich sind, für ungültig erklärt hat, sind auf die hier vorzunehmende Abwägung nicht übertragbar. Wie der Gerichtshof klargestellt hat, unterscheiden sich die Vorschriften der Fünften Geldwäscherichtlinie über die öffentliche Zugänglichkeit der Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer von Gesellschaften und anderen juristischen Personen einerseits und die nach der Publizitätsrichtlinie bestehende Pflicht zur Offenlegung der Personalien des Organs einer Kapitalgesellschaft andererseits sowohl hinsichtlich ihrer Zielsetzungen als auch hinsichtlich des Umfangs der erfassten personenbezogenen Daten (EuGH, Urteil vom 22. November 2022 - C-37/20 und C-601/20, ECLI:EU:C:2022:912 = WM 2023, 63 Rn. 87 - Luxembourg Business Registers; J. Schmidt, BB 2023, 1859, 1874; Wachter, GmbHR 2023, 593, 597). Die Offenlegung der zur Identifizierung des Vertretungsorgans erforderlichen Daten bezweckt - wie bei den Daten eines Kommanditisten - die Information der gesamten Öffentlichkeit, während die mit der Transparenz der wirtschaftlichen Eigentümer intendierte Verhütung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorrangig den Behörden und bestimmten Einrichtungen obliegt und damit keine Offenlegung in allen Fällen für alle Mitglieder der Öffentlichkeit erfordert (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2022 - C-37/20 und C-601/20, ECLI:EU:C:2022:912 = WM 2023, 63 Rn. 83 - Luxembourg Business Registers). Überdies waren bei der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht nur wenige personenbezogene Basisdaten betroffen, sondern Informationen, anhand derer sich ein je nach Ausgestaltung des nationalen Rechts mehr oder weniger umfassendes Profil mit bestimmten persönlichen Identifizierungsdaten, der Vermögenslage des Betroffenen sowie den Wirtschaftssektoren, Ländern und spezifischen Unternehmen, in die er investiert hat, erstellen ließ (EuGH, Urteil vom 22. November 2022 - C-37/20 und C-601/20, ECLI:EU:C:2022:912 = WM 2023, 63 Rn. 41 - Luxembourg Business Registers).
Rz. 64
(ggg) Ob in besonderen Ausnahmefällen, etwa bei Nachweis konkreter Gefahren für Leib und Leben, eine andere Beurteilung oder evtl. einschränkende Auslegung der rechtlichen Vorgaben geboten sein könnte (vgl. etwa MünchKommHGB/Fleischer, 5. Aufl., § 106 Rn. 20: ausnahmsweise Angabe eines anderen spezifischen Identifikationsmerkmals statt des Wohnorts), bedarf hier keiner Entscheidung.
Rz. 65
Wie oben ausgeführt sind keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung des Antragstellers festgestellt. Dass für ihn nach seinem Vortrag im Melderegister eine Auskunftssperre (§ 51 BMG) und in den Fahrzeugregistern eine Übermittlungssperre (§ 41 Abs. 2 StVG) eingetragen ist, reicht dafür, wie dargelegt, nicht aus, weil diese Register deutlich weitgehendere Daten des Antragstellers, insbesondere seine vollständige Anschrift, enthalten, mit deren Offenlegung folglich auch ein Eingriff von anderem Gewicht bzw. mit größerem Gefährdungspotential verbunden ist. Entgegen der Darstellung des Antragstellers hat auch das Bundesverwaltungsgericht in der den Antragsteller betreffenden Entscheidung über die Anordnung einer Übermittlungssperre gemäß § 41 Abs. 2 StVG nicht ausgeführt, dass sein Geburtsdatum und sein Wohnort gesperrt werden müssten, sondern es hat auf die vom dortigen Berufungsgericht angenommene Gefährdung des Antragstellers durch die Angabe seiner "Halterdaten, also insbesondere seines Namens, seiner Anschrift und der seinen Fahrzeugen zugeteilten Kennzeichen" abgestellt.
Rz. 66
(3) Eine Abwägung unter Zugrundelegung der Grundrechte des Grundgesetzes führt zu keinem anderen Ergebnis.
Rz. 67
Die Verarbeitung von Geburtsdatum und Wohnort des Antragstellers durch das Registergericht greift zwar in das Grundrecht des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ein, dessen Schutz sich auch auf Basisdaten wie Geburtsdatum und Wohnort erstreckt (vgl. BVerfGE 65, 1, 41 f.; 128, 1, 44; BVerfG, NJW 2008, 1435 Rn. 18).
