Verfahrensgang
LG München II (Urteil vom 26.11.2001) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 26. November 2001 im Schuldspruch dahin geändert, daß
- im Fall B. 1. (Tat vom 4./5. April 2001) die tateinheitliche Verurteilung wegen Nötigung und
- im Fall B. 2. (Tat vom 23. April 2001) die Verurteilung wegen tateinheitlicher Bedrohung
entfallen. Die §§ 240, 241 StGB werden in der Liste der angewendeten Vorschriften gestrichen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Nötigung sowie wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Bedrohung zur Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Änderung des Schuldspruchs. Im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das Landgericht hat in beiden abgeurteilten Fällen das Konkurrenzverhältnis unzutreffend beurteilt. Es hat den Angeklagten jeweils wegen Vergewaltigung und vorsätzlicher Körperverletzung schuldig gesprochen, im Falle B. 1. zudem wegen tateinheitlich begangener Nötigung, im Falle B. 2. wegen tateinheitlicher Bedrohung. Die hierzu getroffenen Feststellungen ergeben, daß der Angeklagte das Tatopfer, seine in derselben Wohnung von ihm getrennt lebende Ehefrau, im Kinderzimmer aufsuchte, die sich Wehrende unter Anwendung körperlicher Gewalt zum Geschlechtsverkehr zwang und sie schlug. Im ersten Fall sagte er ihr während des Geschehens, sie solle aufhören zu schreien, sonst werde er sie umbringen, „da ihm ihr Schreien auf die Nerven ging”. Das Opfer nahm die Drohung ernst und schrie aus Angst nicht mehr, versuchte aber, den über ihr knienden Angeklagten wegzudrücken. Darin sieht das Landgericht auch eine vollendete Nötigung (§ 240 StGB). Im zweiten Falle erklärte er ihr wiederum, er werde sie umbringen, wenn sie schreie, weil „ihm auch hier ihr Schreien auf die Nerven ging”. Seine Frau schrie aber dennoch (UA S. 6). Dies beurteilt das Landgericht als Bedrohung (§ 241 StGB).
Der Tatbestand der Bedrohung (§ 241 StGB) tritt hinter den der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung (§ 177 StGB) zurück, wenn das Opfer zur Durchführung der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung mit dem Tode bedroht wird (BGH bei Holtz MDR 1979, 281; BGH, Beschl. vom 21. September 1993 – 1 StR 510/93; Träger/Schluckebier in LK 11. Aufl. § 241 Rdn. 27). Die Drohung ist hier Mittel der sexuellen Nötigung. Gleiches gilt für das Verhältnis von Nötigung zu sexueller Nötigung bzw. Vergewaltigung (BGH NStZ-RR 1996, 227 = BGHR StGB § 177 Abs. 1 Konkurrenzen 12; BGH, Beschl. vom 8. April 1998 – 3 StR 25/98). Anders könnte es sich für die vorliegende Fallgestaltung nur dann verhalten, wenn die Nötigung und auch die Bedrohung einem anderen Zweck als dem der Erzwingung sexueller Handlungen gedient hätte, wenn der Täter also damit ein weiteres, von § 177 StGB nicht erfaßtes Ziel verfolgt hätte (vgl. Träger/Altvater in LK 11. Aufl. § 240 Rdn. 124, 126).
Die Strafkammer nimmt ersichtlich an, ein solches anderweitiges Ziel sei es hier gewesen, die Schreie des Tatopfers zum Verstummen zu bringen, die dem Angeklagten „auf die Nerven gingen”. Die getroffenen Feststellungen ergeben indessen unbeschadet dieser konkreten Empfindung des Angeklagten („auf die Nerven gehen”) ohne weiteres, daß er im Zusammenhang des Geschehens kein den Tatbestandsrahmen des § 177 Abs. 1 StGB überschreitendes Ziel im Auge hatte. Die Drohung, die Geschädigte umzubringen, wenn sie schreie, war Teil einer einheitlichen physischen und psychischen Einwirkung auf das Opfer, die ersichtlich auch nach dem Willen des Angeklagten im Ergebnis dazu diente, die Duldung des Geschlechtsverkehrs zu erzwingen. Dem Ziel, die Schreie des Opfers zu unterbinden, kann bei dem festgestellten Ablauf kein in tatbestandsmäßiger Hinsicht eigenständiger Unrechtsgehalt zukommen. Die Drohungen erfolgten während der Gewaltanwendung und bezweckten so erkennbar, den – auch durch Schreien geleisteten – Widerstand der Frau zu brechen.
2. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. Er schließt aus, daß der Rechtsfehler den Rechtsfolgenausspruch zum Nachteil des Angeklagten beeinflußt haben kann. Die Drohungen dürfen im Rahmen der konkreten Strafzumessung zur Kennzeichnung des konkret verwirklichten Unrechts ohnehin berücksichtigt werden (vgl. § 46 Abs. 2 StGB: Art der Ausführung). Soweit die Strafkammer die neben den Vergewaltigungen verwirklichten Tatbestände in den Strafzumessungserwägungen anspricht, hebt sie ausdrücklich hervor, daß diese neben den Hauptdelikten „unbedeutend” waren (UA S. 19 unten).
3. Die Strafzumessung ist auch sonst von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Der Senat schließt aus, daß der Kammer Alter und Gesundheitszustand des Angeklagten in diesem Zusammenhang aus dem Blick geraten sein könnten, zumal da sie der Straffindung nicht den Strafrahmen für den besonders schweren Fall, sondern den Normalstrafrahmen zugrundegelegt hat. Daß das Opfer die Ehefrau des Angeklagten war, erwähnt die Strafkammer ausdrücklich.
Unterschriften
Nack, Boetticher, Schluckebier, Kolz, Hebenstreit
Fundstellen
Haufe-Index 2559415 |
NStZ-RR 2002, 235 |