Verfahrensgang
LG Potsdam (Urteil vom 02.11.2020; Aktenzeichen 24 KLs 9/20 426 Js 14800/20) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 2. November 2020 aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen und wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des Urteils. Im Übrigen bleibt sie entsprechend den Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Die Schuldsprüche werden von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen. Es benachteiligt den Angeklagten nicht, dass das Landgericht in Bezug auf Tat 6 das Handeltreiben mit dem in seiner Wohnung aufbewahrten Kokain sowie das Handeltreiben mit dem in der Wohnung des Mitangeklagten gefundenen Marihuana ohne nähere Erläuterung als eine Tat gewertet hat (vgl. zu den Voraussetzungen der Bewertungseinheit in solchen Fällen etwa BGH, Beschlüsse vom 27. April 1999 – 4 StR 136/99, StV 1999, 431; vom 5. Juni 2019 – 2 StR 287/18, NStZ 2020, 227, 228 mwN).
Rz. 3
2. Jedoch hält das Urteil insoweit rechtlicher Überprüfung nicht stand, als eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Rz. 4
Das Landgericht hat die Voraussetzungen des § 64 StGB nicht erkennbar erwogen, obwohl sich deren Vorliegen aufgedrängt hat. Ausweislich der Urteilsgründe ist der Angeklagte betäubungsmittelabhängig (UA S. 23). Dann liegt aber in der Regel auch ein Hang im Sinne von § 64 Satz 1 StGB vor; dass in der Untersuchungshaft keine Entzugserscheinungen aufgetreten sind, steht dem nicht entgegen (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 452 mwN). Entsprechendes gilt für den Umstand, dass der Angeklagte „nur” am Wochenende, dann aber erhebliche Mengen Kokain konsumierte und seiner Arbeit nachgehen konnte. Denn die Annahme sozialer Gefährlichkeit kommt auch dann in Betracht, wenn der Angeklagte – ohne erhebliche Beeinträchtigung seiner Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit – Taten der Beschaffungskriminalität begeht (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2008 – 5 StR 621/07; vom 14. Februar 2018 – 4 StR 622/17; vom 11. Dezember 2019 – 5 StR 469/19). Das war hier der Fall. Der Angeklagte entschloss sich zur Aufnahme und Durchführung des Drogenhandels trotz im Grunde auskömmlichen Verdienstes nur, um den Konsum von Kokain finanzieren zu können.
Rz. 5
Da auch die weiteren Voraussetzungen des § 64 StGB gegeben sein können, bedarf die Sache insoweit unter Heranziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO) neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen haben Bestand. Das neue Tatgericht wird ergänzende Feststellungen zu treffen haben. Solche sind möglich, soweit sie den bestehenden nicht widersprechen.
Rz. 6
Es hindert eine Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanordnung der Maßregel auch nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen.
Unterschriften
Sander, König, Feilcke, Tiemann, von Schmettau
Fundstellen
Haufe-Index 14431580 |
StV 2021, 431 |