Rz. 68
Dieser Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt (allgemein zum Handelsregister: BeckOGK HGB/Beurskens, Stand: 15.4.2023, § 9 Rn. 7; Schaub in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 9 Rn. 2; Staub/Koch/Harnos, HGB, 6. Aufl., § 9 Rn. 4; Ries in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/ Mock/Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 9 Rn. 1; Roth/Stelmaszczyk in Koller/Kindler/Drüen, HGB, 10. Aufl., § 9 Rn. 1). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss vielmehr Einschränkungen dieses Rechts hinnehmen, die im überwiegenden Interesse anderer oder der Allgemeinheit liegen. Diese Beschränkungen bedürfen einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, die insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen muss (BVerfGE 65, 1, 43 f.; 128, 1, 46; BVerfG, NJW 2008, 1435 Rn. 21).
Rz. 69
Diesen Anforderungen halten § 162 Abs. 1, § 106 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a HGB, § 8 Abs. 1, § 8a Abs. 1, § 9 Abs. 1, § 10 HGB, § 387 Abs. 2 FamFG, § 40 Nr. 5 Buchst. c, § 47 Abs. 1, §§ 32, 52 HRV stand. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Auch bei Anwendung nationaler Beurteilungsmaßstäbe enthalten diese Vorschriften eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage und sind die daraus folgenden Einschränkungen in das Recht des Antragstellers durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt. Umstände, die Anlass zu einer anderen Beurteilung geben würden, sind weder allgemein noch konkret im Fall des Antragstellers ersichtlich.
Rz. 70
b) Ein Anspruch des Antragstellers auf Entfernung der Angabe seines Geburtsdatums und seines Wohnorts aus seiner Eintragung als Kommanditist aus nationalem Recht besteht ebenfalls nicht.
Rz. 71
Ungeachtet der Frage, ob und ggf. inwieweit im Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung in Anbetracht des in Erwägungsgrund 9 und 10 der Verordnung angestrebten Ziels eines gleichmäßigen Datenschutzniveaus überhaupt auf Ansprüche aus dem nationalen Recht zurückgegriffen werden könnte (vgl. dazu etwa Lüttringhaus in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, 3. Aufl., Kap. 30 Rn. 82 ff.; BGH, Beschluss vom 26. September 2023 - VI ZR 97/22, WM 2023, 2096), wären die Voraussetzungen der hier in Betracht kommenden Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, § 823 Abs. 1, § 839 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG auf Folgenbeseitigung und/oder künftige Unterlassung (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 1981 - VI ZR 273/79, BGHZ 80, 311, 319; Urteil vom 17. Dezember 1985 - VI ZR 244/84, NJW 1986, 2505, 2506; Urteil vom 15. September 2015 - VI ZR 175/14, BGHZ 206, 347 Rn. 17 f., 28; BVerwGE 69, 366, 370; 82, 76, 95; 105, 288) nicht erfüllt. Die verfahrensgegenständliche Datenverarbeitung ist, wie oben ausgeführt, nicht rechtswidrig, sondern erfolgt im Rahmen verfassungs- und unionsrechtlich unbedenklicher rechtlicher Verpflichtungen des Registergerichts. Das gilt auch für die Anwendung dieser Verpflichtungen im Fall des Antragstellers; eine einschränkende Auslegung dieser Regelungen ist daher auch insoweit nicht geboten.
Rz. 72
2. Im Ergebnis zu Recht hat das Beschwerdegericht auch den hilfsweisen Anspruch des Antragstellers auf Beschränkung der Offenlegung seines Geburtsdatums und Wohnorts dahingehend, dass eine Übermittlung an Dritte erst nach einer Interessenabwägung erfolgt, verneint.
Rz. 73
a) Ein Recht auf Einschränkung der Verarbeitung aus Art. 18 Abs. 1 und 2 oder aus Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO steht dem Antragsteller nicht zu.
Rz. 74
aa) Die in Art. 18 Abs. 1 Buchst. a bis c DS-GVO genannten Einschränkungsgründe liegen nicht vor. Der Antragsteller hat die Richtigkeit der eingetragenen Daten nicht bestritten, die Verarbeitung der betroffenen Daten ist nicht unrechtmäßig und die Daten werden für die Zwecke ihrer Verarbeitung durch das Registergericht weiter benötigt.
Rz. 75
bb) Der Antragsteller kann auch keine Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d oder Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO wegen des von ihm erhobenen Widerspruchs verlangen, weil bereits die Voraussetzungen eines Widerspruchrechts gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO nicht erfüllt sind.
Rz. 76
Ein Widerspruchsrecht gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO besteht nicht, wenn die Datenverarbeitung - wie hier - aufgrund von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Verantwortlichen erfolgt. Das gilt auch dann, wenn die Verarbeitung zugleich nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. e DS-GVO erlaubt wäre (LSG Darmstadt, RDV 2020, 95, 96; Gierschmann/Assion/Nolte/Veil, DS-GVO, Art. 6 Rn. 95; Heberlein in Ehmann/ Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 6 Rn. 23; Herbst in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 4. Aufl., Art. 21 DS-GVO Rn. 12; Herbst in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 4. Aufl., § 36 BDSG Rn. 17; Munz in Taeger/Gabel,DS-GVO/BDSG/TTDSG, 4. Aufl., Art. 21 DS-GVO Rn. 10; Kamann/Braun in Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 21 Rn. 13; Kremer in Laue/Kremer, Das neue Datenschutzrecht in der betrieblichen Praxis, 2. Aufl., § 4 Rn. 76; BeckOK IT-Recht/Steinrötter, Stand: 1.1.2023, Art. 21 DS-GVO Rn. 10; Bieresborn, NZS 2018, 10, 13; im Ergebnis auch Martini in Paal/Pauly,DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 21 DS-GVO Rn. 28, 45a [Ausschluss auf Rechtsfolgenebene]; vgl. auch Gierschmann/Veil, DS-GVO, 1. Aufl., Art. 21 Rn. 27 f.; Brühann in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand: Mai 1999, Art. 14 Datenschutz-Richtlinie [A 30] Rn. 6 [zu Art. 14 der Datenschutz-Richtlinie]).
Rz. 77
aaa) Nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO steht der betroffenen Person ein Widerspruchsrecht zu, wenn die Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. e (in Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt, oder in Ausübung übertragener öffentlicher Gewalt) oder Buchst. f (zur Wahrung berechtigter Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten) erfolgt. Die Regelung gilt ihrem Wortlaut nach nur in Fällen einer Datenverarbeitung aufgrund von Art. 6 Abs. 1 Buchst. e oder f DS-GVO. Anders als die noch in Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Datenschutz-Richtlinie enthaltene Regelung, nach der die Mitgliedstaaten "zumindest" in den Fällen von Art. 7 Buchst. e und f der Richtlinie (entsprechend Art. 6 Abs. 1 Buchst. e und f DS-GVO) ein Widerspruchsrecht der betroffenen Person anerkannten, enthält die Norm damit keine vergleichbare Öffnung für andere Erlaubnistatbestände des Art. 6 Abs. 1DS-GVO. Dem Wortlaut ist aber auch nicht eindeutig zu entnehmen, dass das Widerspruchsrecht damit auf Fälle beschränkt sein soll, in denen die Verarbeitung ausschließlich durch Art. 6 Abs. 1 Buchst. e oder f DS-GVO legitimiert wird (vgl. Martini in Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 21 DS-GVO Rn. 28).
Rz. 78
bbb) Für eine solche Beschränkung spricht allerdings die Systematik der Datenschutz-Grundverordnung.
Rz. 79
Die Erlaubnistatbestände des Art. 6 Abs. 1 DS-GVO stehen grundsätzlich unabhängig und gleichrangig nebeneinander, d.h. jeder Erlaubnistatbestand nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 DS-GVO rechtfertigt die Verarbeitung eigenständig und vollständig (vgl. BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Stand: 1.8.2023, Art. 6 DS-GVO Rn. 24; BeckOK IT-Recht/Borges/Steinrötter, Stand: 1.1.2022, Art. 6 DS-GVO Rn. 6 mwN). Ist die Datenverarbeitung gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DS-GVO zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, braucht daher nicht geprüft zu werden, ob sie auch von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DS-GVO erfasst wäre (EuGH, Urteil vom 1. August 2022 - C-184/20, ECLI:EU:C:2022:601 = RIW 2023, 49 Rn. 71 - Vyriausioji tarnybinės etikos komisija; Urteil vom 4. Juli 2023 - C-252/21, ECLI:EU:C:2023:537 = NJW 2023, 2997 = RIW 2023, 516 Rn. 94 - Meta Platforms). Diese eigenständige Legitimationswirkung der anderen Erlaubnistatbestände würde entwertet, wenn das Widerspruchsrecht auf in Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO nicht genannte Tatbestände erstreckt würde (vgl. Martini in Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 21 DS-GVO Rn. 45a a.E.).
Rz. 80
Das gilt insbesondere bei einer Verarbeitung aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DS-GVO, da der Normgeber hier eine für den Verantwortlichen verbindliche Entscheidung über die Recht- bzw. Verhältnismäßigkeit der Verarbeitung getroffen hat. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e und f DS-GVO enthalten dagegen Erlaubnistatbestände, in denen die Entscheidung über die Datenverarbeitung im konkreten Fall letztlich dem Verantwortlichen überlassen ist. Würde man in Fällen, in denen die Verarbeitung sowohl aufgrund von Buchst. c als auch von Buchst. e erfolgt, dem Betroffenen ein Widerspruchsrecht einräumen und damit eine Einzelfallbeurteilung des Verantwortlichen ermöglichen, würde die Abwägungsentscheidung des Normgebers unterlaufen.
Rz. 81
ccc) Sinn und Zweck des Art. 21 Abs. 1 DS-GVO sprechen ebenfalls für eine solche Auslegung.
Rz. 82
Nach Erwägungsgrund 69 der DS-GVO soll die betroffene Person auch im Fall einer möglicherweise gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. e oder f DS-GVO rechtmäßigen Datenverarbeitung die Möglichkeit haben, Widerspruch gegen die Verarbeitung der sich aus ihrer besonderen Situation ergebenden Daten einzulegen, mithin die durch den Verantwortlichen in ihrem Fall getroffene Abwägung der im Einzelfall konkret betroffenen Interessen (Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO) überprüfen und ggf. korrigieren zu lassen (vgl. Herbst in Kühling/Buchner,DS-GVO/BDSG, 4. Aufl., Art. 21 DS-GVO Rn. 15; Gierschmann/Veil, DS-GVO, Art. 21 Rn. 74). Dafür ist indes kein Raum, wenn die Datenverarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Verantwortlichen erforderlich ist und der Normgeber die Abwägung damit bereits für den Verantwortlichen verbindlich durchgeführt hat, ohne diesem die Möglichkeit einer Beurteilung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls einzuräumen (vgl. BeckOK Datenschutzrecht/Forgó, Stand: 1.11.2021, Art. 21 DS-GVO Rn. 16 f.; Gola in Gola/ Heckmann, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., § 36 BDSG Rn. 10). Hat der Verantwortliche Zweifel an der Recht- bzw. Verhältnismäßigkeit seiner rechtlichen Verpflichtung, muss er gegen diese auf dem dafür vorgesehenen Weg rechtlich vorgehen, auch wenn diese Zweifel auf datenschutzrechtlichen Erwägungen beruhen (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin vom 14. September 2023 - C-115/22, ECLI:EU:C:2023:676, juris Rn. 135 ff.). Die Einräumung eines Widerspruchsrechts nach Art. 21 Abs. 1 DS-GVO kann nicht dazu führen, im Wege einer Einzelfallabwägung durch den Verantwortlichen die vom Normgeber bereits vorgenommene und die Verarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. cDS-GVO legitimierende Abwägung zu umgehen bzw. zu unterlaufen.
Rz. 83
ddd) Im Übrigen lägen auch keine Gründe vor, die sich aus einer besonderen Situation des Antragstellers im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO ergeben und seinen Widerspruch in der Sache tragen würden. Nicht zuletzt wegen der Normstruktur des Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO, die eine Abwägung erfordert, müssen von Seiten der betroffenen Person konkrete Tatsachen zu ihrer besonderen Situation vorgetragen werden, die ausnahmsweise das Unterlassen der Erhebung rechtfertigen sollen (Schulz in Gola/Heckmann, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 21 Rn. 9 f.). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, da mit dem besonders schützenswerten Informationsinteresse des Rechts- und Handelsverkehrs zwingende schutzwürdige Gründe für die Speicherung und Offenlegung von Geburtsdatum und Wohnort des Antragstellers vorliegen, die auch unter Berücksichtigung der von ihm geltend gemachten generellen berufsbedingten Gefährdungslage seine schutzwürdigen Interessen, Rechte und Freiheiten überwiegen.
Rz. 84
b) Aus nationalem Recht ergibt sich ebenfalls kein Anspruch des Antragstellers auf die begehrte Einschränkung des Zugangs zur Angabe seines Geburtsdatums und seines Wohnorts durch Vorschaltung einer Interessenabwägung.
Rz. 85
Die Beschränkung des Widerspruchsrechts in Art. 21 Abs. 1 Satz 1DS-GVO auf die dort genannten Fälle des Art. 6 Abs. 1 Buchst. e und fDS-GVO enthält eine abschließende Harmonisierung. Anders als in Art. 14 Buchst. a der Datenschutz-Richtlinie ("zumindest in den Fällen") wird den Mitgliedstaaten in Art. 21 Abs. 1 DS-GVO nicht mehr die Möglichkeit eingeräumt, den Anwendungsbereich des Widerspruchsrechts über die genannten Fälle hinaus zu erweitern (vgl. Kamann/Braun in Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 21 Rn. 15). Ein Rückgriff auf nationale Regelungen ist damit ausgeschlossen.
Rz. 86
Zudem bestünde kein entsprechender Anspruch des Antragstellers aus nationalem Recht, weil die Eintragung und Offenlegung seines Geburtsdatums und Wohnorts im uneingeschränkt abrufbaren Registerordner rechtlich vorgegeben ist und, wie ausgeführt, weder im Allgemeinen noch konkret im Fall des Antragstellers europa- oder verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.
Rz. 87
IV. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst. Die Anwendung des Unionsrechts auf den vorliegenden Fall wirft keine Auslegungsfragen auf, die nicht schon aus sich heraus klar oder durch die zitierte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hinreichend geklärt sind (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, ECLI:EU:C:1982:335 = NJW 1983, 1257 Rn. 14, 16, 21 - C.I.L.F.I.T. u.a.).
Rz. 88
Letzteres gilt insbesondere für die Kriterien und Maßstäbe der Auslegung und Anwendung von Art. 17 Abs. 3 Buchst. b Fall 1, Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c, Abs. 3 und Art. 21 Abs. 1 DS-GVO sowie der Unionsgrundrechte. Die Feststellung, ob die Datenverarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DS-GVO erforderlich ist, ist zudem in erster Linie Sache der nationalen Gerichte (Urteil vom 4. Juli 2023 - C-252/21, ECLI:EU:C:2023:537 = NJW 2023, 2997 = RIW 2023, 516 Rn. 96 - Meta Platforms). Dasselbe gilt für die erforderliche Abwägung der betroffenen Rechte und Interessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juni 2021 - C-597/19, ECLI:EU:C:2021:492 = GRUR 2021, 1067 Rn. 111 - M.I.C.M.; Urteil vom 4. Juli 2023 - C-252/21, ECLI:EU:C:2023:537 = NJW 2023, 2997 = RIW 2023, 516 Rn. 110 - Meta Platforms; BVerfGE 152, 216 Rn. 137 ff. - Recht auf Vergessen II). Die Auslegung von Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO, wonach ein Widerspruchsrecht nicht in Betracht kommt, wenn die Datenverarbeitung auch gemäß Art. 6 Abs. 1Unterabs. 1 Buchst. c DS-GVO zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, ist angesichts des Wortlauts, der klaren Systematik der Vorschrift und ihres Sinns und Zwecks von vornherein eindeutig (acte clair, vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 f. - C.I.L.F.I.T.). Überdies wäre ein Widerspruch des Antragstellers gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO auch unbegründet.
Rz. 89
Die von der Rechtsbeschwerde für vorlagepflichtig erachteten Fragen, welche Grenzen den Mitgliedstaaten bei Gesetzgebungsmaßnahmen (hier § 10a Abs. 3 HGB) durch Art. 23 DS-GVO insbesondere in Bezug auf die erforderliche Normierung der Garantien gegen Missbrauch gezogen sind, wenn sie das Widerspruchsrecht der Betroffenen aus Gründen des Schutzes sonstiger wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses ausschließen wollen, und ob der Ausschluss des Widerspruchsrechts durch gesetzgeberische Maßnahmen der Mitgliedstaaten auch bei Gefahren für Leib und Leben des Betroffenen von Art. 23 DS-GVO gedeckt ist, stellen sich damit nicht.
Born |
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B. Grüneberg |
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V. Sander |
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von Selle |
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Adams |
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Fundstellen
BGHZ 2024, 222 |
BB 2024, 1357 |
BB 2024, 770 |
DB 2024, 991 |
DStR 2024, 10 |
FA 2024, 161 |
FGPrax 2024, 109 |
WM 2024, 710 |
WuB 2024, 298 |
DZWir 2024, 441 |
JZ 2024, 239 |
RDV 2024, 180 |
StX 2024, 349 |
GmbH-Stpr 2024, 250 |
Jura 2024, 663 |